Jetzt also doch: Der umstrittene Demonstrationszug sowie die Kundgebung gegen die Corona-Politik können am Samstag in Berlin stattfinden. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätigte am frühen Samstagmorgen in zweiter Instanz, dass das Verbot der Berliner Polizei keinen Bestand hat. Diese Entscheidung ist nun rechtskräftig.
Nach seinem Beschluss teilte das Gericht mit, die von mehreren Initiativen für den 29. August 2020 geplanten Versammlungen gegen die Corona-Politik von Bund und Ländern könnten stattfinden. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe zwei Eilbeschlüsse des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. August 2020 im Wesentlichen bestätigt. "Damit sind die beiden Versammlungsverbote des Polizeipräsidenten in Berlin für diesen Tag vorläufig außer Vollzug gesetzt."
Die Polizei bereitete sich mit rund 3000 Kräften – unabhängig vom konkreten Ausgang des Gerichtsstreits – auf einen großen Einsatz am Wochenende vor. Die Veranstalter der Initiative Querdenken 711 hatten zu der Kundgebung am Samstag aufgerufen und erwarteten rund 22.000 Teilnehmer auf der Straße des 17. Juni nahe dem Brandenburger Tor. Zuvor war ein längerer Demonstrationszug durch Berlin-Mitte geplant. Die Versammlungsbehörde der Polizei hatte diese größeren Aktionen und mehrere kleinere Veranstaltungen verboten.
Als Grund für die Verbotsverfügung hatte sie angeführt, dass durch die Ansammlung Zehntausender Menschen - oft ohne Maske und Abstand - ein zu hohes Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung entstehe. Das habe bereits die Demonstration gegen die Corona-Politik am 1. August in Berlin gezeigt, bei der die meisten Demonstranten bewusst Hygieneregeln ignoriert hätten.
Das Verwaltungsgericht Berlin hatte aber am Freitag entschieden, dass die Versammlung stattfinden dürfe. Es stellte fest: Für ein Verbot lägen keine Voraussetzungen vor. Eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit lasse sich weder aus dem Verlauf der Demo am 1. August noch aus der kritischen Haltung der Teilnehmer zur Corona-Politik ableiten. Die Veranstalter hätten ein Hygienekonzept vorgelegt und mit 900 Ordnern und 100 "Deeskalationsteams" Vorkehrungen getroffen. Auflagen für die Demo seien vom Land nicht hinreichend geprüft worden.
Der Initiator der Kundgebung, Michael Ballweg, wertete bereits die Entscheidung der ersten Instanz, des Berliner Verwaltungsgerichts, am Freitagnachmittag als "vollen Erfolg". Er betonte, dass die Demonstration friedlich ablaufen solle.
Bereits am Freitagabend versammelten sich 1.500 vor dem Brandenburger Tor – die meisten von ihnen trugen keinen Mundschutz. Vor den Botschaften Russlands und den USA forderten einige von ihnen die Unterzeichnung eines "Friedensvertrags" – ein klares Zeichen, dass es sich hierbei um Anhänger der Reichsbürgerbewegung handelt. Viele von ihnen glauben, dass die Bundesrepublik weiterhin ein besetztes Land sei.
Die Berliner Polizei zeigte sich über die im Internet formulierte "offene Gewaltbereitschaft" besorgt, wie Vizepräsident Marco Langner sagte. Es gebe auch viele Aufrufe von Rechtsextremisten zur Teilnahme an den Versammlungen. 3000 Polizisten sollen in der Hauptstadt bereitstehen, 1000 davon aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei, hieß es am Freitagnachmittag von der Polizeibehörde.
Der rot-rot-grüne Berliner Senat und die Polizei mussten wegen der Verbotsverfügung breite Kritik einstecken. Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte zum Demonstrationsverbot auch gesagt, er wolle nicht hinnehmen, dass Berlin erneut zur Bühne für "Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten" werde.
(hau/dpa)