Ein Tiefkühlregal in einem Supermarkt. Bild: dpa / Julian Stratenschulte
Deutschland
Tiefkühlpizza und Fischstäbchen gehören heute ganz selbstverständlich zum Alltag. Doch der Siegeszug gefrorener Lebensmittel begann erst vor 90 Jahren in einer kleinen amerikanischen Stadt.
Egal ob Fischstäbchen, Fertigpizza oder eine Torte zum
Auftauen: Tiefkühlkost ist heute aus dem Alltag kaum mehr
wegzudenken. Rund 47 Kilogramm davon konsumiert jeder Bundesbürger
durchschnittlich im Jahr, hat das Deutsche Tiefkühlinstitut errechnet – mit steigender Tendenz. Die Erfolgsgeschichte der tiefgefrorenen
Produkte begann vor 90 Jahren.
Als Geburtsstunde der Tiefkühlkost gilt der 6. März 1930, als in zehn
Lebensmittelgeschäften in der Kleinstadt Springfield im
US-Bundesstaat Massachusetts erstmals verpackte Lebensmittel in
tiefgekühlter Form verkauft wurden, wie in den Archiven des
Lebensmittelkonzerns Unilever zu lesen ist. Das Angebot war damals
eher bescheiden. Es gab Gemüse, Obst, Fleisch und Fisch.
Idee kam in der Arktis
Auf die Idee mit der Tiefkühlung war der amerikanische Meeresbiologe
Clarence Birdseye wenige Jahre zuvor auf einer Forschungsreise in die
Arktis gekommen. Dort hatte er erlebt, wie die Inuit die Kälte im
Winter nutzten, um Fisch und Fleisch lange haltbar zu machen. Dazu
hängten sie frischen Fang oder die gerade erlegte Beute in den
eisigen, bis zu minus 45 Grad Celsius kalten Wind und konnten die so
haltbar gemachten Lebensmittel über Monate hinweg konsumieren.
Birdseye entwickelte die erste Schockgefrieranlage, die es ihm
erlaubte, das nachzuahmen und gab damit den Startschuss für eine bis
heute boomende Industrie. Sie wurde so erfolgreich, dass US-Präsident
Ronald Reagan 1984 den 6. März zum "Frozen Food Day"
(Tiefkühlkost-Tag) proklamierte. Die Tiefkühlindustrie habe das Leben
der Menschen erleichtert und viele bislang nur saisonal angebotene
Produkte dauerhaft verfügbar gemacht, lobte der Präsident.
Bis die Tiefkühlkost auch nach Deutschland kam, dauerte es allerdings
noch Jahrzehnte. Im Jahr 1955 wurden laut Tiefkühlinstitut auf der
Lebensmittelmesse Anuga in Köln erstmals solche Produkte präsentiert.
Ein Jahr später startete im Rheinland der sogenannte
"Köln-Bonner-Truhentest". In der Region wurden 400 Kühltruhen
aufgestellt, in denen die Händler ihren Kunden erstmals die
ungewohnte Ware anbieten konnten.
Der Erfolg kam langsam – aber gewaltig.
Lag der Pro-Kopf-Verbrauch
1960 noch bei durchschnittlich 400 Gramm Tiefkühlkost im Jahr, so hat
er sich seitdem mehr als verhundertfacht. Hatten die Verbraucher
anfangs die Wahl zwischen gerade einmal fünf Produkten, so sind heute
rund 17 000 Artikel im Angebot, wie Sabine Eichner, die
Geschäftsführerin des Deutschen Tiefkühlinstituts berichtet.
Im vergangenen Jahr wurden nach Schätzungen des Tiefkühlinstituts in
Deutschland insgesamt fast vier Millionen Tonnen an
Tiefkühllebensmitteln konsumiert – etwa die Hälfte wurde über den
Lebensmittelhandel verkauft, der Rest wurde an Restaurants und
Kantinen geliefert. Der Umsatz dürfte rund 15 Milliarden Euro
betragen haben.
"Rund 98 Prozent der Verbraucher kaufen heutzutage Tiefkühlprodukte."
Sabine Eichner
Der Trend geht dabei immer mehr weg von tiefgefrorenen Grundprodukten
wie Fischfilet oder Gemüse hin zu Fertigprodukten, die nur noch im
Backofen oder in der Mikrowelle aufgewärmt werden müssen. Den größten
Zuwachs verzeichnete die Branche in den vergangenen Jahren bei
Tiefkühl-Fertiggerichten, Pizzen und Backwaren.
Ist Tiefkühlkost nachhaltig?
Dabei greifen die Tiefkühlkost-Hersteller Trends
im Lebensmittelhandel wie Bio oder Regionalität gerne auf. Und als
nachhaltig sieht sich die Branche sowieso. Eine Studie des
Öko-Instituts bescheinigte der Tiefkühlkost bereits 2012, trotz des
Energieverbrauchs bei der Kühlung zumindest nicht klimaschädlicher
als ihre ungekühlten Vergleichsprodukte zu sein.
Sie sei gesund, weil die Vitamine beim Schockfrosten erhalten
blieben. Außerdem könnten die Produkte bedarfsgerecht portioniert
werden, was der Lebensmittelverschwendung entgegenwirke. Und sogar
der Kochprozess sei in der Großküche wesentlich energieeffizienter,
als in den eigenen vier Wänden, so das Umweltforschungsinstitut.
(dpa/lin)