Einsatzkräfte der Polizei sind bei einer Kundgebung unter dem Motto "Freie Bürger Kassel - Grundrechte und Demokratie" im Einsatz.Bild: dpa / Swen Pförtner
Deutschland
21.03.2021, 10:0221.03.2021, 14:11
Nach den Ausschreitungen bei einer "Querdenken"-Demonstration am Samstag in Kassel wird Kritik am Einsatzkonzept der Polizei laut.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Günter
Rudolph, sagte laut Mitteilung, es sei "ein absolut unverständliches
Zurückweichen des Staates", dass Tausende von Corona-Leugnern ohne
Masken und ohne Abstand durch die Innenstadt von Kassel ziehen
konnten. Das Einsatzkonzept der Polizei sei offenkundig gescheitert.
Auch der Grünen-Politiker Cem Özdemir kritisierte den Einsatz. "Aufmärsche der Quernichtdenker sind jeweils vorher bekannt. (...) Nahezu jedes Mal sind Polizei & Politik überrascht & überfordert", twitterte Özdemir und bezog sich dabei auf die Demo in Kassel und eine weitere in Dresden vergangene Woche. Und weiter: "Was hindert die Innenminister daran, ihren Job zu machen?"
Gewalttätige Auseinandersetzungen auf Kassel-Demo
Mehr als 20.000 Menschen hatten nach Polizeischätzung
am Samstag in Kassel gegen die Corona-Eindämmungsmaßnahmen
demonstriert. Dabei wurden massiv die gerichtlich bestätigten
Auflagen der Stadt missachtet, die eigentlich nur 6000 Teilnehmer auf
einem Doppelplatz in der Peripherie zugelassen hatte. Viele
Teilnehmer hielten sich nicht an die Auflage, Mund- und Nasenschutz
zu tragen. Während eines illegalen Demonstrationszuges durch die
Innenstadt kam es am Mittag zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit
Gegendemonstranten und mit der Polizei.
Teilnehmer der "Querdenken"-Demo.Bild: dpa / Swen Pförtner
Die Polizei war mit einem Großaufgebot präsent, an einigen Orten mit
Wasserwerfern. Selten versuchte sie die Regeln durchzusetzen, bei den
nicht genehmigten Umzügen um den Stadtkern hielt sie sich zurück,
bevor am Nachmittag dann viele Demonstranten abwanderten.
Die Polizei verteidigt ihr Vorgehen gegen Kritik
"Eine konsequente Verhinderung des Entstehens von Ansammlungen oder
ein konsequentes Auflösen verbotener Versammlungen hätte nach
Einschätzung der Polizei zur Anwendung von Zwangsmitteln und damit
einhergehend zu einer nicht unerheblichen Anzahl an Verletzten auf
allen Seiten geführt", teilte die Polizei am späten Abend mit.
Die Polizeiführung habe mit verschiedenen Beratern über die
Möglichkeiten und Konsequenzen des Einschreitens diskutiert - und die
Entscheidung so gefällt, "dass die polizeilichen Maßnahmen und der
temporäre Verzicht auf Zwangs- und Verfolgungsmaßnahmen in der
Rechtsgüterabwägung notwendig und angemessen waren." Die Teilnehmer
seien augenscheinlich überwiegend aus dem bürgerlichen Lager gekommen
und hätten insgesamt eher keine erkennbare Tendenz zu gewalttätigen
Aktionen gezeigt. "Einzelne gezeigte Symboliken, wie gelbe Sterne,
wurden dokumentiert, Verstöße im weiteren Verlauf geprüft."
Mehrere Beamte seien angegriffen worden, erklärte ein
Polizeisprecher. Auch Journalisten wurden angegangen und beschimpft.
Die Polizisten setzten den Angaben zufolge Schlagstöcke und
Pfefferspray ebenso ein wie den Wasserwerfer. Es habe rund ein
Dutzend Festnahmen wegen Straftaten gegeben; überwiegend wegen
Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruchs.
Video in sozialen Medien sorgt für Kritik
Für Empörung in den sozialen Medien sorgte ein Video, auf dem zu
sehen war, wie Polizisten eine Fahrradsperre von Gegendemonstranten
abräumten.
Die Polizei äußerte sich dazu nicht. Am Abend teilte sie
per Twitter mit, ohne konkreter zu werden: "Im Netz kursieren Bilder
und Videos, welche das Einschreiten von Einsatzkräften kritisch
darstellen und die Polizei bei vermeintlichen Solidaritätsbekundungen
zeigen. Wir nehmen das sehr ernst und werden die Sachverhalte
intensiv aufarbeiten."
(hau/dpa)