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"Hart aber fair": Auf Frage von Ex-Azubi weiß Scholz keine Antwort

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (62) war als Vertreter der Politik geladen.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (62) war als Vertreter der Politik geladen.bild: screenshot ard
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"Hart aber fair": Auf Frage von Ex-Azubi weiß Scholz keine Antwort

08.12.2020, 11:58
Dirk krampitz
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Wohl noch nie war eine Runde bei Frank Plasbergs "Hart aber fair" so jung besetzt: Gerade einmal 24 Jahre beträgt das Durchschnittsalter. Allerdings ohne Bundesfinanzminister Olaf Scholz (62, SPD), den Plasberg mal eben rausgerechnet hat. "Herr Scholz, Sie verderben den Altersdurchschnitt heute Abend, genau wie ich auch", erklärt der Moderator. Denn das Thema lautet: "Nur einmal jung und dann im Lockdown – was macht Corona mit der Jugend?". Und es soll "eine Art Wiedergutmachung" für die Jüngeren sein, die im Rahmen von Corona eigentlich nur als "Problemgruppe" und "Party-Jugendliche" wahrgenommen wurden. An diesem Abend soll es um Corona-Probleme in Schule und Studium, Lockdown-Frust und Zukunftssorgen gehen. Das klappt allerdings nur bedingt. Im Studio dabei sind:

  • Ria Schröder (28), Juristin
  • Philipp Isterewicz (28), DJ und Radio-Moderator
  • Alexander Jorde (24), Krankenpfleger auf einer Intensivstation
  • Olaf Scholz (62) SPD, Bundesfinanzminister
  • Sarah-Lee Heinrich (19), Studentin
  • Im Einzelgespräch: Schülerin Franziska Schürken (17)
  • Im Einzelgespräch: Veranstaltungskaufmann Marcel Seidenzahl (22)
Ria Schröder (28) möchte ihre Generation nicht als Sündenbock abgestempelt sehen.
Ria Schröder (28) möchte ihre Generation nicht als Sündenbock abgestempelt sehen. bild: screenshot ard

"Aus meiner Sicht eignet sich die junge Generation nicht als Sündenbock", findet die Juristin Ria Schröder (28), die bis vor kurzem Vorsitzende der Jungen Liberalen war. Der große Teil ihrer Altersgenossen nehme sich zurück und spüre selbst die negativen Folgen der Pandemie in Universität, Schule und Arbeitsmarkt. "Ich wünsche mir auch, dass sich das in der Politik der Bundesregierung widerspiegelt", das sei allerdings bisher nicht so, sagt sie in Richtung von Olaf Scholz als einzigem Regierungsvertreter in der Runde. "Junge Menschen fallen durchs Raster." Damit hat sie den Ton der Runde gesetzt, den niemand bestreitet.

Radiomoderator Philipp Isterewicz (28) glaubt, nur die Minderheit verhält sich unvernünftig.
Radiomoderator Philipp Isterewicz (28) glaubt, nur die Minderheit verhält sich unvernünftig. bild: screenshot ard

Auch Radiomoderator und DJ Philipp Isterewicz (28) beobachtet, dass sich seine Altersgenossen zurücknehmen für die Allgemeinheit: "Jung sein heißt nicht gleich dumm sein. Die Leute glauben, die Jungen haben gar kein Problem." Aber so sei es nicht.

"Egal ob jung oder alt, man sollte doch verstanden haben, wie sich dieses Virus verbreitet. Vergleiche bringen einen nicht weiter, wir sind alle in einer Krise."
Philipp Isterewicz

Keine Tests im Krankenhaus

Intensivpfleger Alexander Jorge wünscht sich mehr Corona-Tests bei medizinischem Personal.
Intensivpfleger Alexander Jorge wünscht sich mehr Corona-Tests bei medizinischem Personal.bild: Screenshot ard

Keiner in der Runde merkt das wohl so deutlich wie der Intensivpfleger Alexander Jorde (24). Er hat bei der Arbeit täglich mit schweren Corona-Fällen zu tun und weiß, dass die Kontaktbeschränkungen sinnvoll sind. Trotzdem gibt er zu: "Ich würde mich auch gerne wieder mit mehr Leuten treffen." Was er nicht versteht ist, dass die Regierung nicht noch mehr tut, um die Pandemie einzudämmen. Zum Beispiel gebe es bis heute keine Verpflichtung, Pflegepersonal regelmäßig zu testen. Sein letzter Test liegt Monate zurück.

Wie oft Olaf Scholz wohl schon bereut hat, das Wort "Bazooka" jemals benutzt zu haben? Fast in jeder Diskussion um Unterstützungsmaßnahmen fällt der Begriff. So benutzt ihn auch Jorde: "Wenigstens die Bazooka auch in Richtung Schule auspacken – das hätte man im Sommer machen können. Wir haben im Sommer gar nichts gemacht, so ehrlich muss man sein", attestiert er der Bundesregierung ein Versagen bei der Vorbereitung der Schulen für den Unterricht in Zeiten von Corona.

Er verstehe die Hilfe für die Lufthansa nicht. Und auch die auf dem Höhepunkt der Pandemie im Frühjahr vollmundig versprochenen Prämie für Pflegekräfte hat Jorde übrigens nicht bekommen. Weil in seinem Krankenhaus zwei oder drei Corona-Patienten zu wenig behandelt wurden, um berechtigt zu sein.

Finanzmister Olaf Scholz (SPD) ist der Älteste in der Runde.
Finanzmister Olaf Scholz (SPD) ist der Älteste in der Runde.bild: Screenshot ard

Scholz verteidigt Lufthansa-Milliarden

Das führt direkt zur Vermögenssteuer und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (62, SPD). Der Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat spricht sich für eine Vermögenssteuer aus: "Ich bin ganz traurig, dass Deutschland die Vermögenssteuer abhanden gekommen ist. Wenn die Schweiz eine Vermögenssteuer hat, kann Deutschland auch eine haben, das würde unmittelbar helfen."

Dann versucht er das populäre Empörungsbeispiel von der Lufthansa, die neun Milliarden Steuergeld als Corona-Hilfe bekommen hat, zurechtzurücken. Den Personalabbau der Fluglinie findet er "sehr schwierig", aber wenn die Lufthansa irgendwann wieder in die Pluszahlen gerät, "werden wir alle mitverdienen". Sein Aufruf: "Wir alle müssen uns am Riemen reißen", mit Betonung auf "alle".

Als Plasberg den berüchtigt gewordenen TV-Schnipsel mit einer jungen Frau einspielt, die sagt, dass sie das Feiern vermisst, zeigt Scholz Verständnis. "Man darf schon was vermissen. Am liebsten hätten wir alle die Sache hinter uns, aber das wird schon noch ganz schön lange dauern." Die Lage von jungen Leuten sei "verdammt eng und das muss sich auch nicht schön reden".

Dazu gehört auch, dass die Milliarden-Schulden, die jetzt aufgenommen werden, von der nächsten Generation abgezahlt werden. Allerdings sieht er dazu auch keine Alternative, trotz Kritik vom Bundesrechnungshof.

"Wenn wir das nicht machen würden, würden wir die Schulden gar nicht zurückzahlen können. Sonst haben wir gar keine Zukunft und können gar nichts bezahlen."
Olaf Scholz
Studentin Sarah-Lee Heinrich fühlte sich einsam, ist darum wegen Corona in eine WG gezogen.
Studentin Sarah-Lee Heinrich fühlte sich einsam, ist darum wegen Corona in eine WG gezogen. BILD: Screenshot ard

Das sieht auch die Studentin Sarah-Lee Heinrich (19) so. "Mir bringt es als junge Person gar nichts, wenn Deutschland kaputt gespart ist."

Corona hat sie selbst hart erwischt. Gerade hat sie ihr Studium angefangen, wohnte auf 20 Quadratmetern allein in Köln. Sie hat sich dann ein WG-Zimmer gesucht. Aber sie findet:

"Das ist kein Generationen-Konflikt zwischen Party und sterben. Es betrifft eigentlich alle."
Sarah-Lee Heinrich

Angst um den Abi-Schnitt

Franziska Schürken hat Sorge, dass sie ihr Abi nicht mit 1,0 macht wegen Corona.
Franziska Schürken hat Sorge, dass sie ihr Abi nicht mit 1,0 macht wegen Corona.bild: screenshot ard

Franiska Schürken (17) erzählt, dass sie Medizin studieren will. Von März bis Mai hatte sie quasi keinen Unterricht, auch Homeschooling sei eigentlich eher kein Unterricht gewesen. Und danach habe es viele Quarantänepausen gegeben. Coronamäßig geändert habe sich in der Schule nichts. Digitale Endgeräte hätten auch heute nur die Jugendlichen, die sie auch selbst gekauft hätten.

"Lüftungsanlagen haben wir nicht, bei uns ist es kalt – vielen sind in der Klausur die Beine angefroren." Allzu schlimm scheint es für sie selbst aber nicht zu laufen: Sie wollte ihr Abi mit 1,0 bestehen und rechnet auch noch weiterhin damit, dass es klappt. Und sonst will sie Geisteswissenschaften studieren, das ginge auch mit schlechterem Schnitt.

Da gibt es sicher drastischere Beispiele. Finden auch die Zuschauer.

Auf Frage von Ex-Azubi weiß Scholz keine Antwort

Veranstaltungskaufmann Marcel Seidenzahl (22) arbeitet bald als Gebäudereiniger.
Veranstaltungskaufmann Marcel Seidenzahl (22) arbeitet bald als Gebäudereiniger. bild: screenshot ard

Der Veranstaltungskaufmann Marcel Seidenzahl (22) ist dann noch etwas härter betroffen von Corona. Er hat in einem großen Berliner Hotel gelernt. Im Juni hat er seine Lehre abgeschlossen und wurde nur wegen der Corona-Krise nicht übernommen. "Das schmerzt schon sehr."

Er wollte eigentlich zu Hause ausziehen, bleibt nun bei seinen Eltern wohnen. Im nächsten Monat fängt er einen Minijob als Gebäudereiniger an. "Dass man sich irgendwie wieder gebraucht fühlt." So positiv er wirkt, so greifbar wird seine Sorge. Auch weil er schon weit in die Zukunft denkt. Weiter sogar als Olaf Scholz.

Seidenzahl fragt den Bundesfinanzminister, ob es für seine Generation einen Zuschuss bei der Rente geben wird für eventuell verpasste Beitragszahler-Jahre. Scholz völlig überrascht: "Ehrlicherweise muss ich sagen, über die Frage habe ich noch nicht nachgedacht." Aber es sei ja noch Zeit das nachzuholen.