Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen, nahm an der Clubhouse-Runde "Trash und Feuilleton" teil.Bild: dpa / Martin Schutt
Deutschland
25.01.2021, 08:1825.01.2021, 13:16
In der Ministerpräsidentenkonferenz auf dem
Smartphone rumdaddeln und die Kanzlerin als "Merkelchen"
verniedlichen: Nur wenige Tage nach dem Beginn des Hypes um die App Clubhouse hat sich bereits der erste
Spitzenpolitiker mit lockeren Plaudereien in Bedrängnis gebracht. Und
die Kritik an Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow nach seinem lockeren Auftritt in der App ebbt noch nicht ab - am Montag wurde sie
auch in Ramelows eigenem Kabinett laut. Der Linken-Politiker hat sich
selbst inzwischen mehrfach auf verschiedenste Weise für seine
Aussagen in der Nacht zu Samstag entschuldigt. Der kommunikative
Fauxpas könnte ihn aber auch in der neuen Woche noch weiter
verfolgen.
Der FDP-Fraktionsvize Michael Theurer etwa stellte am Montag die
Frage nach der "Selbstbeherrschung mancher Politiker", wenn es um die
App Clubhouse gehe. "So wie einst Robert Habeck Twitter deinstalliert
hat, weil ihm die Disziplin für diese App fehlte, stellen sich
ähnliche Fragen, wenn Philipp Amthor (CDU) oder Bodo Ramelow zu
nachtschlafender Stunde ein Ständchen trällern", sagte der
Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur.
Candy Crush während Beratungen zur Corona-Krise: Ramelow erntet weitere Kritik
Doch was war überhaupt geschehen? Ramelow gilt als Mensch, der
sich für neue Medien interessiert und ihre unterschiedlichen Kanäle
gerne für seine Kommunikation nutzt. Der neueste Hit derzeit: Die App Clubhouse. In der Social-Media-App aus den USA können sich
die Nutzer an Talkrunden beteiligen. Ramelow ist der App zufolge seit
dem 21. Januar angemeldet, in der Nacht zu Samstag nahm er, wie er
der dpa sagte, an der Talkrunde "Trash und Feuilleton" teil.
So erzählte der Linke-Politiker, dass er sich während der
Beratungen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) zur Corona-Krise gerne dem Onlinespiel Candy Crush widme. Wie
die "Welt am Sonntag" berichtete, sagte Ramelow, er schaffe dabei bis
zu zehn Level. "Die einen spielen Sudoku, die anderen spielen auf
ihren Handys Schach oder Scrabble, und ich spiele Candy Crush", sagte
Ramelow am Sonntag der dpa. Zudem soll er bei seinem Auftritt
gesungen und die Kanzlerin als "Merkelchen" bezeichnet haben.
Letzteres sei aus dem Kontext gerissen worden, sagte der
Linken-Politiker der dpa.
Auf das Geplauder folgten zahlreiche spitze Medienberichte,
politische Kritik vor allem aus Thüringen und der Vorwurf, dass der
Ministerpräsident bei den wichtigsten Beratungen im Kampf gegen die
Corona-Pandemie nicht verantwortungsvoll agiere. Einer der Kritiker:
Thüringens Innenminister. "Wenn sich bewahrheitet, dass Bodo Ramelow
während der Ministerpräsidentenkonferenz Handyspiele spielt, dann
sollte er sein Verhalten überprüfen", sagte Georg Maier (SPD) dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Dazu ist die Situation
zu ernst." Ramelow bemühte sich derweil, offensiv und mit zahlreichen
Entschuldigungen den Schaden möglichst kleinzuhalten.
Ramelow entschuldigt sich für Merkel-Aussage: "Akt männlicher Ignoranz"
"Ab sofort, wenn ich jetzt dieses Format anmache, merke ich, im
Hinterkopf habe ich jetzt die Lernkurve von vorgestern und gestern",
sagte der Linke-Politiker am Sonntag bei einem erneuten Auftritt bei
Clubhouse. Ganz
explizit entschuldigte er sich für die Formulierung "Merkelchen":
"Eine kluge Frau hat mir auf @clubhouse_de gerade schlüssig den
eigentlichen Fauxpas meiner Clubhaus Plauderei dargelegt und es hat
mich überzeugt", twitterte Ramelow am Sonntagabend. "Den Namen der
Bundeskanzlerin zu verniedlichen war ein Akt männlicher Ignoranz.
Dafür meine ehrliche Bitte um Entschuldigung."
Dass er während der Bund/Länder-Beratungen auch mal Candy Crush
spiele, sei dagegen kein Aufreger und auch kein Geheimnis. Wenn man
wisse, dass eine Ministerpräsidentenkonferenz zurzeit um die zehn
Stunden dauere und viel Leerzeit beinhalte, "dann gebe ich gerne zu,
dass der eine Sudoku spielt, der andere strickt oder häkelt oder
sonst was macht - und ich eben Candy Crush spiele."
Thüringens CDU-Chef Christian Hirte hält das für respekt- und
verantwortungslos. "Entweder ist es Ausdruck von Arroganz der Macht
oder Amtsmüdigkeit", schrieb Hirte am Sonntag bei Twitter. Bei der
Bekämpfung der Corona-Pandemie gehe es um Leben und Tod sowie um
Existenzen und die Zukunft einer Schüler-Generation. "Wer sein Amt
als Ministerpräsident so versteht, verspielt das Vertrauen der
Bürgerinnen und Bürger", schrieb Hirte. Die Thüringer FDP-Fraktion
bezeichnete Ramelows Agieren in der Corona-Pandemie als chaotisch,
der AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner bewertete Ramelow als
"peinlich für Thüringen".
Aus Sicht von FDP-Politiker Theurer lassen Ramelows Offenbarungen
erahnen, "wie es um das Diskussionsniveau in den ausufernden
Ministerpräsidentenrunden bestellt ist". "Dass diese Runde de facto
einen Großteil der Legislativfunktionen in Deutschland von Bundestag
und Landtagen ins Hinterzimmer verlagert hat ist völlig inakzeptabel.
Die Entscheidungen und die Diskussion darüber müssen zurück in die
Parlamente", sagte Theurer der dpa - und wiederholte damit eine immer
wieder von den Liberalen erhobene Forderung.
(pas/dpa)