Januar 2021: Spaziergänger gehen am leicht verschneiten Strand der Insel Usedom.Bild: dpa / Stefan Sauer
Deutschland
Um die Corona-Epidemie samt der Gefahr von
Virusmutationen unter Kontrolle zu bringen, ist aus Sicht der
Göttinger Physikerin Viola Priesemann ein kurzer harter Lockdown
nötig. Damit könnten die Fallzahlen schnell auf ein niedriges, für
die Gesundheitsbehörden nachverfolgbares Niveau gesenkt werden, sagte
die Forscherin vor den Bund-Länder-Beratungen zum Corona-Kurs am
Montag im Corona-Sonderausschuss des Landtags in Hannover. Auch der
Bonner Virologe Hendrik Streeck äußerte sich am Montag in Hannover
kritisch über das Management der Pandemie.
Die Politik müsse sich klar entscheiden, ein Kompromiss helfe
nicht weiter, sagte Priesemann. Entweder erreiche man eine Kontrolle
oder nicht, eine halbe Kontrolle gebe es nicht. "Es macht hier keinen
Sinn, halbe Sachen zu machen, weil das den Lockdown unnötig
verlängert", sagte die Forschungsgruppenleiterin am
Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, die im Namen
einer Gruppe von Wissenschaftlern Position bezog. Priesemann betonte,
dass es zuvor schon Nachbarländern wie Frankreich, Belgien und
Österreich gelungen sei, mit Einschränkungen die Fallzahlen
nachhaltig zu senken.
Infektionen breiteten sich vor allem über den Kontakt zwischen
Familien aus, sagte Priesemann. Übertragungswege zwischen den
Familien seien Schule, Arbeitsplatz, Freizeit sowie Mobilität. Auch
wenn man keine Datengrundlage etwa über Infektionen in Restaurants
und im Nahverkehr habe, könne man nicht davon ausgehen, dass dort
nichts passiere, warnte die Wissenschaftlerin.
Kritik auch von Streeck an strikten Regeln im Freien
Der Bonner Virologe Hendrik Streeck riet dringend zum Erarbeiten
einer besseren Datengrundlage zur Corona-Epidemie. Man wisse in der
Mehrzahl nicht, wo die Menschen sich ansteckten, ob möglicherweise
bestimmte Berufe besondern betroffen seien, wie gut Hygiene-Konzepte
funktionierten und bis zu welchem Umfang ein Infektionsgeschehen noch
beherrschbar sei. Es fehlten eine Richtschnur und ein
vorausschauendes langfristiges Management der Epidemie. "Zahlenspiele
und dauerdrohende Voraussagen helfen nicht."
Sowohl Priesemann als auch Streeck kritisierten, dass den
Menschen auch draußen unter freiem Himmel strikte
Kontaktbeschränkungen auferlegt worden seien. Dort sei unter
Beachtung von Abstandsregeln die Infektionsgefahr 20 mal geringer,
sagte Priesemann. Die negative Folge der Beschränkung sei, dass die
Menschen sich dann im Verborgenen daheim verabredeten, wo dann
zumeist keine Masken getragen werden, sagte Streeck.
(pas/dpa)