
Unternehmen, wie Restaurants, müssen in der Corona-Krise von der Bundesregierung unterstützt werden. Bild: SVEN SIMON / Frank Hoermann/SVEN SIMON
Deutschland
23.04.2020, 06:2223.04.2020, 06:22
Mit neuen milliardenschweren Hilfen für
Arbeitnehmer, Gastronomiebetriebe, Unternehmen und Schulen will die
große Koalition die massiven Folgen der Corona-Krise abmildern. Das
Kurzarbeitergeld soll erhöht werden, um vor allem für Geringverdiener
Einkommensverluste auszugleichen. Zugleich wird die Bezugsdauer des
Arbeitslosengelds verlängert. Die in der Krise besonders belasteten
Gastronomiebetriebe bekommen Steuererleichterungen.
Darauf verständigten sich am späten Mittwochabend die Spitzen der
schwarz-roten Koalition in Berlin. Die Bundesregierung müsse weitere
Maßnahmen einleiten, um soziale und wirtschaftliche Härten abzufedern
sowie den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu unterstützen, heißt es in
einem Beschlusspapier. Deutschland habe die Pandemie durch
einschneidende Beschränkungen erfolgreich gebremst. Dies habe
erhebliche wirtschaftliche und soziale Folgen.
"Trotzdem können wir nur in kleinen Schritten die Beschränkungen wieder lockern, weil das Virus weiter breit in Deutschland vorhanden ist und wir die Erfolge nicht durch eine erneute exponentielle Infektionswelle gefährden dürfen."
Deshalb müssten die notwendigen
Entscheidungen so ausfallen, dass es auch in Zukunft finanzielle
Möglichkeiten gebe.

Die SPD-Spitze (Esken und Walter-Borjans, v.r) mit CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer und CSU-Chef Söder bei der Verkündung der Ergebnis in der Nacht zu Donnerstag. Bild: SVEN SIMON / Frank Hoermann/SVEN SIMON
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sprach von "sehr intensiven
Verhandlungen", bei denen es um schwierige Detailfragen gegangen sei.
Sie sei aber "sehr froh und zufrieden mit dem Ergebnis". Der
SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans sagte, es seien wichtige
Beschlüsse für Unternehmen und Arbeitnehmer getroffen worden, die
unter Einbußen litten.
Am Donnerstag gibt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag
eine Regierungserklärung zum Vorgehen der Koalition in der Krise ab.
Ein Überblick über die Beschlüsse:
Anhebung des Kurzarbeitergeldes
Wegen der schweren wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind
Hunderttausende Beschäftigte in Kurzarbeit. Die Bundesagentur für
Arbeit ersetzt einen Teil des weggefallenen Nettoeinkommens: Bei
kinderlosen Beschäftigten 60 Prozent und bei Beschäftigten mit
Kindern 67 Prozent. Zwar sehen einige Tarifverträge vor, dass das
Kurzarbeitergeld auf fast 100 Prozent des Nettolohns aufgestockt
wird. In vielen Branchen gilt das aber nicht. Deswegen forderte der
Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), es befristet auf 80 und 87 Prozent
zu erhöhen. Ansonsten könnten viele Menschen ihre Mieten oder
Ratenkredite fürs Auto oder das Eigenheim nicht mehr zahlen.
Die Koalitionsspitzen wollen nun das Kurzarbeitergeld anheben,
und zwar gestaffelt. Für diejenigen, die es für eine um mindestens 50
Prozent reduzierte Arbeitszeit beziehen, soll es ab dem 4. Monat des
Bezugs auf 70 Prozent beziehungsweise 77 Prozent für Haushalte mit
Kindern und ab dem 7. Monat des Bezuges auf 80 Prozent
beziehungsweise 87 Prozent für Haushalte mit Kindern steigen – längstens bis Ende 2020. Außerdem werden für Arbeitnehmer in
Kurzarbeit ab 1. Mai bis Ende 2020 bereits bestehende
Hinzuverdienstmöglichkeiten erweitert.
Verlängerung des Arbeitslosengeldes
Das Wirtschaftsleben ist wegen der Beschränkungen in weiten
Teilen zum Erliegen gekommen, bei vielen Unternehmen sind Aufträge
und Umsätze eingebrochen. Das hat Folgen auch für den Arbeitsmarkt,
in dem derzeit kaum in neue Jobs vermittelt wird. Deswegen soll nun
die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I verlängert werden – und zwar
um drei Monate und für diejenigen, deren Anspruch zwischen dem 01.
Mai und 31. Dezember 2020 enden würde.
Wer arbeitslos wird, bekommt bisher 12 Monate lang
Arbeitslosengeld, das gilt für Arbeitnehmer bis 50 Jahre –vorausgesetzt, sie waren zuvor 24 Monate oder länger
versicherungspflichtig. Für Arbeitslose ab 50 Jahren steigt die
Bezugsdauer in mehreren Schritten auf bis zu 24 Monate an.
Voraussetzung: Sie waren 48 Monate oder länger
versicherungspflichtig. Die Höhe des Arbeitslosengelds liegt bei 60
Prozent des letzten Netto-Entgelts, bei Arbeitslosen mit Kindern sind
es 67 Prozent.
Kramp-Karrenbauer sagte mit Blick auf den bisherigen Widerstand
der Unionsfraktion gegen eine Anhebung, dass der gefundene Kompromiss
vertretbar sei – da gezielt besonders Betroffenen geholfen werde, es
aber kein Gießkannenprinzip gebe.
Steuerhilfen für die Gastronomie
Der Gastronomie bricht gerade ein Großteil der Einnahmen weg.
Deswegen sollen Gastronomiebetriebe nun steuerlich entlastet werden.
Die Mehrwertsteuer für Speisen wird laut Beschluss ab dem 1. Juli
befristet bis zum 30. Juni 2021 auf den ermäßigten Steuersatz von 7
Prozent gesenkt.
Bisher gilt für Speisen, die in einem Restaurant, einem Café oder
einer Bar verzehrt werden, ein Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Für
Gerichte, die der Gast mitnimmt oder nach Hause bestellt, fallen in
der Regel nur 7 Prozent an. Nun soll generell ein Satz von 7 Prozent
gelten.
CSU-Chef Markus Söder sagte, er hätte sich eine längere Dauer für
die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für die Gastronomie gewünscht.
"Es war ein dickes Brett zu bohren und es gab einige harte Brocken",
sagte er. Gleichwohl sei er nach dem Verlauf der Verhandlungen
zufrieden. "Wir waren der festen Überzeugung von Anfang, dass die
Mehrwertsteuer der richtige Weg ist, weil es ein Anreizsystem ist,
weil es ein Durchstart-System ist." In Summe bedeute die
Steuersenkung eine Entlastung von vier Milliarden Euro.
Söder warnte zugleich davor, den festgelegten Zeitpunkt der
Steuersenkung ab Juli mit einer Garantie gleichzusetzen, dass ab dann
die Gastronomie wieder geöffnet werden könne. Entscheidend sei, wie
sich die Infektionszahlen bis dahin entwickelten. Der Juli sei aber
der Bereich, bei dem die Bundesländer in jedem Fall genug Zeit zur
Vorbereitung hätten, "damit ein gastronomisches Arbeiten in breiter
Form möglich ist". Für den Mai seien dagegen noch keine verlässlichen
Aussagen möglich.
Mehr Geld für Schulen
Die allermeisten Schulen sind geschlossen, Anfang Mai soll der
Unterricht schrittweise wieder starten. Der Bund ist bereit, Schulen
und Schüler beim digitalen Unterricht zu Hause mit 500 Millionen Euro
zu unterstützen, wie es im Papier heißt. Geplant ist ein
Sofortausstattungsprogramm. Damit sollen die Schulen in die Lage
versetzt werden, bedürftigen Schülern einen Zuschuss von 150 Euro für
die Anschaffung entsprechender Geräte zu gewähren. Darüber hinaus
solle die Ausstattung der Schulen gefördert werden, die für die
Erstellung professioneller Online-Lehrangebote erforderlich ist.
Nachbesserungen bei Wirtschaftshilfen
Die Politik hat bereits milliardenschwere Hilfsprogramme für die
Wirtschaft beschlossen, um Jobs und Firmen zu erhalten. Die
Bundesregierung hatte bereits angekündigt, bei Bedarf nachzubessern.
Geplant sind nun steuerliche Entlastungen für kleine und
mittelständische Unternehmen – um Liquidität zu sichern. Konkret geht
es um die sogenannten Verlustverrechnung. Absehbare Verluste für
dieses Jahr sollen mit Steuer-Vorauszahlungen aus dem vergangenen
Jahr verrechnet werden dürfen.
Weitere Milliardenkosten
Die neuen Hilfen kosten Milliarden. Walter-Borjans sprach von
Kosten "oberhalb" von 10 Milliarden Euro. Alleine die
Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie koste für ein Jahr bis zu 5
Milliarden, die Hilfen für die Liquidität der Firmen rund vier
Milliarden Euro. Die Bundesregierung hatte bereits massive
Hilfspakete für Unternehmen, Selbstständige und Arbeitnehmer
geschnürt. Dafür plant sie mit neuen Schulden in Höhe von 156
Milliarden Euro. Wegen der Hilfspakete steigt Deutschlands
Staatsverschuldung deutlich an. Das Finanzministerium rechnet damit,
dass die Schuldenquote – also das Verhältnis der Schulden zur
gesamten Wirtschaftsleistung - Ende des Jahres bei 75.25 Prozent
liegen wird, wie aus dem Stabilitätsprogramm 2020 hervorgeht.
Das Ende der Fahnenstange aber dürfte noch nicht erreicht sein.
Denn neben den akuten Krisenhilfen sind auch Maßnahmen geplant, um
die Konjunktur wieder anzukurbeln. Auch das dürfte Milliarden kosten.
Die Steuereinnahmen aber dürften zurückgehen, weil Deutschland in
eine Rezession rutscht. Im Mai ist die neue
Steuerschätzung.
(lin/dpa)