Die großen Karnevalsfeste müssen 2020 wegen der Corona-Pandemie ausfallen – auch für diese beiden Dinosaurier.Bild: dpa / Frank Rumpenhorst
Deutschland
Björn Braun steht am Mittwochmorgen an einem
Nebeneingang des Kölner Doms und wartet darauf, dass er rein kann.
Wäre es ein normales Jahr, würde Braun überhaupt nicht auffallen mit
seiner rot-grünen Mütze: Eine bunte Masse aus trinkenden, johlenden
Karnevalstouristen, die der nebenan gelegene Kölner Hauptbahnhof an
einem gewöhnlichen 11.11. – dem Karnevalsauftakt – ausspeit, würde
ihn einfach schlucken. Heute aber fällt der Jurist mit der Kappe auf.
Man kann sagen, er trägt sie mit einem gewissen Stolz, wenn nicht gar
Trotz. "Wir Kölnerinnen und Kölner haben so ein paar Grundtugenden
vom lieben Gott mitbekommen", sagt Braun. "Wie beispielsweise
Leidensfähigkeit und einen unerschütterlichen Optimismus."
Braun ist die designierte "Jungfrau Gerdemie", eine der drei
Figuren im Kölner Dreigestirn, einem Trio von Oberjecken, das an
Karneval durch die Säle zieht. In diesem Jahr fällt das in großen
Teilen flach. Grund: Corona. Nicht nur in den Sälen wird der Karneval
vom Virus abgewürgt, sondern auch auf den Straßen wie an diesem
Mittwoch. Zum Schluss einer kleinen Andacht für das Dreigestirn im
Dom spielt die Orgel immerhin ein Lied der Karnevalsband Bläck Fööss.
Köln orgelt gegen die Pandemie an – viel mehr ist nicht drin an
diesem 11.11.
Gähnende Leere in den Karnevalshochburgen
Ähnlich sieht es in anderen Karnevalshochburgen aus. Wer es nicht
besser weiß, könnte den diesjährigen 11.11. für einen gewöhnlichen
Tag im tristen November halten. Die dominierenden Farben: Grau und
Braun. Auffällig sind einzig die vielen grellgelben Westen von
Sicherheitsleuten. Ein Polizeiauto zuckelt durch die Altstadt, die
bei der Sessionseröffnung normalerweise in jeder Hinsicht überläuft.
Gerade Köln hatte vor dem 11.11. viel Energie darauf verwendet,
Menschen vom Feiern abzuhalten. Es gilt ein Alkoholverbot auf den
Straßen. Von Plakaten verkündet die Schauspielerin Janine Kunze (46)
mit ernstem Blick: "Am 11.11. feiere ich nicht." Kunze spielte früher
mal die arg doofe Tochter Carmen in der Klamauk-Serie "Hausmeister
Krause". Die Botschaft: Selbst die hat es verstanden.
Die Frage aber blieb: Kann eine Millionenstadt, die für einen
gewisses Laisser-faire berüchtigt ist, auch ernst und ungesellig?
Ohne Verbrüderungsgesten unter Fremden, die ganz und gar gegen jede
Pandemie-Strategie wären? Moderator Klaas Heufer-Umlauf (37) sagte
neulich über seine Köln-Erfahrung: "Das ist wie so eine
Urlaubsbekanntschaft, die sich dir an den Hals wirft." Sofort kenne
man immer alle.
Die erste Antwort: Ja, es geht. Es ist ziemlich leer. "Ich habe
mich gewundert, warum hier Ordner stehen, und dann habe ich erst
realisiert, dass heute der 11.11 ist", sagt Jenny Stander. Die
28-Jährige wohnt in der Zülpicher Straße, einer bekannten Partymeile.
Karnevalsstimmung trotz Corona
Andere pressen zumindest ein bisschen Karneval aus dem dunklen
Tag. "Man kann sich trotz Corona doch immer noch verkleiden und ein
bisschen Karnevalsstimmung verbreiten", sagt Tobias Behn, der auf dem
Weg zur Arbeit in ein Labor ist – kostümiert als Löwe. Sein
Bekenntnis: "Auf den Kopfhörern habe ich Karnevalsmusik laufen." Vor
dem Dom trägt Ingo Schönhold eine Pappnase über der Mund-Nasen-Maske.
Er sieht es so: "Selbst wenn zum Beispiel ein Sommer wegen des
Wetters nicht stattfindet, dann gibt es die Jahreszeit trotzdem."
Als er weiter zieht, um zur Arbeit zu gehen, fällt ihm die
Pappnase auf die vom Regen nasse Domplatte. Er hebt sie wieder
auf.
(mse/dpa)