Lachgas gilt als ungefährlich – doch so ganz richtig ist das nichtBild: imago montage: watson
Deutschland
Europas Partyszene hat einen neuen Spaßmacher: Lachgas. Kein Wunder, ist Lachgas doch legal erhältlich und kostet wenig. Vor allem in den Niederlanden zieht der Konsum stark an. Dort hat jüngst der Unternehmer Mathieu Hölzken sein Geschäft "Falsche Luft" eröffnet.
Er preist den Laden als den "ersten echten Lachgas-Laden der Niederlande" an. Es liegt in der niederländischen Grenzstadt Venray, nur einen Katzensprung von Krefeld oder Mönchengladbach. Dort verkauft der 48-Jährige einen kurzen Rausch aus dem Ballon. Das Ganze kostet fünf Euro.
Hölzkens Kunden können sich auf alten Kinostühlen berauschen, dazu lacht von den Wänden ein riesiger Smiley Tränen - das Firmenlogo. Venrays Bürgermeister Hans Gilissen lacht nicht: "Wir können nicht so viel dagegen tun, nur warnen, dass es Risiken gibt."
Der Müll bleibt liegen
Die Spuren des Konsums
kann jeder täglich sehen: Auf Parkplätzen, in Grünanlagen oder
Straßen liegen Dutzende leere Metallkapseln oder Ballons. Experten
warnen vor großen Risiken. Die Zahl der Vergiftungen durch Lachgas
sei sprunghaft angestiegen, meldet das Nationale Informationszentrum
für Vergiftungen in Utrecht. Hatte es 2015 noch insgesamt 13 Fälle
gegeben, wurden im ersten Halbjahr 2019 bereits 67 Fälle gemeldet. Es
geht um Schwindelanfälle, Übelkeit und Lähmungserscheinungen.
Bild: picture alliance / ANP
Nach dem niederländischen Sucht-Bericht hat jeder fünfte Jugendliche
zwischen 20 und 24 Jahren schon Lachgas inhaliert. Auch in der Gruppe
bis zu 35 Jahren wird es zunehmend zu einer beliebten und preiswerten
Party-Droge.
Lachgas oder Distickstoffmonoxid ist seit 2016 legal erhältlich und
befindet sich etwa in Kapseln für Sahnespender. Es fällt nach einem
Urteil des Europäischen Gerichtshofes nicht länger unter das strenge
Arzneimittelgesetz. Es wird aber noch immer bei kleinen Eingriffen
etwa beim Zahnarzt zur Betäubung eingesetzt.
Das Gas wird entweder
aus den Sahne-Kartuschen inhaliert oder aus damit gefüllten
Luftballons. Das führt zu einem kurzen Rausch von 30 Sekunden bis
höchstens einigen Minuten. Konsumenten berichten von verstärkten
Sinneseindrücken und einem Kribbeln am ganzen Körper. Manche kichern
unbändig.
Nein, Lachgas ist nicht ungefährlich
Das Lachen kann einem aber schnell vergehen. Bei "durchschnittlichem
Konsum" von fünf bis zehn Kapseln einmal im Monat ist die Partydroge
nach Angaben des Gesundheitsamtes relativ ungefährlich. Aber in
Kombination mit Alkohol oder anderen Drogen und vor allem bei
exzessiven Konsum könne das Gas zu dauerhaften Schäden am zentralen
Nervensystem und Lähmungen führen.
Auch die Einnahme über die Kapseln selbst ist nicht ungefährlich, wird das Gas direkt aus Flaschen oder eben Kapseln inhaliert, können diese an den Lippen festfrieren. Die Drogenberatungsseite "drugscouts.de" warnt zudem ausdrücklich vor dem Konsum von technischem Lachgas, wie es etwa beim Autotuning verwendet wird. Dieses kann demnach lebensbedrohliche Verunreinigungen enthalten.
Erste Städte wollen Lachgas verbieten
In Amsterdam ist Deniz Üresin der "Lachgas-König". Er
beliefert abends und nachts mit rund zehn Lasten-Fahrrädern die
Kundschaft in den Kneipenvierteln. "Ich verdiene echt wahnsinnig",
sagt er. Seine Kuriere verkaufen gefüllte Ballons, die Kunden
inhalieren das Gas direkt auf der Straße. Der 25-jährige Unternehmer
gibt seinen Kunden noch einen guten Rat – gratis: "Lieber im Sitzen
inhalieren, sonst fällt man um und muss zur Ersten Hilfe."
Bild: picture alliance / ANP/Niels Wenstedt
Die Stadt hat genug von der angeblichen Spaß-Droge. Unternehmer und
Bewohner klagen über Lärm, pöbelnde Jugendgruppen und den Müll auf
den Straßen. Auch andere Kommunen wollen ein Verbot. Einige Städte
haben den Verkauf zumindest bei Großereignissen bereits untersagt.
Deutschlands westlicher Nachbar ist nicht der einzige, dem das Lachen langsam vergeht.
Auch in Dänemark will eine Mehrheit der Parteien den Verkauf von
Lachgaspatronen regulieren. Die Missbrauchsfälle steigen den Behörden
zufolge kontinuierlich. 2017 etwa zählte die telefonische Hotline für
Vergiftungen 18 Meldungen, 2018 waren es bereits 39. In Kopenhagen
häufen sich Meldungen über Angstanfälle, Erfrierungen durch eiskalte
Kartuschen oder langandauernden Konzentrationsschwächen. "Das sind
Personen, die seit langem das Gas konsumieren. Sie nehmen, 50, 100
oder 200 Lachgaspatronen täglich", sagte Dorte Fris Palmqvist,
Oberärztin am Bispebjerg Krankenhaus der Zeitung "Berlingske".
Im deutschen Drogen- und Suchtbericht spielt Lachgas noch keine
Rolle. Doch in der Partyszene komme es punktuell vor, so das Büro der
Drogenbeauftragten der Bundesregierung. Verlässliche Zahlen gibt es
nicht. Eine Studie von Drogenforschern der Universität Frankfurt
machte 2018 deutlich, dass sich die Zahl jugendlicher
Lachgas-Konsumenten in drei Jahren verdoppelt habe. Demnach hatten 12
Prozent der Jugendlichen schon mal Lachgas ausprobiert.
(pcl/dpa)