
Kann sich freuen: der Virologe Christian Drosten von der Charité Berlin ist für seinen Podcast ausgezeichnet worden. Bild: dpa / Christophe Gateau
Deutschland
Der Grimme Online Award zeichnet besonders gute Online-Angebote aus. Oft spiegelt die Preisverleihung dabei aktuelle Trends im Internet wider. Im Jahr 2020 sind das: Erklären, Informieren, Wissen, Aufklären – und das Medium Podcast. Zufall? Nein, Corona.
26.06.2020, 09:2026.06.2020, 18:44
Der Podcast "Das Coronavirus-Update" mit dem Berliner
Virologen Christian Drosten hat gleich zwei Auszeichnungen beim
Grimme Online Award abgeräumt. Einen Preis gab es bei der Verleihung
am Donnerstagabend von der Jury, einen vom Publikum. Die
NDR-Produktion mit dem Charité-Wissenschaftler war damit der große
Gewinner des Abends.
Prämiert wurde auch das viel geklickte Video
"Die Zerstörung der CDU" von YouTuber Rezo, das in der Kategorie
"Spezial" einen Award einfuhr. Insgesamt setzten sich in diesem Jahr
sehr viele informative Formate durch. Das war kein Zufall: Der Grimme
Online Award bildet oft aktuelle Trends im Internet ab.
Schon aus der Liste der Nominierten hatte sich ablesen lassen, dass
die Kategorie "Information" sehr gefragt ist aktuell. Auch "Das
Coronavirus-Update" war in dieser Sparte ins Rennen gegangen. Der NDR
hatte den Podcast im Februar gestartet, seitdem hat er sich zu einem
großen Erfolg entwickelt. Dort geht der Virologe Drosten ausführlich
auf neue Entwicklungen rund um die Coronavirus-Pandemie ein. Momentan
befindet sich das Format in der Sommerpause.
Wissenschaft für die breite Masse
Begriffe wie Herdenimmunität, Reproduktionszahl und Saisonalität
hätten es auch durch den Podcast in den allgemeinen Sprachgebrauch
geschafft, stellte die Jury fest. ""Das Coronavirus-Update"
demonstriert, dass auch ausführlicher Wissenschaftsjournalismus das
Publikum fesseln kann – und erschließt ganz nebenbei neue
Hörergruppen für das Medium Podcast", urteilte sie. Wie groß die
Popularität ist, ließ sich am Ende der Verleihung auch am
Publikumspreis ablesen, bei dem Internet-Nutzer über alle nominierten
Angebote abstimmen konnten. Es gewann "Das Coronavirus-Update".
Auch "Die Zerstörung der CDU" von YouTuber Rezo gehört zu den sehr
bekannten Online-Publikationen der jüngeren Vergangenheit. Rezo hatte
in dem Video unter anderem die Klimapolitik der CDU kritisiert. Es
löste auch eine Debatte über die Rolle sozialer Medien bei der
Meinungsbildung und den Umgang der Parteien damit aus. "Auf
spektakuläre Weise knackte er die Wagenburg der politischen
Kommunikation und ließ hunderttausende seiner Follower*innen hinein
ins Zentrum der Macht", urteilte die Grimme-Jury. Die Laudatio hielt
Komiker Michael Mittermeier (54). Er sagt zu dem per Video
zugeschalteten Rezo: "Du bist systemrelevant."
Hier könnt ihr euch das Video nochmal ansehen
Ein weiterer Preis ging an den Webblog "NSU-Watch", der einst den
NSU-Prozess dokumentierte. Die Journalisten und Wissenschaftler
recherchieren seitdem aber weiter, unter anderem zur rechten Szene
insgesamt. Auch mit dem "RomArchive" wurde ein Projekt ausgezeichnet,
das dokumentarischen Charakter hat und beweist, dass das Internet ein
digitales Gedächtnis sein kann. Es befasst sich ausführlich mit den
Kulturen der Sinti und Roma.
Wer noch ausgezeichnet wurde
Ausgezeichnet wurde zudem das Projekt "Eigensinn im Bruderland", das
ein vielen Menschen weithin unbekanntes Thema aufarbeitet: Die
Lebenswelt von Migranten in der DDR. Die Multimedia-Reportage "Die
Spende" von "stern.de", die ebenfalls zu den Gewinnern zählte,
befasst sich wiederum auf eindringliche Weise mit dem Thema
Organspende und begleitete einen herzkranken Familienvater auf dem
Weg zum Spenderorgan.
Zwei Preise gingen an das öffentlich-rechtliche Content-Netzwerk
Funk. Zum einen würdigte die Jury das investigative
Video-Reportageformat "STRG_F", das unter anderem mit Fake-Vorwürfen
gegen die Moderatoren Joko und Klaas für Aufsehen gesorgt hat.
Zweites Funk-Format mit Grimme Online Award 2020 wurde der "Karakaya
Talk" - eine Web-Talkshow mit Esra Karakaya, die Menschen mit
Migrationshintergrund ein Forum gibt.
Der undotierte Grimme Online Award gilt als wichtigste deutsche
Auszeichnung für herausragende Online-Publizistik und wird seit 2001
verliehen. Er will Orientierung geben, wie sich im Internet in all
der Masse Qualität finden lässt. Im Corona-Jahr kamen viele
Preisträger aus den Kategorien "Information" sowie "Wissen und
Bildung"
Auch das Thema Migration und Rassismus spiegelte sich
wider. Model und Unternehmerin Sara Nuru (30), eine der
Laudatorinnen, würdigte die Anti-Rassismus-Proteste. "Das gibt
Hoffnung", sagte sie. "Ich hoffe einfach, dass das anhält und nicht
nur ein Hashtag ist."
Wegen der Corona-Pandemie konnten die Gewinner allerdings nicht bei
einer Gala auf ihren Triumph anstoßen. Die Verleihung fand in einem
Livestream statt – was zu einem Online-Award auch irgendwie passte.
(lin/dpa)