Das Konzept der taggleichen Zustellung verfehlt die Bedürfnisse des Marktes.Bild: imago images / Jürgen Heinrich
Deutschland
15.01.2021, 08:3901.06.2021, 17:41
Ein Mausklick am Morgen und ein Paketboten-Klingeln am Abend? So
stellte man sich das beim "Same Day Delivery" vor, also dem
Zustellservice der Logistiker. Vor ein paar Jahren noch lautstark
beworben, hat sich dieser Service als Rohrkrepierer erwiesen.
"Same Day Delivery" mangels Nachfrage eingestellt
Nachdem die großen deutschen Paketdienstleister ihre
taggleichen Lieferungen ("Same Day Delivery") mangels Nachfrage
wieder eingestellt haben, investiert die Branche in andere Bereiche.
"Statt eine kostenintensive Belieferung am Bestelltag zu realisieren,
geht es in naher Zukunft eher darum, die Standardlaufzeiten noch
weiter zu reduzieren", sagt Hermes-Sprecherin Birte Ayhan-Lange – normale Pakete sollen im Schnitt also schneller beim Empfänger sein
als früher. Man habe viel Geld investiert, um Abläufe zu
beschleunigen.
Bei Hermes geht es darum, dass sich der Zeitpunkt der
spätestmöglichen Übergabe der Sendungen vom Händler an den Logistiker
nach hinten verschiebt. Lag dieser Zeitpunkt nach Angaben von Hermes
bis vor kurzem noch bei 20 Uhr, so liegt er inzwischen bei
Mitternacht. Das heißt: Bestellt ein Verbraucher erst am Abend
ein Produkt, was der Händler schnell aus dem Lager holt und an Hermes
übergibt, so besteht nun die Möglichkeit, dass die Sendung schon am
nächsten Tag ankommt – garantiert ist das aber nicht. Statt "Same Day
Delivery" setzt Hermes also auf "Next Day Delivery", wie es im
Branchensprech heißt.
Logistiker haben vor einigen Jahren noch große Hoffnungen auf die
taggleiche Zustellung gesetzt – Verbraucher oder Firmen, die am
Morgen bestellen, sollten die Ware am selben Tag erhalten. Die
Nachfrage sei aber "deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben"
und diese Dienstleistungen seien ein Nischenmarkt geblieben, sagt
Ayhan-Lange. "Dies liegt unter anderem daran, dass die
Zahlungsbereitschaft der Kundinnen und Kunden für diese logistisch
anspruchsvolle und kostenintensive Zustellart nicht im ausreichenden
Maße gegeben ist."
Ende 2020 zog Hermes die Reißleine und stellte die Dienstleistung
ein. Den Kunden gehe es nicht primär um die taggleiche Zustellung,
sondern "um eine transparente und verlässliche Kommunikation"
darüber, wann die Sendung ankommt, sagt die Sprecherin. Wie die
Wettbewerber auch will Hermes sein Zustellfenster, was den Kunden
mitgeteilt wird, verbessern.
DHL plant keine nächtlichen Zustellungen
Der Marktführer Deutsche Post DHL geht einen etwas anderen Weg. Zwar
hat der Bonner Konzern ebenfalls im vergangenen Jahr seinen
Same-Day-Service eingestellt und dies mit schwacher Nachfrage
begründet. Eine besonders späte Annahme der Pakete für die
Auslieferung am nächsten Tag peilt DHL aber nicht an. Dafür sei die
Nachfrage von Geschäftskunden zu gering, heißt es von DHL. Die Pakete
kämen ohnehin schon schnell beim Empfänger an – bei DHL erreichen
in Deutschland nach Firmenangaben 83 Prozent aller Pakete
den Adressaten am nächsten Tag, bei Hermes liegt dieser Wert nach
Firmenangaben bei 90 Prozent. Verbesserungspotenzial sieht auch DHL
bei einer präzisen Sendungsankündigung.
Der dritte große Paketdienstleister in Deutschland, DPD, hat sein
Same-Day-Angebot schon 2019 zu den Akten gelegt. "Es ist unsere
Kernkompetenz, große Paketmengen zu bündeln, über weite Strecken zu
transportieren und danach schnell zu verteilen", heißt es von DPD.
Die Same-Day-Logistik sei anders – hier gehe es um kleine
Warenmengen, die schnell in einem Ballungszentrum transportiert
werden muss. So ein Service sei für hochpreisige Warenkörbe geeignet.
Dafür wären aus Sicht von DPD Kurierdienste prädestiniert – die seien
relativ teuer, die allermeisten deutschen Konsumenten wollten für
"Same Day"-Belieferungen aber nicht viel Geld zahlen.
Obgleich die Logistikriesen die Dienstleistung aus ihrem Portfolio
gestrichen haben, ist die Bestellung am Morgen und Lieferung am Abend
des selben Tages in manchen Bereichen und in manchen Städten weiter
möglich in Deutschland – dies bieten zum Beispiel bestimmte
Lebensmittelhändler an. Wie aus der Handelsbranche verlautet, ist
aber auch hier die Nachfrage verhalten. Bei Amazon ist "Same Day" bei
bestimmten Produkten ebenfalls möglich. Wie dieses Geschäft
in Deutschland läuft, will die Firma nicht sagen.
(vdv/dpa)