Hilfe für die Ärmsten kommt oft von Initiativen wie den Tafeln – wie hier in Baden-Württtemberg, wo nach coronabedingter Schließung einer Tafel Einkaufsgutscheine ausgegeben werden. Sozialverbände fordern nun mehr Hilfe vom Staat.Bild: dpa / Marijan Murat
Deutschland
Sozialverbände in Deutschland fordern von der
Koalition, die Probleme der Benachteiligten in der Pandemie stärker
zu berücksichtigen. Sie sehen die Ärmeren in der Gesellschaft stärker
von einer Corona-Infektion bedroht, warnen vor einer
Zwei-Klassen-Gesellschaft beim Impfen und fordern mehr finanzielle
Unterstützung der Betroffenen. "Ein finanzieller Zuschuss für alle,
die Grundsicherung beziehen, ist überfällig", sagte der
Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich
Schneider, der Deutschen Presse-Agentur.
Auch der Sozialverband VdK drückt in der Debatte um einen
Corona-Zuschuss für Menschen in Grundsicherung aufs Tempo. "Wir
begrüßen, dass Minister Heil angekündigt hat, endlich einen
Corona-Mehrbedarf zu gewähren", sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele
der dpa. "Wir fordern die Politik auf, jetzt zu handeln, nicht erst
nach der Wahl."
Regierungssprecher skeptisch
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte Vorschläge für einen
Corona-Zuschuss für ärmere Menschen angekündigt. SPD-Chefin Saskia
Esken hatte daraufhin die Erwartung an die Union ausgedrückt, beim
anstehenden Koalitionsausschuss grünes Licht für ein solches Vorhaben
zu geben. Die Spitzen von Union und SPD wollen voraussichtlich an
diesem Mittwoch über nun anstehende Projekte beraten. Mit dabei soll
voraussichtlich erstmals der neue CDU-Chef Armin Laschet sein.
Sozialverbände hatten zuletzt einen Zuschuss von monatlich 100 Euro
gefordert.
Regierungssprecher Steffen Seibert hatte sich zuletzt
zurückhaltend geäußert, als er auf den von der SPD erwünschten
Corona-Zuschuss angesprochen wurde. Er verwies auf Pläne zur Abgabe
kostenfreier FFP2-Masken, auf die zum Jahresbeginn ohnehin gestiegene
Hartz-IV-Sätze und den coronabedingt erleichterten Zugang zur
Grundsicherung.
Sorge um gerechte Verteilung der Impfstoffe
Aus Sicht der Verbände reichen diese Schritte nicht aus: Die
Erhöhung der Regelsätze um 14 Euro auf 446 Euro gleiche "einem
armutspolitischen Offenbarungseid", hieß es vom VdK. Die Verbände
fordern stattdessen eine Anhebung der Regelsätze auf mindestens 600
Euro.
Nach dem Impfgipfel gibt es in den Reihen der Verbände zudem
weiterhin Sorgen um einen gleichberechtigten Zugang zu den Impfungen.
"Wegen der anfänglich begrenzten Verfügbarkeit eines Impfstoffes ist
zu befürchten, dass es zu Verteilungskämpfen um den Zugang zu
Impfungen kommt", warnte der Präsident des Sozialverbands Deutschland
(SoVD), Adolf Bauer. Es müsse daher sichergestellt werden, dass
niemand einen bevorzugten Zugang zu Impfungen bekomme und so eine
Zwei-Klassen-Gesellschaft entsteht, sagte er der dpa.
"Höheres Risiko, sich zu infizieren"
Schneider gab zu bedenken, "dass Menschen mit sozialen
Benachteiligungen häufig insgesamt einem erhöhten Risiko ausgesetzt
sind, sich überhaupt zu infizieren". Dazu gehörten etwa Obdachlose,
Familien, die auf beengtem Raum wohnen, oder Menschen in prekären
Arbeitsverhältnissen.
Der VdK kritisierte, bei der geplanten Abgabe von FFP2-Masken
seien etwa Menschen mit Erwerbsminderung "einfach vergessen" worden.
Auch die Caritas sieht viele Menschen mit psychischen Erkrankungen
oder Behinderung, Geflüchtete und Menschen ohne legalen
Aufenthaltsstatus nicht ausreichend berücksichtigt. SoVD-Präsident
Bauer betonte, "dass grundsätzlich allen 'armen' Menschen
Schutzmasken zur Verfügung gestellt bekommen müssen".
(andi/dpa)