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Leipzig: Gewalt gegen Journalisten nach "Querdenken" löst Kritik an Polizei aus

After the demonstration of the Stuttgart initiative "Lateral thinking", participants face police officers in Leipzig, Germany, Saturday, Nov. 7, 2020. Several thousand people took part in th ...
Nach der Auflösung der "Querdenken"-Demo stehen sich Teilnehmer und Polizisten gegenüber.Bild: dpa-Zentralbild / Sebastian Willnow
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Gewalt gegen Journalisten nach "Querdenken" in Leipzig: Entsetzen und Kritik an Polizei

Zehntausende Menschen demonstrieren in Leipzig gegen Corona-Maßnahmen. Nach der vorzeitigen Auflösung der Versammlung eskaliert die Lage, Teilnehmer griffen Journalisten, Gegendemonstranten und Polizisten an.
08.11.2020, 10:0208.11.2020, 11:43
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In Leipzig hatten am Samstag mindestens zehntausende Menschen aus ganz Deutschland gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung protestiert. Die Polizei spricht von 20.000, die Initiative "durchgezählt" kommt auf mindestens 45.000 Teilnehmer. Zunächst verlief die Kundgebung am Augustusplatz zwar größtenteils friedlich. Doch die meisten Menschen trugen keine Mund-Nasen-Bedeckung und hielten auch den Mindestabstand nicht ein. Die Stadt Leipzig erklärte die Veranstaltung daraufhin für aufgelöst. Doch Tausende widersetzten sich der Auflösung und marschierten auf dem Innenstadtring.

Dort kam es zu Ausschreitungen und Angriffen auf Journalisten, Gegendemonstranten und Polizisten. Die Polizei zog sich zurück, konnte dem Treiben der "Querdenker" nicht Einhalt gebieten. An diesem zögerlichen Vorgehen gibt es viel Kritik, zum Beispiel vom Deutschen Journalisten-Verband. "Achten Sie die Pressefreiheit und schützen Sie die Journalist*innen statt sie zu behindern oder zu vertreiben", schreibt der Verband auf Twitter an die Polizei gerichtet.

Ein anderer User auf Twitter zeigt in einem Video, wie die Corona-Leugner ungehindert ihren "Sieg" feiern können:

Der Verein "Endstation Rechts" vergleicht das Versagen der Behörden mit dem bei der Corona-Demo in Berlin: "Eine aufgelöste Querdenken-Demo, Durchbruchsversuche, eine teils überforderte und hilflos agierende Polizei, dazu Übergriffe auf Pressevertreter."

Entsetzen über die Gewalt – und Forderungen nach politischen Konsequenzen

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat die Ausschreitungen bei der "Querdenken"-Demonstration scharf verurteilt und eine "gründliche Aufklärung" gefordert. "Was wir gestern in Leipzig gesehen haben, ist durch nichts zu rechtfertigen. Die Demonstrationsfreiheit ist keine Freiheit zur Gewalt und zur massiven Gefährdung anderer", erklärte Lambrecht am Sonntag. Eine solche Situation inmitten der Pandemie dürfe sich nicht wiederholen.

Tausende dicht an dicht ohne Masken seien ein Gipfel der Verantwortungslosigkeit und des Egoismus. "Jeden Tag sterben Menschen am Coronavirus. Wer diese Gefahr leugnet, stellt sich gegen den übergroßen Teil unserer Gesellschaft, der sich an Regeln hält, um sich und alle anderen zu schützen", sagte Lambrecht.

Auch FDP und Grüne forderten eine Aufarbeitung des Polizeieinsatzes. Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, kritisierte am Sonntag:

"Es kann nicht sein, dass der Rechtsstaat quasi dabei zusieht, wie Journalisten bei ihrer Arbeit angegriffen werden und ein Großteil der Demonstranten die Auflagen erkennbar ignoriert."

Die Versammlungsfreiheit sei ein wichtiges Grundrecht, es unterliege aber auch Regeln. "Die Polizei muss mit ausreichenden Kräften vor Ort in der Lage sein, eine Versammlung konsequent zu beenden, wenn diese aus dem Ruder läuft und Regeln nicht beachtet werden."

Auch die Grünen in Sachsen forderten Konsequenzen: "Sachsens Sicherheitsorgane haben bei (der Demonstration) #le0711 jegliches Vertrauen verspielt. Roland Wöllers Nichthandeln als Innenminister ist nicht mehr tragbar", schrieb die Partei auf Twitter. "Es gibt viel aufzuarbeiten!", schrieb die Linksfraktion am Samstagabend auf Twitter.

Auch der SPD-Landtagsabgeordnete Albrecht Pallas forderte eine Auswertung in einer Sondersitzung des Innenausschusses. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) kritisierte derweil die Zulassung der "Querdenken"-Demonstration durch das Oberverwaltungsgericht (OVG). Es sei unverantwortlich eine solche Versammlung mit mehr als 16.000 Menschen in Zeiten der Corona-Pandemie in der Leipziger Innenstadt zuzulassen, teilte er mit.

Linke spricht von "Staatsversagen"

Die Linke sprach auf Twitter von Staatsversagen und einem Ereignis mit vielen Dimensionen. "Wir haben ein potenzielles Super-Spreader-Event erlebt", twitterte der sächsische Landesverband der Partei. "Wir haben erlebt, wie auf dieser Veranstaltung gültige Hygieneauflagen unter den Augen der Polizei durchgehend ignoriert worden sind."

Polizei rechtfertig sich: "Nicht verhältnismäßig"

Man habe die Masse über den Ring ziehen lassen, weil man sie nur unter Einsatz massiver Gewalt hätte zurückhalten können, sagte Polizeisprecher Olaf Hoppe. Das wäre aus seiner Sicht "nicht verhältnismäßig" gewesen. Es habe etliche Festnahmen gegeben. Auch an seinen Aussagen gibt es Kritik, unter anderem vom CDU-Bundestagsabgeordneten Ruprecht Polenz, der auf Twitter fragt, warum die Demonstration nicht viel früher und konsequenter aufgelöst wurde.

Die Stadt hatte die Demo eigentlich aus Infektionsschutzgründen an den Stadtrand verlegen wollen. Das Verwaltungsgericht Leipzig hatte dies bestätigt, das OVG entschied anders: Es erlaubte eine Kundgebung mit 16.000 Teilnehmern. Aufzüge blieben untersagt.

(om/mit Material von dpa)