In den USA wird der Moderna-Impfstoff schon länger verabreicht.Bild: imago images / Jack Kurtz
Deutschland
Die deutschen Amtsärzte bezweifeln, dass die
harten staatlichen Corona-Beschränkungen am 31. Januar aufgehoben
werden können. "Ich bin mir sehr unsicher, ob wir Ende des Monats zu
einem Ende des Lockdown kommen können", sagte die Vorsitzende des
Berufsverbands der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute
Teichert, der Funke-Mediengruppe (Dienstag). Den aktuellen
Ansteckungszahlen nach zu urteilen werde es schwer, bis dahin unter
die angestrebten 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner je Woche zu
kommen. Es reiche zudem nicht, wenn diese Marke einmal erreicht wird.
"Die Ansteckungszahlen müssen dauerhaft so niedrig bleiben." Fest
stehe: "Lockerungen werden in jedem Fall nur schrittweise kommen
können und nicht auf einen Schlag."
Um die hohen Infektionszahlen einzudämmen, gelten seit Montag in
allen Bundesländern schärfere Regeln. Dazu gehören strengere
Kontaktbeschränkungen: Der eigene Haushalt darf sich nur noch mit
einer weiteren Person treffen. In Landkreisen mit mehr als 200
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen soll man
sich ohne triftigen Grund nicht mehr als 15 Kilometer vom Wohnort
entfernen dürfen.
Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und Bewerber um
den CDU-Vorsitz, Armin Laschet, warb um Verständnis, dass die Politik
nicht wisse, wie es nach dem Lockdown bis zum 31. Januar weitergeht.
"Die Frage, wie es weitergeht, treibt uns alle um. Aber wir wissen es
nicht." Ein Konzept bis zum Ende des Jahres werde es in einer
Pandemie nicht geben können, sagte er der "Neuen Osnabrücker
Zeitung".
Moderna-Auslieferung beginnt
Doch gibt es auch hoffnungsvolle Signale: Gut zwei Wochen nach
dem Beginn der Impfungen mit dem ersten in der EU zugelassenen
Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer
beginnt an diesem Dienstag die Auslieferung des
zweiten zugelassenen Vakzins der US-Firma Moderna an
die Bundesländer und deren Impfzentren. Bundesgesundheitsminister
Jens Spahn (CDU) rechnet bis Ende des Quartals mit zwei Millionen
Dosen für Deutschland, im Laufe des Jahres mit 50 Millionen Dosen.
Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV),
Andreas Gassen, verwies darauf, dass in Arztpraxen bald schnell sehr
viel geimpft werden könne. "Wir werden in absehbarer Zeit mehrere
Impfstoffe einsetzen können, die sich auch in Praxen verimpfen
lassen", sagte Gassen der "Rheinischen Post". Neben dem nun in
Deutschland angekommenen Impfstoff von Moderna gehöre dazu auch
derjenige von Astrazeneca .
Hoffnung auf Astrazeneca
Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach betonte die
Bedeutung des Astrazeneca-Vakzins für die Impfstrategie. Er hoffe auf
eine sehr schnelle Zulassung seitens der EU-Arzneimittelagentur EMA.
"Jeder Tag zählt", sagte er der "Rheinischen Post". "Sollte es
Komplikationen im Antrag geben, plädiere ich für die Prüfung eines
schnellen deutschen Alleingangs mit Notzulassung."
Der Impfstoff
weise zwar mit 70 Prozent eine etwas geringere Wirksamkeit auf als
die Impfstoffe von Biontech und Moderna, sei aber beileibe kein
Mangelprodukt. "Ohne Astrazeneca könnten wir im ersten Halbjahr wohl
nur wenig mehr als etwa 20 Millionen Menschen impfen. Das reicht
nicht im Kampf gegen die starke zweite Welle und eine eventuell viel
gefährlichere Mutation des Virus."
Söder spricht über Impfpflicht für bestimmte Gruppen
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beklagte, es
gebe unter Pflegekräften in Alten- und Pflegeheimen eine zu hohe
Impfverweigerung. Der deutsche Ethikrat solle deshalb Vorschläge
machen, "ob und für welche Gruppen eine Impfpflicht denkbar wäre"
sagte der CSU-Chef der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstag). "Sich
impfen zu lassen, sollte als Bürgerpflicht angesehen werden."
Verfassungsrechtler rügten unterdessen die Corona-Impfverordnung,
weil diese keine ausreichende verfassungsgemäße Rechtsgrundlage in
Form eines Parlamentsgesetzes habe. So schreibt Staatsrechtlerin Anna
Leisner-Egensperger von der Universität Jena laut "Welt" in einer
Stellungnahme für den Bundestag, dass es für die in der Verordnung
festgelegte Reihenfolge bei den Impfungen keine verfassungskonforme
Ermächtigungsgrundlage gebe. Auch die Rechtsexpertin Andrea Kießling
von der Ruhr-Universität Bochum rügt laut "Bild", dass es derzeit
keine Vorschrift gebe, "die das Bundesgesundheitsministerium zur
Festlegung der Impfreihenfolge ermächtigt".
Angesichts von 25.000 Covid-19-Patienten in deutschen Kliniken
warnte die Deutsche Krankenhausgesellschaft erneut vor einer
Überlastung des Systems. "Mit circa 6000
intensivbehandlungsbedürftigen Patienten, deren Versorgung deutlich
höhere Personalressourcen bündelt, ist ein hoher Belastungsgrad im
System insgesamt erreicht, in vielen Kliniken vor Ort zum Teil
bereits überschritten", sagte Hauptgeschäftsführer Georg Braun der
"Rheinischen Post". Schon das normale Krankheitsgeschehen, wie
Infarkte, Unfälle und Operationen, binde in größerem Ausmaß
intensivmedizinische Kapazitäten. Um die Leistungsfähigkeit der
medizinischen Versorgung in Zeiten der Corona-Pandemie zu sichern,
seien Lockdown-Maßnahmen und Begegnungsbegrenzungen auf jeden Fall
notwendig
(hau/dpa)