Leben mit Maske: Langsam fing es an, jetzt ein gewohntes Bild – insgesamt sei Deutschland ganz gut durch die Krise gekommen bisher, so eine Studie.Bild: www.imago-images.de / MARC JOHN
Deutschland
In der Corona-Pandemie haben sich Demokratie, Staat
und Verwaltung, Wirtschaft und soziale Sicherung einer Analyse
zufolge in Deutschland als robust erwiesen. Die Bundesrepublik
schneide bei der Krisenfestigkeit im internationalen Vergleich unter
29 Industrieländern gut ab, liege nach Schweden und Neuseeland in der
Spitzengruppe, hieß es in einer Studie der Bertelsmann Stiftung.
Dafür waren 94 Indikatoren von Februar 2020 bis Januar 2021 – also im
ersten Corona-Jahr – untersucht worden, mehr als 70 Experten hatten
Länderberichte erstellt. Berücksichtigt wurden Mitgliedsstaaten der
Europäischen Union (EU) und Länder der Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
"Besorgniserregende Rückschritte" bei wackeligen Demokratien
Dennoch gebe es auch hierzulande erhebliche Defizite, die neue
Ampelregierung müsse bei Digitalisierung und Krisenvorsorge einen
Neustart angehen, forderten die Studienautoren am Freitag in
Gütersloh. Bewertet wurden die drei Säulen Widerstandsfähigkeit der
Demokratie, Organisation des Krisenmanagements von Politik und
Behörden sowie drittens die Robustheit von Wirtschaft und Sozialstaat
in der Pandemie.
Im Teilbereich Demokratie-Robustheit erhielten Polen, Ungarn und die
Türkei die schlechtesten Noten. "Dort nutzen Regierungen die
Pandemie, um Bürgerrechte auf Dauer einzuschränken." Es zeigte sich,
dass es in Staaten, in denen demokratische Werte wie Freiheit der
Medien, Unabhängigkeit der Justiz oder Bürgerrechte schon vor der
Krise gefährdet waren, weitere "besorgniserregende Rückschritte" gab,
wie die Erhebung betonte. In den allermeisten Ländern seien die
Parlamente ins Krisenmanagement schlecht eingebunden gewesen, vor
allem wegen des hohen Zeitdrucks. Deutschland kam hier zusammen mit
Portugal auf Platz 6.
Kompetenzgerangel behinderte gutes Krisenmanagement
Beim Krisenmanagement – bewertet mit Rang 5 – habe es auch in der
Bundesrepublik im ersten Pandemie-Jahr wegen Kompetenzgerangels
gehakt, bilanzierte die Untersuchung. So hätten sich etwa bei
Kontaktnachverfolgung und Daten-Management viele Schwächen gezeigt,
sagte Studienautor Christof Schiller der Deutschen Presse-Agentur. Es
brauche mehr Transparenz. Es gehe um schnelle und anschauliche
Vermittlung von Daten an die Bürger. "Damit sie gut informiert sind
und die Akzeptanz der vielen einschränkenden Maßnahmen erhöht wird."
Aus der Zivilgesellschaft müssten mehr Experten bei politischen
Entscheidungen hinzugezogen werden–- Gewerkschaften, Arbeitgeber,
Umwelt- oder auch Sozialverbände.
Zunächst habe sich unter den politischen Akteuren eine recht gute
Kompromissfähigkeit gezeigt, die dann aber bröckelte, meinte
Schiller. "Die Profilierung der jeweiligen Länder-Regierungen wurde
wichtiger, der Bund-Länder-Grundkonsens nahm ab." Man sehe hier eine
"Baustelle", beim koordinierten Vorgehen müsse Deutschland besser
werden. Es brauche zudem vorausschauende Politikansätze.
Schule schneidet schlecht ab, Wirtschaft und Gesundheitssystem gut
Die schleppende Digitalisierung habe auch den Bildungsbereich
getroffen. Bei der Krisenanfälligkeit des Schulsystems schneide die
Bundesrepublik mit Rang 15 eher schlecht ab. Hier gebe es hohen
Reformbedarf. Vor allem Schüler aus bildungsfernen Familien seien in
den Homeschooling-Phasen kaum von den digitalen Angeboten erreicht
worden, kritisierte Schiller.
Bei der dritten Säule sieht die Studie Deutschland insgesamt auf dem
2. Rang – in dem Unterbereich Wirtschaftspolitik dabei sogar auf dem
internationalen Spitzenplatz. "Dank umfassender Kurzarbeiterregelung
und solider Staatsfinanzen", wie Wirtschaftsexperte und Co-Autor
Thorsten Hellmann schilderte. Auch die sozialen Sicherungssysteme
seien im ersten Pandemie-Jahr stabil geblieben. Zudem habe das starke
Gesundheitssystem Deutschland unter deutlich günstigeren Vorzeichen
in die Pandemie starten lassen als viele andere Staaten.
Laut Studie rangierten bei der Wirtschafts- und Sozialpolitik Japan
und Frankreich im Mittelfeld, die USA im unteren Drittel, Mexiko
bilde das Schlusslicht. Alle Staaten hätten sich in der Krise "massiv
verschuldet."
(andi/dpa)