Erinnert daran, dass das Vorgehen bei der Impfstoffbeschaffung rückwirkend kaum zu bewerten sei: Virologe Christian Drosten. Bild: dpa / Britta Pedersen
Deutschland
Am Dienstag fällt die Entscheidung über die Verlängerung der coronabedingten Beschränkungen. Eine Verlängerung scheint Formsache – aber wie lange soll der Lockdown anhalten? Derweil kommentiert Virologe Drosten die Impfstoff-Beschaffungsdebatte
03.01.2021, 09:0103.01.2021, 09:15
Eine Verlängerung der Corona-Beschränkungen über den
10. Januar hinaus scheint sicher zu sein – offen ist indes die Dauer
und vor allem die Frage, was mit Kitas und Schulen passiert. Dieser
Stand zeichnete sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur
bei einer Schaltkonferenz der Staatskanzlei-Chefs am
Samstagnachmittag ab, über die zuerst die "Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung" berichtet hatte.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte in der "Bild am
Sonntag" strikte Beschränkungen für weitere drei Wochen: "Der
Lockdown muss bis Ende Januar verlängert werden. Vorschnelle
Lockerungen würden uns wieder weit zurückwerfen." Auch andere stark
von Corona betroffene Bundesländer plädierten in der Telefonkonferenz
dafür, während weniger betroffene Länder einer neuen Entscheidung
schon nach zwei Wochen zuneigten.
Am Dienstag will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den
Ministerpräsidenten der Länder über die Verlängerung entscheiden. Die
Besprechung der Staatskanzlei-Chefs diente der Vorbereitung.
Streit um Umgang mit Kitas und Schulen
Strittig war unter ihnen besonders der Umgang mit den Kitas und
Schulen. Länder mit hohen Fallzahlen wollten sie weiter geschlossen
halten, solche mit geringeren Zahlen plädierten für frühere Öffnungen
bei Wechsel- oder Distanzunterricht höherer Klassen. Einzelne Länder
regten auch ein Vorziehen der Winterferien an, die je nach Land
zwischen dem 1. und 15. Februar beginnen. Söder sagte: "Es darf keine
überstürzte Öffnung von Schulen und Kitas geben. Es wäre angesichts
der hohen Infektionszahlen verantwortungslos, Lehrer und Schüler
einfach wieder komplett in die Schulen zu schicken."
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) verlangt, "dass der
Bund darlegt, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage
beziehungsweise Datengrundlage er eine weitere pauschale Schließung
von Kitas und Schulen fordert und wie er sich vorstellt, dass damit
die wesentlichen Funktionen der Grundversorgung und medizinischen
Behandlungskapazitäten aufrechterhalten werden sollen", wie er der
"Welt am Sonntag" sagte.
Weiter Kritik an der Impfstoffbestellung
Einen Tag vor der Ministerpräsidentenkonferenz beraten am Montag
bereits die Kultusminister der Länder. In diesem Kreis wird vor allem
die baldige Öffnung der Kitas und Grundschulen als vorrangig
betrachtet.
In der Diskussion ist nach dpa-Informationen auch eine bundesweite
Testpflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten. In Bayern gibt es
sie schon.
In der Debatte, ob zu spät und zu wenig Impfstoff bestellt wurde,
griff Söder die EU-Kommission an, die europaweit für die Beschaffung
zuständig war. Die Kommission habe zu wenig bestellt und auf die
falschen Hersteller gesetzt. "Es ist schwer zu erklären, dass ein
sehr guter Impfstoff in Deutschland entwickelt, aber woanders
schneller verimpft wird", sagte er mit Blick auf die Mainzer Firma
Biontech. "Alle Verfahren müssen massiv beschleunigt werden: die
Bestellung und Produktion von Impfstoff auch mit nationalen
Kapazitäten. Zudem die schnellere und trotzdem gründlich geprüfte
Zulassung von neuen Impfstoffen ähnlich wie in Großbritannien."
Drosten: "Das ist so eine komplizierte Angelegenheit"
Der Virologe Christian Drosten hält es allerdings für "praktisch
unmöglich, das im Nachhinein zu bewerten", wie er der "Berliner
Morgenpost" sagte. "Das ist so eine komplexe Angelegenheit.
Man musste den Impfstoff mit Monaten Vorlauf bestellen – und wusste
zu dem Zeitpunkt gar nicht, ob der betreffende Impfstoff auch
funktionieren würde." Aber auch er empfiehlt, beim Impfstoff von
Astrazeneca schnell hinterherzukommen, der in Großbritannien bereits
eine Notfallzulassung hat - weil dieses Vakzin nicht so stark gekühlt
werden muss und daher in normalen Arztpraxen und damit viel leichter
geimpft werden kann.
Auch der CDU-Vorsitzkandidat Norbert Röttgen wies Kritik daran
zurück, dass Deutschland sich nicht an der EU vorbei im Alleingang
Impfstoffe gesichert hat. "Ich finde es richtig, dass die deutsche
Politik einem Impf-Nationalismus eine klare Absage erteilt hat",
sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wies Vorwürfe gegen die
Regierung wegen des Mangels an Impfstoff erneut zurück. "Es läuft
genau so, wie es geplant war", sagte er "RTL Aktuell". 1.3 Millionen
Dosen Impfstoff seien bis Jahresende an die Bundesländer ausgeliefert
worden, bis Ende Januar würden es insgesamt 4 Millionen sein - genau
wie er seit Wochen angekündigt habe "mit dem Hinweis, dass es am
Anfang knapp sein würde und wir deshalb priorisieren müssen". Spahn
versprach, dass im Januar alle Pflegeheim-Bewohner geimpft werden
könnten.
(andi/dpa)