Den Wiesnrummel-Light gibt es dieses Jahr auf dem Münchner Königsplatz. Bild: dpa / Felix Hörhager
Deutschland
Strahlender Sonnenschein, Menschen in Dirndl
und Lederhose, Brauereigespanne, hie und da Pferdeäpfel auf den
Straßen: Manches ist wie immer an dem Wochenende, an dem eigentlich
das Oktoberfest eröffnet worden wäre. Wegen Corona wurde es abgesagt,
doch viele Menschen haben sich die Wiesnlaune davon nicht verderben
lassen. Auch "Ozapft is", hieß es am Samstag vielerorts trotzdem,
wenn auch mit pandemiebedingt reduzierter Feier-Intensität. In der
Nacht zum Sonntag blieb es dann laut Polizei auch ruhig.
In gut 50 Gaststätten laden Wirte zur "WirthausWiesn" mit
Wiesnbier, Hendl, Haxn und Musik. Bis 4. Oktober soll die Aktion
dauern. Gleichzeitig stiegen allerdings die Corona-Zahlen weiter, am
Sonntag erreichten sie in München den Wert von 55.6 Neuerkrankungen
pro 100.000 Einwohner in einer Woche. Oberbürgermeister Dieter Reiter
(SPD) hatte gemahnt, sich strikt an die Corona-Regeln zu halten, und
versichert, dies werde engmaschig kontrolliert. Anfang der Woche soll
ein Krisenstab über mögliche weitere Maßnahmen beraten.
Wirte und Geschäftleute zufrieden
Wirte und Geschäftsleute zogen eine positive
Bilanz des ursprünglich geplanten ersten Oktoberfesttages. Vielerorts
waren die Biergärten voll, mancher bekam keinen Platz oder musste
warten, auch weil es coronabedingt weniger Plätze gab.
Die Gäste hätten sich an Corona-Regeln gehalten und friedlich
gefeiert, sagte der Sprecher der Innenstadtwirte und Chef des
"Augustiner Klosterwirt", Gregor Lemke. Die Wiesn sei ein "tiefes
Lebensgefühl". "Es geht gar nicht so sehr um die Wiesn, die Leute
wollen dieses Lebensgefühl spüren." Er habe viele glückliche
Gesichter gesehen.
Wiesnwirt Christian Schottenhammel berichtete ebenfalls, die
Gäste seiner Gaststätte am Nockherberg hätten sich an die Regeln
gehalten. Auch die Kontrolleure der Stadt seien zufrieden gewesen.
Mehr als 1000 Menschen fanden in Festsaal und Biergarten Platz –
allerdings seien auch rund zehn reservierte Tische leer geblieben,
weil Gäste angesichts der Infektionszahlen nicht gekommen seien. "Man
merkt, die Bevölkerung ist bisschen gespalten", sagte er. Ein Teil
habe großen Respekt vor dem Virus, ein anderer fühle sich in der
Gastronomie sicher.
"Wir sind bisher sehr zufrieden", sagte auch ein Sprecher des
Vereins Citypartner, der unter anderem für mehrere
Innenstadtgeschäfte mit einer Gutscheinaktion für das Tragen von
Tracht geworben hatte. Viele Menschen hätten dies aufgegriffen – und
die Trachtengeschäfte die besten Umsätze seit Ende des Lockdowns
gemacht.
Um wilde Wiesn-Ersatzfeiern mit hohem Infektionsrisiko zu
verhindern, hatte die Stadt für Samstag ab 9.00 Uhr auf der
Theresienwiese, wo sonst Millionen Liter Bier fließen, ein
Alkoholverbot verhängt. Die Polizei überwachte die Einhaltung mit
Dutzenden Kräften.
Bei der "WirtshausWiesn" griff am Samstag teilweise Prominenz zum
Schlegel, um traditionsgerecht um 12.00 Uhr ein Fass anzuzapfen. Die
Kabarettistin Monika Gruber stach bei Sternekoch Alfons
Schuhbeck am Platzl an, Ex-Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) im
Bahnhofsviertel ein 20-Liter-Fass - mit zwei Schlägen - und "einer
Handvoll weiterer", wie er selbstironisch sagte. Sein Rekord liegt
bei zwei Schlägen.
Nicht jeder findet gut, was München da treibt
Unterdessen mehren sich kritische Stimmen zur "WirthausWiesn".
Unter anderem auf Twitter gab es Unmut. Ein Nutzer fand es
"unverantwortlich", die Aktion in der aktuellen Situation nicht
abzusagen. Andere kritisierten, Kinder müssten am Montag mit Maske in
die Schule, während am Wochenende in Kneipen gefeiert werde.
Ärzte äußerten sich zurückhaltend. "Angesichts steigender Zahlen
an Neuinfektionen mit Covid-19 sehe ich eine "Wiesn light" eher
skeptisch bis sorgenvoll", sagte der Chefarzt der Klinik für
Infektiologie in der München Klinik Schwabing, Clemens Wendtner, vor
einigen Tagen.
Ude verteidigte die "WirthausWiesn". "Ich bestreite, dass von einer derart kontrollierten und disziplinierten Gastronomie eine Gefahr ausgeht." Der Sprecher der Wiesnwirte, Peter Inselkammer
sagte, es sei spürbar, dass viele Menschen den ursprünglich geplanten
Oktoberfeststart begehen wollten. "Die Leute wollen feiern." Es sei
besser, wenn dies in den Wirtshäusern kontrolliert und unter
Einhaltung der Regeln geschehe als bei privaten Partys.
Auch ohne das Fest läuft Wiesnbier gut - teils, so berichteten
Brauer, sogar besser als sonst. Für viele gab es heuer Wiesn
"dahoam".
(pcl/dpa)