Virologe Christian Drosten am Dienstag auf dem Geländer der Berliner Charité, wo er nach einem Treffen mit Österreichs Kanzler Kurz mit diesem vor die Presse trat.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Deutschland
Trotz insgesamt sinkender Corona-Zahlen ist die als
ansteckender geltende Delta-Variante des Virus auch in Deutschland
auf dem Vormarsch. Nachdem bereits mehrere Bundesländer gemeldet
haben, dass der Anteil der Variante an den Neuinfektionen zuletzt
spürbar gestiegen ist, werden an diesem Mittwochabend neue Daten des
Robert Koch-Instituts (RKI) erwartet. Es ist damit zu rechnen, dass
sich die zunächst in Indien entdeckte Mutante in vielen Teilen
Deutschlands weiter ausgebreitet hat – wenn auch auf insgesamt
niedrigem Niveau.
Der Virologe Christian Drosten plädiert angesichts der Entwicklung
dafür, das Bewusstsein für die Bedeutung der Impfung zu stärken. "Das
ist wirklich das, was wir jetzt machen müssen", sagte der Experte der
Berliner Charité im Podcast "Coronavirus-Update" (NDR-Info). Er legte
sich nicht fest, ob es wegen der Ausbreitung der Delta-Variante
bereits im Sommer oder erst im Herbst zu einer Trendumkehr kommen
könnte. Im Herbst werde die Inzidenz auf jeden Fall wieder steigen,
sagte Drosten und betonte die Wichtigkeit der Impfung bei Eltern von
Schulkindern.
Inzidenz in England war nicht so niedrig wie jetzt in Detuschland
"Wir müssen einfach schnell impfen", lautet der Appell des Virologen.
Reiche dies nicht, müsse man erneut mit Kontaktbeschränkungen
gegensteuern. "Aber es gibt auch gute Gründe zu denken, dass das in
Deutschland nicht notwendig wird." In England, wo sich die
Corona-Lage wegen der Delta-Variante wieder verschlechtert hat, sei
die Sieben-Tage-Inzidenz ausgehend von einem Niveau von 25 wieder
angestiegen. "Man hatte nicht so weit runtergebremst, wie wir das
jetzt in Deutschland schon gemacht haben." Hierzulande lag der Wert
zuletzt bei unter 10 Infektionen pro Woche und 100.000 Einwohner.
In Deutschland hatte der Anteil der Delta-Variante in einer
Zufallsstichprobe nach Daten des RKI zuletzt bei gut 6 Prozent (Woche
vom 31. Mai bis 6. Juni) gelegen. Das war eine Zunahme im Vergleich
zu den Wochen davor, der Trend bei der absoluten Zahl der Nachweise
ist jedoch rückläufig. Am Mittwochabend wird der neue
Virusvariantenbericht des Robert Koch-Instituts erwartet. In
Großbritannien ist Delta bereits die dominierende Variante.
Hessen: Ein Fünftel der Neuansteckungen ist Delta-Variante
Am Dienstag meldeten mehrere Bundesländer, dass der Anteil der
Variante auch bei ihnen gestiegen sei. In Hessen macht sie nach
Angaben von Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) bereits mehr als
ein Fünftel der Neuansteckungen aus. "Wir haben doch deutliche
Anzeichen, dass Delta auch in Hessen mittlerweile schon über 20
Prozent der Fälle dominiert", sagte er.
In Bayern hat sich die Zahl der bestätigten Infektionen mit der
Delta-Variante im Verlauf einer Woche fast verdoppelt - von 132 auf
229 Fälle, wie Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) mitteilte. In
einzelnen Laboren betrage der Anteil inzwischen fast ein Viertel.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuletzt erklärt, es
sei nicht die Frage, ob, sondern wann Delta das Infektionsgeschehen
in Deutschland bestimmen werde.
Montgomery: Auf "Impfskeptiker und Impfleugner" zugehen
Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery,
forderte, stärker auf "Impfskeptiker und Impfleugner" zuzugehen.
"Wenn wir nicht auch einen Teil dieser Gruppe vom Sinn der Impfung
überzeugen, werden wir die Herdenimmunität nicht erreichen", sagte
Montgomery dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Mit Blick
auf die Delta-Variante erklärte er: "Wer sich nicht impfen lässt,
wird sich früher oder später mit dem Coronavirus infizieren."
Aus eigenen Labordaten gebe es erste Hinweise, dass Menschen, die mit
der Delta-Variante infiziert sind, eine noch höhere Viruslast haben
als Infizierte mit der Alpha-Variante (B.1.1.7), berichtete Drosten.
Bisherige Daten geben für ihn Signale, dass Delta etwas schwerere
Verläufe verursache. Der Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf
für vollständig Geimpfte sei im Vergleich zur noch in Deutschland
dominierenden Variante Alpha aber gleichwertig. Der Schutz nur durch
die Erstimpfung gilt jedoch als schwächer verglichen mit der Wirkung
gegen früheren Virusformen.
(andi/dpa)