Helge Braun, Kanzleramtschef, betont, dass die Infektionszahlen jetzt "sehr stark" gesenkt werden müssen. Bild: imago images / Florian Gaertner/photothek.net
Deutschland
25.01.2021, 09:3425.01.2021, 12:08
Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) geht davon
aus, dass die bislang vor allem in Großbritannien verbreitete
Mutation des Coronavirus auch in Deutschland zur dominanten Form
werden wird. "Wir sehen ja momentan, dass wir jetzt in mehreren
Krankenhäusern auch schon mit der Mutante zu tun haben. Das heißt,
das ist bei uns im Land angekommen, und deshalb wird sie irgendwann
so wie in anderen Ländern auch dann die Führung übernehmen und wird
Probleme machen", sagte Braun in der ARD-Talkshow "Anne Will". "Da
bin ich sehr sicher", ergänzte er auf Nachfrage.
Umso wichtiger sei es nun, die Infektionszahlen "sehr stark" zu
senken und damit einer weiteren Verbreitung der Mutation die Grundlage
zu entziehen, fügte Braun hinzu. "Wir wollen sie so lange wie möglich
aus dem Land raushalten und da, wo sie schon ist, eben sehr niedrig
halten. Das wird man auf Dauer nicht schaffen", sagte Braun.
Der Virus-Typ B.1.1.7 war bisher vor allem in Großbritannien
aufgetreten. Die Variante ist Experten zufolge leichter übertragbar
als die bislang vorherrschende. Ob sie auch tödlicher ist, lässt sich
bislang nicht gesichert sagen. Auch in Brasilien und Südafrika
kursieren Virus-Mutationen mit wohl besonderem Risiko.
Lauterbach: Kein Stopp der Ausbreitung des Virus im Sommer
Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagte dazu im
"Bild"-Format "Die richtigen Fragen": "Man muss davon ausgehen, dass
auf einen Monat betrachtet diese drei Varianten sechs- bis achtfach
so ansteckend sind. Und wenn ich dann die jetzigen Zahlen hochrechne,
dann bin ich schnell bei dem Szenario, das Christian Drosten
vorgerechnet hat."
Christian Drosten warnt vor neuen Corona-Varianten.Bild: imago images / Stefan Boness/Ipon
Der Virologe hatte im "Spiegel" mit im schlimmsten Fall 100.000
Neuinfektionen pro Tag bei einem zu frühen Lockdown-Ende gerechnet.
Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war bislang
mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert gemeldet worden - darin
waren jedoch 3500 Nachmeldungen enthalten. Seitdem sind die Zahlen
deutlich gesunken.
Lauterbach warnte: "Wir werden einen sehr harten und sehr gut
funktionierenden Lockdown brauchen, weil die neuen Varianten von
einem ganz anderen Kaliber sind." Lauterbach geht - genau wie Drosten -
nicht davon aus, dass der Sommer die Ausbreitung des Virus weitgehend
stoppen wird.
Mögliche Schulöffnungen Anfang Februar
Trotzdem hält die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Britta
Ernst, erste Schulöffnungen Anfang Februar für möglich. "Sicher nicht
vollständig", schränkte die brandenburgische Bildungsministerin in
der "Rheinischen Post" ein. "Aber ich halte das bei entsprechender
Infektionslage beispielsweise mit Wechselunterricht für möglich."
Anfangs könne das auch nur für Abschlussklassen und die ersten
Klassenstufen gelten. "Kein Land sollte auf ein anderes warten müssen, um seine Schulen zu öffnen", sagte die SPD-Politikerin und verwies auf ein sehr unterschiedliches Infektionsgeschehen in den Bundesländern.
Auf die Frage, ob die Schulen bis Ostern geschlossen bleiben,
sagte Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) gegenüber "Bild": "Je
besser wir die Zahlen herunterkriegen, umso früher können wir
öffnen." Und weiter: "Wichtig ist, dass wir uns jetzt Konzepte
überlegen und uns dann an den Infektionszahlen orientieren. Dort wo
die Zahlen runtergehen, können wir Präsenzunterricht machen." Der
Gesundheitsschutz habe gerade höchste Priorität.
Forderung nach Anhebung der Regelsätze von Hartz IV
Mit Blick auf die wohl noch länger andauernden Einschränkungen
fordert ein breites Bündnis von 36 Gewerkschaften und Verbänden eine
Anhebung der Regelsätze von Hartz IV und Altersgrundsicherung auf
mindestens 600 Euro sowie sofortige zusätzliche Corona-Hilfen für
arme Menschen. Zu den Unterzeichnern der Forderung gehören unter
anderem die Gewerkschaft Verdi, die Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft, die Awo, der Sozialverband VdK und die Diakonie.
Unterstützung erhielt das Bündnis von der stellvertretenden
SPD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Katja Mast. Die
Corona-Pandemie und ihre Folgen "treffen die Schwächsten am
stärksten", sagte Mast der Deutschen Presse-Agentur. Die SPD habe
daher Unterstützungsvorschläge gemacht. Konkret nannte sie einen
Vorschlag von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für einen
finanziellen Zuschlag für Hilfeempfänger, um die nun in einigen
Lebensbereichen erforderlichen OP- oder FFP2-Masken kaufen zu können.
"Außergewöhnliche Umstände bedürfen außergewöhnlicher Maßnahmen - da
hat das Bündnis recht. Jetzt muss sich nur noch unser
Koalitionspartner bewegen", sagte Mast in Richtung von CDU/CSU.
Die Linke im Bundestag fordert indes FFP2-Masken für alle. In
einem Antrag für die kommende Sitzungswoche steht laut
Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Damit alle Menschen Zugang zu
FFP2-Masken bekommen, hat die Bundesregierung sicherzustellen, dass
diese in ausreichender Zahl zu Verfügung stehen und zu bezahlbaren
Preisen erhältlich sind."
(pas/dpa)