Annalena Baerbock (Bündnis90/Die Grünen), Kanzlerkandidatin, spricht bei einer Kundgebung des DGB auf den Bassinplatz in Potsdam.Bild: dpa / Axel heimken
Deutschland
Wieder steht der 1. Mai im Zeichen der Pandemie - ohne große Demos und mit digitalen Aktionen. Trotzdem geht es um die schwierige Lage für Millionen Arbeitnehmer und Perspektiven für die Zeit danach.
01.05.2021, 17:1601.05.2021, 18:53
Beim zweiten Tag der Arbeit inmitten der Corona-Krise
haben die Gewerkschaften vor Belastungen für die Beschäftigten und
einem Sparkurs bei staatlichen Investitionen gewarnt. "Wir lassen
nicht zu, dass Arbeitgeber die Pandemie als Vorwand für Jobabbau,
Betriebsverlagerungen und Lohn-Dumping missbrauchen", sagte der Chef
des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, am Samstag
anlässlich der zentralen Mai-Kundgebung in Hamburg.
Corona dürfe auch
keine Ausrede für fehlendes Geld beim Umbau zu einer digitalen und
klimaneutralen Wirtschaft sein. Zukunftsgestaltung bedeute eben nicht
eisern zu sparen, sondern zu investieren und nochmals zu investieren.
Kleinere Veranstaltungen wegen der Corona-Beschränkungen
Wegen der bundesweiten Corona-Beschränkungen hatte der DGB unter dem
Motto "Solidarität ist Zukunft" wie schon im Vorjahr nur zu kleineren
Veranstaltungen aufgerufen. Im Internet gab es dazu ein Programm mit
Reden, Diskussionen und Musik. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte
den Einsatz vieler Beschäftigter unter Corona-Bedingungen. "Gerade
Berufe, die sonst nicht solche Aufmerksamkeit bekommen, haben das
Land am Laufen gehalten", sagte sie in ihrer Videobotschaft. Dass
viele seit Monaten im Homeoffice arbeiten, sei "eine riesige Hilfe"
gegen das Virus. Arbeitnehmer, die nicht von zu Hause aus arbeiten
können, rief Merkel zum Nutzen von Testangeboten in Betrieben auf.
Knapp fünf Monate vor der Bundestagswahl sprachen sich auch die
Kanzlerkandidaten von Union, Grünen und SPD für bessere Bedingungen
für Beschäftigte aus. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident
und CDU-Chef Armin Laschet mahnte bei einer Kundgebung in Düsseldorf
mehr Anerkennung für gesellschaftsrelevante Berufe etwa in der Pflege
an. "Die, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen sind, die, die
in den schlecht bezahlten Jobs sind, leisten zum Teil die größte
Arbeit." Anerkennung äußere sich etwa über Tarifbindung. Nach Corona
seien Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze dauerhaft zu sichern.
Baerbock: "Es reicht nicht, wenn man Pflegekräften zuklatscht"
Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte in Potsdam: "Es reicht nicht,
wenn man Pflegekräften zuklatscht. Es reicht nicht, wenn man als
Politikerin danke sagt, und wenn alle geimpft sind, dann gehen wir
einfach zu dem Zustand davor zurück." Es gehe um vernünftigen Lohn
und vernünftige Arbeitsbedingungen. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD)
forderte Konsequenzen aus der Pandemie. "Es kann nicht bei dem
bleiben, wie es ist", sagte er mit Blick auf Kurzarbeit, Entlassungen
und ungleiche Löhne. Scholz forderte mehr Tarifverträge und bessere
Kontrollen. "Wir müssen sicherstellen, dass es eine Grenze nach unten
gibt", sagte der Bundesfinanzminister ebenfalls in Potsdam.
Verdi-Chef: "Viele im Gesundheitswesen sind enttäuscht"
DGB-Chef Hoffmann betonte, mit solidarischem Handeln sei es gelungen,
das Schlimmste in der Corona-Krise zu verhindern. Gewerkschaften,
Betriebs- und Personalräte hätten dafür gekämpft, dass soziale Härten
abgefedert und viele Jobs gesichert worden seien.
Verdi-Chef Frank
Werneke sagte, viele im Gesundheitswesen und sozialen Diensten seien
enttäuscht über Tatenlosigkeit der Bundesregierung. "Wir erwarten
konkrete Verbesserungen – und zwar noch in dieser Legislaturperiode."
Der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann sagte dem Redaktionsnetzwerk
Deutschland: "Die Risiken der Pandemie und der Transformation können
nicht von den Beschäftigten allein geschultert werden." DGB-Vize Elke
Hannack forderte eine "Ausbildungsgarantie" für alle Schulabgänger.
SPD-Chef gegen grundlos befristete Arbeitsverträge
Der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE), Michael
Vassiliadis, warnte in Berlin vor einer sozialen Spaltung: "Corona
trifft die Schwächsten der Gesellschaft am härtesten", sagte er etwa
mit Blick auf Kinder aus einkommensschwachen Familien oder Mütter mit
Doppelbelastung aus Homeoffice und Homeschooling. CDU-Generalsekretär
Paul Ziemiak hob hervor, dass der Arbeitsmarkt trotz Pandemie stabil
sei. Das Kurzarbeitergeld sei dabei der Schlüssel zum Erfolg und eine
"Brandmauer gegen Massenarbeitslosigkeit", sagte er der dpa.
SPD-Chef
Norbert Walter-Borjans forderte Schranken gegen grundlos befristete
Arbeitsverträge. Besonders zum Berufsstart brauchten Arbeitnehmer
Perspektive und Planungssicherheit, sagte er.
(andi/dpa)