Nach einem erneuten Corona-Ausbruch in einem Schlachtbetrieb mit Werkverträgen raten Verbraucherschützer, beim Kauf von Fleischprodukten auch die Arbeitsbedingungen kritisch zu hinterfragen.
Am Mittwoch war bekannt geworden, dass es unter den Mitarbeitern des größten deutschen Schlachtbetriebs von Tönnies bei Rheda-Wiedenbrück zu einem Ausbruch mit einer Vielzahl von Corona-Infizierten gekommen ist. Bereits im Mai war es bei auf einem Schlachthof von Westfleisch im Kreis Coesfeld zu einem Corona-Ausbruch gekommen.
Die Bundesregierung erklärte Ende Mai, gegen Missstände in der Fleischbranche durchgreifen zu wollen. Ab kommendem Jahr soll das Schlachten und Verarbeiten von Fleisch nur noch mit Arbeitnehmern des eigenen Betriebes zulässig sein. Dafür Werkverträge zu vergeben, wäre dann tabu. Das Verbot soll auf industrielle Fleischwerke, auch von großen Handelsketten und Familienunternehmern – aber zum Beispiel nicht auf kleinere Handwerks-Schlachtereien oder Wurstbestellungen von Verbrauchern im Supermarkt zielen.
Die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gasstätten (NGG) glaubt an eine Umsetzung des geplanten Verbots von Werkverträgen in der Fleischindustrie zum nächsten Jahr. Der zeitliche Rahmen sei realistisch, sagte ein NGG-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Es sei ein Scheinargument, dass Betriebe Probleme hätten, Personal zu finden. Dieses sei ja bereits da. Die Gewerkschaft erwarte, dass die Fleischindustrie in der Einflussaufnahme auf die Politik nun keinen Erfolg mehr haben werde.
Dem Sprecher der NGG zufolge ist die Besonderheit in der Schlacht- und Zerlegeindustrie im Vergleich zu anderen Branchen mit Werkverträgen, dass derzeit selbst der Kernbereich des Geschäfts ausgelagert werde. Die Betriebe seien "administrative Hüllen", in denen nur etwa 20 Prozent der Mitarbeiter fest beschäftigt seien. Die restliche Arbeit werde mittels Werkverträgen erledigt. "Die Preise kann man dadurch ganz gut drücken und die Drecksarbeit überlässt man dann irgendwelchen dubiosen Firmen", sagte der Gewerkschaftler.
Arbeitsminister Hubertus Heil betonte: "Wir wollen die Kontrollen weiter verschärfen, noch bevor das neue Gesetz zur Arbeitssicherheit in der Fleischindustrie da ist". Er "in sehr produktiven Gesprächen mit den Ländern", sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Samstag.
Der FDP geht das Vorhaben der Regierung nicht weit genug. "Politik und Behörden müssen jetzt endlich die tatsächlichen Ursachen bekämpfen und nicht nur die Symptome", sagte der Bundestagsabgeordnete Carl-Julius Cronenberg. Pauschale Verbote von Werkverträgen würden nur zu neuen Ausweichstrategien führen.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter rief SPD und Union auf, die geplanten Einschränkungen für Werkverträge in der nächsten Woche ins Parlament zu bringen. "Die Regierung schützt bislang das Geschäftsmodell der Billigfleischproduzenten auf Kosten der Gesundheit", sagte er der "Passauer Neuen Presse" am Samstag.
Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann sagte, wenn die Löhne schon bei den offiziell registrierten Zahlen im Bereich Vollzeitbeschäftigung niedrig seien, "wie stellen sich die Bedingungen dann erst in den Grauzonen von Werkvertragskonstruktionen, Subunternehmen, Scheinselbständigen und gefälschten Stundenabrechnungen zur Umgehung des Mindestlohns dar?". In vielen Fällen handele es sich um "Ausbeutung pur", nicht nur in der Fleischindustrie, sondern auch am Bau oder in der Pflege.
(vdv/dpa)