
"Beim Fleischkauf sollte man generell darauf achten, dass nicht das Billigste auch das Beste ist", sagen Verbraucherschützer. Bild: Getty Images Europe / Sean Gallup
Deutschland
20.06.2020, 12:1820.06.2020, 12:18
Nach einem erneuten Corona-Ausbruch in einem
Schlachtbetrieb mit Werkverträgen raten Verbraucherschützer, beim
Kauf von Fleischprodukten auch die Arbeitsbedingungen kritisch zu
hinterfragen.
- "Beim Fleischkauf sollte man generell darauf achten, dass nicht das Billigste auch das Beste ist", sagte Lebensmittelexperte Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen der Deutschen Presse-Agentur. Er empfehle, weniger Fleisch zu essen und dafür mehr auszugeben.
- Wegen des neuartigen Coronavirus müssten sich Verbraucher beim Fleischkauf keine Sorgen machen, so der Experte. Bisher seien keine Fälle bekannt, bei denen das Virus von Lebensmitteln übertragen worden sei. "Ich würde deshalb nicht den Fleischverzehr skandalisieren, sondern die Arbeits- und Wohnbedingungen", sagte Burdick.
- Die Verbraucherschützer von Foodwatch sagten: "Die Masse der Corona-Infektionen in Schlachthöfen ist nur Symptom eines krankhaft auf Billig-Produktion ausgelegten Systems."
Corona-Ausbrüche in Schlachtbetrieben
Am Mittwoch war bekannt geworden, dass es unter den Mitarbeitern des
größten deutschen Schlachtbetriebs von Tönnies bei Rheda-Wiedenbrück
zu einem Ausbruch mit einer Vielzahl von Corona-Infizierten gekommen
ist. Bereits im Mai war es bei auf einem Schlachthof von Westfleisch
im Kreis Coesfeld zu einem Corona-Ausbruch gekommen.

Am 14. Mai kam es hier schon einmal zu einem Corona-Ausbruch.Bild: imago images / Chris Emil Janßen
Die Bundesregierung erklärte Ende Mai, gegen Missstände in der
Fleischbranche durchgreifen zu wollen. Ab kommendem Jahr soll das
Schlachten und Verarbeiten von Fleisch nur noch mit Arbeitnehmern des
eigenen Betriebes zulässig sein. Dafür Werkverträge zu vergeben, wäre dann tabu. Das Verbot soll auf industrielle Fleischwerke, auch von großen Handelsketten und Familienunternehmern – aber zum Beispiel nicht auf kleinere Handwerks-Schlachtereien oder Wurstbestellungen von Verbrauchern im Supermarkt zielen.
NGG will Werkveträge komplett abschaffen
Die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gasstätten (NGG) glaubt an eine
Umsetzung des geplanten Verbots von Werkverträgen in der
Fleischindustrie zum nächsten Jahr. Der zeitliche Rahmen sei
realistisch, sagte ein NGG-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Es
sei ein Scheinargument, dass Betriebe Probleme hätten, Personal zu
finden. Dieses sei ja bereits da. Die Gewerkschaft erwarte, dass die
Fleischindustrie in der Einflussaufnahme auf die Politik nun keinen
Erfolg mehr haben werde.
"Es ist ja tatsächlich eine Schande, dass es Corona brauchte, damit sich etwas ändert in der Branche"
NGG-Sprecher über das geplante Verbot
Dem Sprecher der NGG zufolge ist die Besonderheit in der Schlacht-
und Zerlegeindustrie im Vergleich zu anderen Branchen mit
Werkverträgen, dass derzeit selbst der Kernbereich des Geschäfts
ausgelagert werde. Die Betriebe seien "administrative Hüllen", in
denen nur etwa 20 Prozent der Mitarbeiter fest beschäftigt seien. Die
restliche Arbeit werde mittels Werkverträgen erledigt. "Die Preise
kann man dadurch ganz gut drücken und die Drecksarbeit überlässt man
dann irgendwelchen dubiosen Firmen", sagte der Gewerkschaftler.
Arbeitsminister Hubertus Heil betonte: "Wir wollen die Kontrollen
weiter verschärfen, noch bevor das neue Gesetz zur Arbeitssicherheit
in der Fleischindustrie da ist". Er "in sehr produktiven Gesprächen
mit den Ländern", sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk
Deutschland am Samstag.
FDP: "Müssen Ursachen bekämpfen"
Der FDP geht das Vorhaben der Regierung nicht weit genug. "Politik
und Behörden müssen jetzt endlich die tatsächlichen Ursachen
bekämpfen und nicht nur die Symptome", sagte der
Bundestagsabgeordnete Carl-Julius Cronenberg. Pauschale Verbote von
Werkverträgen würden nur zu neuen Ausweichstrategien führen.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter rief SPD und Union auf, die
geplanten Einschränkungen für Werkverträge in der nächsten Woche ins
Parlament zu bringen. "Die Regierung schützt bislang das
Geschäftsmodell der Billigfleischproduzenten auf Kosten der
Gesundheit", sagte er der "Passauer Neuen Presse" am Samstag.
Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine
Zimmermann sagte, wenn die Löhne schon bei den offiziell
registrierten Zahlen im Bereich Vollzeitbeschäftigung niedrig seien,
"wie stellen sich die Bedingungen dann erst in den Grauzonen von
Werkvertragskonstruktionen, Subunternehmen, Scheinselbständigen und
gefälschten Stundenabrechnungen zur Umgehung des Mindestlohns dar?".
In vielen Fällen handele es sich um "Ausbeutung pur", nicht nur in
der Fleischindustrie, sondern auch am Bau oder in der Pflege.
(vdv/dpa)