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Hamburger Hafen: Mehrheit sieht Risiko beim Verkauf kritischer Infrastruktur

A container ship of Chinese Cosco shipping lies in the harbor in Hamburg, Germany, Wednesday, Oct. 26, 2022. The German government agreed on a compromise to allow Chinese shipping group COSCO to take  ...
Das Bundeskabinett erlaubt Cosco, mit bis zu 24,9 Prozent in ein Containerterminal am Hamburger Hafen einzusteigen.Bild: AP / Michael Probst
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Hamburger Hafen: Große Mehrheit sieht Risiko beim Verkauf kritischer Infrastruktur

Es war ein Hin und Her: Jetzt darf sich der chinesische Konzern Cosco an einem Terminal im Hamburger Hafen beteiligen. Eine exklusive Umfrage ergab allerdings: Die Deutschen sorgen sich vor einer neuen Abhängigkeit.
26.10.2022, 17:5026.10.2022, 19:54
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Nun hat es der chinesische Konzern Cosco doch geschafft: Er darf sich an einem Containerterminal im Hamburger Hafen beteiligen. Zwar hätte man sich vonseiten des Staatskonzerns wohl einiges mehr erhofft, aber dennoch: Man hat Einfluss. Und das gar nicht mal so wenig: Mit bis zu 24,9 Prozent darf der Reedereiriese einsteigen.

Dabei gibt es große Sicherheitsbedenken – nicht nur bei den Ministerien der Ampel-Regierung. Auch die deutsche Bevölkerung sieht ein hohes Risiko. Das ergab eine exklusive Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Civey, die watson in Auftrag gegeben hatte.

A container ship of Chinese Cosco shipping lies in the harbor in Hamburg, Germany, Wednesday, Oct. 26, 2022. The German government agreed on a compromise to allow Chinese shipping group COSCO to take  ...
Der chinesische Staatskonzern Cosco gehört zu den größten Reedereien weltweit.Bild: AP / Michael Probst

Immer wieder liest und hört man heutzutage, welche Fehler die deutsche Regierung in den vergangenen Jahren bei ihrer Russland-Politik gemacht hat. Zu viele Abhängigkeiten, zu wenige Sanktionen, zu wirtschaftsgetrieben. Seit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der russischen Streitkräfte in die Ukraine, steht Deutschland vor der größten Energiekrise jeher.

Der Versuch "Wandel durch Handel" ist kläglich gescheitert – ähnlich drückte es auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Dienstag in den ARD-"Tagesthemen" aus. Das Prinzip "Wandel durch Handel" sei etwas, "auf das wir in Zukunft nicht mehr vertrauen dürfen." Und dennoch gibt Deutschland erneut einen Teil der kritischen Infrastruktur an ein autokratisch geführtes Land.

Genau davor hatten zuvor schon sechs Bundesministerien gewarnt.

Doch Kanzler Olaf Scholz (SPD) wollte diesen Deal.

Unbedingt.

Cosco musste aber auch Rückschläge einstecken: Statt des Einstiegs mit wie gewünscht 35 Prozent, genehmigt die Bundesregierung nun nur eine Beteiligung von 24,9 Prozent. Ein Versuch, die Wogen zwischen Scholz und seinem Kabinett wieder ein wenig zu glätten.

China-Deal: Deutsche haben große Sicherheitsbedenken

Die Grünen allerdings blieben bei ihrer Ablehnung: Besser wäre es gewesen, komplett auf eine Unabhängigkeit von China zu setzen, sagte Parteichefin Ricarda Lang. Das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) stellte noch einmal eindringlich klar, ein weitergehender Erwerb über den Schwellenwerte von 25 Prozent "wird untersagt".

Zu groß sind hier die Sicherheitsbedenken.

Bedenken hat auch die Bevölkerung. Und zwar nicht zu knapp.

Die Meinungsforscher von Civey stellten 5001 Menschen folgende Frage:

"Wäre der Verkauf kritischer Infrastruktur (z.B. am Hamburger Hafen) an chinesische Konzerne Ihrer Meinung nach ein Risiko für die wirtschaftliche Unabhängigkeit Deutschlands?"

Tatsächlich gaben 85 Prozent der Befragten an, dass sie in einem Verkauf die wirtschaftliche Unabhängigkeit gefährdet sehen. Davon stimmten 76 Prozent mit "ja" und 9 Prozent mit "eher ja".

Herausragende Unterschiede bei Parteipräferenzen zeichneten sich hier nicht ab. Lediglich Wähler:innen der SPD, der Linken und der AfD stehen einem Verkauf weniger skeptisch entgegen. Doch die Bedenken überwiegen trotzdem bei Weitem.

Bei Wähler:innen der Grünen und der FDP gab es die meisten Bedenken. 92 Prozent gaben an, dass der Verkauf kritischer Infrastruktur ein Sicherheitsrisiko birgt.

Einen relativ großen Unterschied stellt Civey allerdings zwischen Ost- und Westdeutschland fest. In Ostdeutschland (79 Prozent) empfinden Bürger:innen einen Verkauf der kritischen Infrastruktur weniger kritisch als im Westen des Landes (87 Prozent).

Aber sieht auch das Kanzleramt die Sorgen der Bürger:innen?

Bereits am Montag war ein möglicher Kompromiss an die Öffentlichkeit gelangt. Wie der "Spiegel" berichtet, heißt es aus Regierungskreisen, dass demnach dem chinesischen Staatskonzern Vetorechte bei strategischen Geschäfts- oder Personalentscheidungen untersagt würden. Hinzu kommt: Cosco soll keine Mitglieder der Geschäftsführung benennen dürfen.

Scholz wird kommende Woche nach China reisen. Der Bundeskanzler hatte darauf gepocht, den Deal mit dem chinesischen Staatskonzern zustande kommen zu lassen. Er betonte allerdings, dass es nicht um einen Verkauf des Hafens gehe. Grund und Boden selbst sind zu 100 Prozent im Besitz der Hansestadt Hamburg.

German Chancellor Olaf Scholz arrives for a weekly cabinet meeting at the chancellery in Berlin, Germany, Wednesday, Oct. 26, 2022. (AP Photo/Markus Schreiber)
Olaf Scholz wollte den Deal mit Cosco durchsetzen.Bild: AP / Markus Schreiber

Cosco betreibt die weltweit viertgrößte Containerreederei. Deren Schiffe laufen seit nun mehr als 40 Jahren das Terminal Tollerort am Hamburger Hafen an. Bei genau diesem Terminal will Cosco jetzt einsteigen und will es im Gegenzug zu einem bevorzugten Umschlagpunkt in Europa machen. Beteiligungen von Reedereikonzernen an Terminals sind tatsächlich übliche Praxis. Cosco als eine der größten Reedereien hält allein in Europa Beteiligungen an acht Terminals.

Mit der nun vom Kabinett beschlossenen "Teiluntersagung" wird der Erwerb auf eine reine Finanzbeteiligung reduziert, wie das Wirtschaftsministerium erläutert. Eine strategische Beteiligung werde verhindert.

Das Bundeskanzleramt lehnte eine "Volluntersagung" des Einstiegs ab; ohne eine Einigung innerhalb der Regierung wäre die Einspruchsfrist gegen das Geschäft am kommenden Montag abgelaufen und es wäre in seiner ursprünglichen Form genehmigt worden. Cosco hätte dann 35 Prozent übernehmen dürfen. Die Teiluntersagung war aus Sicht der Kritiker:innen eine Notlösung.

Ricarda Lang: "Verletzlich und verwundbar"

Grünen-Chefin Lang nannte auch die geringere Beteiligung Chinas am Terminal im NDR einen Fehler. "Es geht darum, dass wir uns wirtschaftlich abhängig machen von einem autoritären Staat wie China", sagt sie dort. "Wie verletzlich und verwundbar uns das macht, das sehen wir seit dem 24. Februar, seit diesem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine."

Auch CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte die Entscheidung des Kabinetts. "Diese Genehmigung zu erteilen, ist falsch", sagte er im ARD-"Morgenmagazin". Für ihn stünden bei dem Thema "nicht in erster Linie finanzielle Aspekte im Vordergrund, sondern politisch-strategische". Es gehe bei dem Einstieg von Cosco "um eine ganz grundsätzliche Frage unter dem Aspekt der Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik".

China sieht das erwartungsgemäß anders: Gegenüber der Nachrichtenagentur afp sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking, die Zusammenarbeit zwischen Cosco und Hamburger Hafen sei "von gegenseitigem Nutzen".

Und weiter:

"Wir hoffen, dass die maßgeblichen Beteiligten die pragmatische Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland rational betrachten und damit aufhören, sie grundlos aufzubauschen."

(Mit Material von afp)

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