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"Markus Lanz": Ex-Nationalspieler erzählt von Rassismus - "fast rausgeworfen worden"

Der ehemalige Nationalspieler Dennis Aogo zu Gast bei "Markus Lanz".
Der ehemalige Nationalspieler Dennis Aogo zu Gast bei "Markus Lanz". bild: screenshot zdf
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Ex-Nationalspieler über Alltagsrassismus: "Fast aus Autohaus geworfen"

05.06.2020, 06:5705.06.2020, 09:28
dirk Krampitz
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Noch immer erschüttert der Mord an dem Amerikaner George Floyd durch einen weißen Polizisten die Menschen weltweit.

Markus Lanz nimmt den Fall als Anlass, um mit seinen Gästen über Rassismus zu sprechen. Als Erstes schaltet er aber zum Korrespondenten Elmar Theveßen nach Washington, der etwas verloren vor einer wild zusammengewürfelten Gruppe von Demonstranten steht und über die Situation in Washington spricht, während sich Lanz wundert, wo denn in diesen Zeiten nur die "Empathie und Wärme" seien, die er "in Amerika immer spürt". Er sei dort oft herumgereist.

Affengeräusche keine "Riesensteigerung"

Aber Rassismus gibt es natürlich auch in Deutschland. Fußball-Profi Dennis Aogo (vereinslos, zuletzt bei Hannover 96 ) hat einen nigerianischen Vater und eine deutsche Mutter. Er ist in Karlsruhe aufgewachsen und wurde deutscher Nationalspieler.

Als Kind wurde er als "Mohrenkopf" beleidigt, musste sich anhören "Du siehst ja aus wie ein Affe" oder "Geht doch dahin zurück, wo ihr herkommt". Als Fußballprofi musste er sich auch schon mal Affengeräusche von gegnerischen Fans anhören. Seine erstaunliche Aussage: "Ich hatte damit gar nicht so ein Riesenproblem, wir haben da irgendwo im Osten gespielt, ich fand das war keine Riesensteigerung mehr zu den Schimpfworten, die man manchmal sonst hören muss."

Dennis Aago bleibt positiv – trotz Rassismus.
Dennis Aago bleibt positiv – trotz Rassismus.bild: screenshot zdf

Auch wenn er als Sportler in einer "Blase" lebe, mache er manchmal nicht so gute Erfahrungen. Vor allem, wenn ihn die Leute nicht kennen. Er erinnert sich als er vor zwei Monaten in kurzer Hose in ein Autohaus mit Luxusautos gegangen ist. "Der Verkäufer hat mich fast des Ladens verweisen – ich bin ganz sicher wegen meiner Hautfarbe. Normalerweise kommen da andere Kunden rein." Auch bei Restaurants sei es oft schwierig einen Platz zu bekommen, der nicht im hintersten Winkel ist. "Und Polizeikontrollen hatte ich ganz oft. Zum Glück ist es in Deutschland nicht so, dass man Angst haben muss, wenn man kontrolliert wird", sagt er. Seine Taktik:

"Ich bin generell immer überfreundlich, mit Polizisten und in Luxus-Boutiquen. Wenn man etwas verändern will, muss man mit gutem Beispiel vorangehen. Rassismus hat immer auch mit Vorurteilen zu tun."
Dennis Aogo

Interessant, dass er das so positiv sieht. Auch weil er danach noch die Geschichte erzählt, wie sein Vater, weil sein eigener Parkplatz vor seinem Haus zugeparkt war, sich direkt dahinter gestellt hat. Nach kurzer, unfreundlicher Ermahnung hat ihm ein Polizist den Arm auf den Rücken gedreht und auf die Motorhaube gepresst. Sohn Dennis hat dann seine Prominenz eingesetzt, um öffentlichen Druck aufzubauen – der Polizist wurde suspendiert.

Hadija Haruna-Oelker.
Hadija Haruna-Oelker.bild: screenshot zdf

Die Politologin Hadija Haruna-Oelker ist über so etwas nicht überrascht. "In jeder Institution gibt es Leute, die rassistisches Denken verinnerlicht haben", sagt sie. Also auch in der deutschen Polizei. In Amerika liegt für sie die Wurzel des Rassismus und der "rassistisch motivierten Polizeigewalt" allerdings schon in den Gründungstagen des Landes. Als Sklaven flohen und von einer Art Polizei wieder eingefangen wurden. Das habe sich über hunderte von Jahren so in die Gesellschaft "hineinsozialisiert" und über Jahrhunderte gewachsen. Sie zitiert Will Smith. Der Schauspieler hatte 2016 gesagt:

"Der Rassismus ist nicht schlimmer geworden, er wird jetzt nur gefilmt."
Will Smith

Das Gefühl "man will mich hier nicht"

Serap Gülers Eltern wollten Deutschland wieder verlassen.
Serap Gülers Eltern wollten Deutschland wieder verlassen.bild: screenshot zdf

Serap Güler verbindet mit Rassismus vor allem eine Erinnerung aus ihrer Kindheit: Der Brandanschlag auf das Haus der Familie Genc, bei dem am 29. Mai 1993 fünf Frauen und Mädchen starben. Dies hat die damals 13-Jährige niemals losgelassen und spielte auch eine Rolle, warum sie in die Politik gegangen ist. "Das prägt einen, wenn deine Eltern überlegen, ob sie das Land verlassen", sagt die CDU-Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in NRW. Sie habe damals das Gefühl gehabt: "Ich gehöre irgendwie dazu, aber man will mich hier nicht." Ihre Eltern hatten angesichts der deutschen Vereinigung schon Schwierigkeiten geahnt:

"Jetzt werden wir von Bürgern zweiter Klasse zu Bürgern dritter Klasse."
Serap Güler
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. bild: screenshot zdf

Der einzig klassische Bio-Deutsche in der Runde ist SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, den Markus Lanz lachend als "nebenberuflich SPD-Politiker" vorstellt. Den Eindruck kann man angesichts der Talkshowfrequenz des Epidemiologen wirklich bekommen. Lauterbach hat lange in den USA gelebt, telefoniert regelmäßig mit Freunden dort. Seine Freunde in New York beobachten mit Sorge, dass US-Präsident Donald Trump droht, bei den Wahlen Staaten zu verlieren, die seit 1970 immer republikanisch waren. Ihre Vermutung: Um die Wahlen zu gewinnen, provoziert Trump womöglich noch bürgerkriegsähnliche Zustande. "Trump hat nichts mehr zu verlieren, er ist unberechenbar", findet auch Lauterbach.

Aber natürlich geht Lauterbach aus keiner Talkshow, ohne über Corona geredet zu haben. Als im Land die Bilder der gedrängten Schlauchboot-Demo in Berlin zu Pfingsten gezeigt wurden, sagt er: "Wenn das so weitergeht, kommt die zweite Welle." Das sei das falsche Signal.

Lauterbach ist bekannt als Vertreter, der Lockerungen lieber langsamer gehabt hätte. Auch bei den Schulöffnungen. Lanz will ihn hartnäckig festnageln, ob das Schließen der Schulen wirklich nötig gewesen sei. Doch trotz aller Verweise von Lanz auf Statistiken und nur wenige Infektionen bleibt Lauterbach bei seiner Meinung: "Von allem, was die Wissenschaft zeigt, hätten wir diesen sehr guten Erfolg ohne das Schließen der Schulen nicht hinbekommen."

Neue Erkenntnis: Die Superspreader

Es reiche schließlich, wenn ein sogenannter "Superspreader" unter den Schülern sei. Dann wären schnell alle infiziert. Diese "Superverbreiter" sind nach den Aerosolen die neueste große Erkenntnis in der Corona-Forschung: "Die Hälfte der Infizierten infiziert keinen weiteren, aber wenige infizieren hingegen ganz viele", erklärt Lauterbach die auch für die Wissenschaftler überraschende Erkenntnis. "Dass Superverbreiter einen so großen Teil der Pandemie erklären, hat keiner von uns geahnt." Darum plädiert er auch für die Zeit nach den Sommerferien für einen Unterricht "mit viel Lüften", kleineren Klassen und einem Teil Digitalunterricht zu Hause.