Vor Kurzem wurde bekannt, dass sich in einem Schlachtbetrieb des Tönnies-Konzerns mehr als 1550 Beschäftigte nachweislich mit dem Coronavirus infiziert haben. Aufgrund dessen haben die Behörden im Kreis Gütersloh und im Nachbarkreis Warendorf wieder strengere Kontaktbeschränkungen verhängt. Mithilfe von Corona-Massentests will die Landesregierung Klarheit über die Verbreitung des Virus schaffen. Die Sorge wächst, dass auch andere Bundesländer davon betroffen sein können.
Mittwochabend diskutierte Markus Lanz über die neuesten Entwicklungen zu den Corona-Ausbrüchen. Zu diesem Thema sprach er mit Kanzleramtschef Helge Braun (CDU), Virologe Alexander Kekulé, Journalist Robin Alexander und Politiker Olaf Gericke (CDU). Dabei zeigte besonders Kekulé Fehler auf, die während der Corona-Krise anfangs gemacht wurden.
Der Virologe erinnerte sich in der Talk-Runde daran zurück, wie und wann er das erste Mal von der kommenden Pandemie erfahren hat: "Es war so, dass wir im Dezember mitbekommen haben, dass es ein neues Sars-Virus gibt. In der zweiten Januarwoche habe ich einen Anruf aus Hongkong bekommen, wo gesagt wurde, da stimmt was in Wuhan nicht, es ist nicht die ganze Wahrheit. Dann war klar, es ist eine Übertragung von Mensch zu Mensch." Nun stellte er fest, was anders hätte laufen müssen:
Doch zu aller erst kam in der Talk-Runde von Markus Lanz der CDU-Politiker Olaf Gericke zu Wort. Der Landrat des Kreises Warendorf in NRW, wo wieder bis zum 30. Juni die drastischen Beschränkungen gelten, wurde per Video hinzugeschaltet. Er erklärte: "Die Firma Tönnies hat viele Subunternehmer, die rund um Gütersloh verteilt wohnen. Die haben sich in der Fabrik infiziert und deswegen ist die Welle zu uns herübergeschwappt." Bis zu diesem Zeitpunkt seien sie wunderbar durch die Krise gekommen. "Durch ein singuläres Ereignis haben wir jetzt einen großen Scherbenhaufen", mahnte Gericke an. Das große Problem:
Besonders dramatisch wäre, dass die Mitarbeiter keine Krankenversicherung hätten und sie somit nicht zum Arzt gehen können. Lanz stellte fest: "Es wurde nicht sichergestellt, dass die Leute da bleiben, wo sie sind." Gericke antwortete prompt:
Darüber hinaus war Gericke sich sicher: "Man hat sich immer auf das Tierwohl konzentriert. Die Politik wird aus diesem Desaster Schlüsse ziehen. Nach dem Essen ist man schlauer." Zu den Videoaufzeichnungen, die bei Tönnies gemacht wurden, meinte der CDU-Politiker, sofern sie denn echt seien, dass die Schutzvorkehrungen nicht gegriffen hätten. Er forderte volle Transparenz im Hinblick auf die Namen und Adressen von den Arbeitskräften. Nun müssen große Teile der Bevölkerung getestet werden. Wer die Kosten dafür trägt, ist unklar. Gericke sagte süffisant:
Das Wichtigste sei zunächst der begrenzte Lockdown. "Wenn wir die Zahlen in den Griff bekommen, dann ist der Spuk vorbei", so Gericke. Die Bürger dürften vor Ort nicht stigmatisiert werden. Das würde er nicht verstehen, genauso wenig wie den Wettbewerb der Ministerpräsidenten. Dies sei alles nicht professionell gewesen.
Alexander Kekulé stellte gleich klar, dass er erstmal nicht davon ausgehe, dass nächste Woche der Spuk vorbei sei: "Ich bin da nicht so optimistisch. Die Inkubationszeit dauert zwei Wochen. Da kann auch ein Test nicht wirklich Sicherheit geben, weil die Menschen in der Quarantäne auch krank werden. Deshalb hätte ich wahrscheinlich gleich zwei Wochen gesagt, weil das der Standardzeitrahmen ist." Und weiter:
"Welt"-Journalist Robin Alexander betrachtete besonders die Aussagen vom Ministerpräsidenten aus NRW kritisch: "Armin Laschet hat einen Fehler gemacht, weil er gesagt hat, das Virus sei aus Rumänien oder Bulgarien. Es ist aber das Virus aus unseren Schlachtbetrieben. Bei einem lokalen Geschehen greift die Notbremse. Dann müsste der ganze Landkreis in den Lockdown."
Kanzleramtschef Helge Braun erklärte dazu: "Jedes Gesundheitsamt soll ein Team pro 20.000 Einwohner zur Kontaktverfolgung haben. Wenn eine Überforderung da ist, muss man mit Unterstützung entgegenwirken. Wir müssen jeden einzelnen Kontakt nachvollziehen." Die Verteilung der Infizierten mache die Nachvollziehbarkeit extrem schwierig. "Es ist sehr schwer zu sagen, dass Tönnies ein begrenzter Ausbruch ist", sagte Braun weiter. Kekulé benannte daraufhin einen schwerwiegenden Fehler:
Was den Lockdown betrifft, hätte man laut Alexander Kekulé zwischen Bund und Länder einen unentschiedenen Konflikt auf die Kommunalpolitiker ausgeweitet. "Söder argumentiert für den Lockdown, Laschet meint, der Landrat entscheidet und wir gucken erstmal, was passiert", erklärte der Journalist. In jedem Fall müsse die Erfahrung, die in Ischgl gemacht wurde, vermieden werden, stellte der Kanzleramtschef daraufhin klar. Dies sei laut dem "Welt"-Journalist ein weiteres Problem:
Kekulé erläuterte das am Beispiel vom Schlachtbetrieb und zeichnete eine düstere Prognose: "Diese Fälle bei Tönnies wären dann kein Problem, wenn man wüsste, wo die Leute sind. Sowas ähnliches wird sich in Deutschland wiederholen. Im Herbst müssen wir schauen, wenn es mehrere Fälle gibt, wie wir damit umgehen." Braun machte klar: "Im Grunde kann die Firma nicht beantworten, wer bei ihnen gearbeitet hat und wo sie wohnen. Die Öffnung müssen wir sensibel und vorsichtig machen. Ganz klare Hygienevorschriften müssen eingehalten werden. Das geht mit sozialversicherungspflichtigen Angestellten."
Für Braun stand fest, dass wir nur dann eine Chance auf soziale Entspannung haben, wenn die Infektionszahlen sehr niedrig sind. Wir dürften nicht zu sorglos damit umgehen, denn wir würden immer noch in einer Pandemie leben. "Die Ausbrüche haben wieder gezeigt, wenn man wieder eine Chance gibt, schlägt das Virus zu", so Braun. Schlauchbootpartys und Demos hätten dazu beigetragen, dass ein völlig falsches Signal gesendet worden sei.
(iger)