Die Corona-Infektionszahlen steigen, und der Zeitplan der Bundesregierung für eine bundesgesetzliche Notbremse ist eng – doch in den Detailfragen schlägt ihr breiter Widerstand entgegen. Bundestagsopposition, Länder und Landkreistag kritisieren dabei ganz unterschiedliche Punkte. Das Problem: Wenn die Änderung des Infektionsschutzgesetzes wie geplant am Dienstag vom Bundeskabinett beschlossen werden soll, müsste an diesem Montag eine Einigung gefunden werden.
Trotz der auch aus SPD-Ländern geäußerten Kritik versicherte SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz allerdings, dass diese hinter dem Vorhaben stünden. Er habe mit den Ministerpräsidenten seiner Partei gesprochen, sagte der Bundesfinanzminister am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". "Sie stehen alle hinter diesem Vorhaben, werden das auch unterstützen. Es wird förmliche Beratungen geben, aber der Weg ist klar und wird von allen getragen." Und: "Was wir jetzt hier regeln wollen, sind ja die Verabredungen die zwischen Bund und Ländern längst getroffen worden sind." Scholz gab sich zuversichtlich: Der Gesetzesantrag werde am Dienstag im Kabinett beschlossen werden.
In der Formulierungshilfe des Bundes werden mehrere Maßnahmen für Landkreise vorgeschlagen, in denen binnen einer Woche eine Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner oder mehr registriert wird – das sind aktuell mehr als die Hälfte aller Landkreise. Gestattet wären private Treffen nur noch eines Haushaltes mit einer weiteren Person – ohne Kinder insgesamt maximal fünf Personen. Vorgesehen sind zudem nächtliche Ausgangsbeschränkungen von 21 bis 5 Uhr, mit nur wenigen Ausnahmen, etwa medizinische Notfälle oder Wege zur Arbeit, nicht aber Abendspaziergänge. Erst ab einer Inzidenz von 200 sollen die Schulen schließen.
Soll das Vorhaben wie geplant schneller als üblich durch Bundestag und Bundesrat gebracht werden, braucht es dazu auch die Bundestagsopposition, weil das beschleunigte Verfahren mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden müsste. "Ich bin hoffnungsvoll, und es liegt jetzt an der Opposition, ob sie das Verfahren beschleunigt", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Sonntagabend im ZDF. Auch sein nordrhein-westfälischer Kollege, der CDU-Vorsitzende Armin Laschet, wünschte sich im ARD-"Bericht aus Berlin", dass es schnell geht. "Denn die (Infektions-)Zahlen sind absehbar und die hängen nicht von Beratungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat ab."
Söder versprach die volle Unterstützung seines Landes und seiner Partei. "Natürlich werden wir sowohl als Bayern als auch als CSU in der Bundesregierung da sogar Mittreiber sein, dass es beschlossen wird", sagte er in der ARD – obwohl sein Koalitionspartner, die Freien Wähler, dagegen Front machen und auf Enthaltung im Bundesrat pochen könnten. Laschet, seinem Konkurrenten um die Kanzlerkandidatur der Union, könnte es mit seinem Düsseldorfer Koalitionspartner FDP ähnlich gehen, wie er in der ARD einräumte.
Die FDP, aber auch die Linken und Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer kritisieren die Ausgangsbeschränkungen. FDP und Kretschmer bemängeln zudem, dass sich der Entwurf vor allem an der Inzidenz und nicht auch an anderen Parametern orientiert. Das SPD-geführte Niedersachsen sieht die Erfahrungen der Länder mit der Pandemiebekämpfung nicht angemessen berücksichtigt. Die SPD fordert zudem weitere Hilfsprogramme. Zusammen mit Grünen und Linken verlangt sie auch eine Testpflicht für Unternehmen.
Scholz sagte: "Ich bin dafür, dass wir auch die Testungen in Unternehmen vorschreiben und dass es für Kinder, die jetzt zum Beispiel eine Einrichtung nicht benutzen können, auch eine Verlängerung der Kinderkrankentage-Regelung gibt."
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit Blick auf die Kritikpunkte seiner Partei: "Ich sehe deshalb kaum Möglichkeiten, dem Vorhaben zuzustimmen."
Trotz steigender Infektionszahlen und einer bundesweiten Inzidenz um 130 ist die Entwicklung regional unterschiedlich. In Schleswig-Holstein liegt eine Reihe von Landkreisen relativ stabil unter 100. Deshalb darf dort am Montag die Außengastronomie wieder öffnen. Maximal fünf Personen aus zwei Haushalten dürfen an einem Tisch sitzen, Kinder nicht mitgezählt. Die Abstände müssen überall gewährleistet sein. Die Gastronomen müssen eine Kontaktnachverfolgung sicherstellen. Medizinische Schutzmasken dürfen Gäste am Tisch abnehmen. Vorherige Schnell- oder Selbsttests werden empfohlen, sind aber keine Pflicht.
Demgegenüber hat das Saarland, das erst am Dienstag in einem flächendeckenden Modellversuch viele Bereiche geöffnet hatte, die Inzidenz von 100 überschritten. Ab Montag gilt dort nun eine erweiterte Testpflicht, wie das Gesundheitsministerium am Sonntagabend mitteilte. Die Testpflicht wird damit auf jene geöffneten Bereiche ausgeweitet, in denen sie bisher nicht bestand – etwa den Einzelhandel und körpernahe Dienstleistungen.
Darüber hinaus enden in einer Reihe von Ländern die Osterferien. In den meisten starten die Schulen aber mit Wechselunterricht.
(andi/dpa)