Gerade in Menschenmengen kommt es vor, dass mit dem Handy unter den Rock fotografiert wird - und möglicherweise massenhaft intimste Fotos ungewollt im Internet landen. Für Betroffene ein Alptraum. Upskirting wird ab jetzt härter bestraft. Kann das das Problem lösen?
Wer mit einem Rock in einer vollen Bahn steht, der muss fürchten, dass womöglich jemand ungewollt eine Kamera darunter hält, ein Foto schießt und es verbreitet.
Solche Grenzüberschreitungen seien nicht hinnehmbar, sagt Justizministerin Christine Lambrecht. Die Fotos verletzten nicht nur die Persönlichkeitsrechte, sondern auch die sexuelle Selbstbestimmung.
Der rechtspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Johannes Fechner, sagt: "Die Opfer solcher Fotoattacken werden oft überrascht oder bekommen gar nicht mit, dass sie fotografiert wurden. Deshalb ist es nicht möglich, sich gegen das Fotografieren des Intimbereiches zu schützen und somit zu verhindern, dass intimste Bilder massenhaft im Internet verbreitet werden." Bislang wurde das Upskirting nur als Ordnungswidrigkeit mit geringen Geldbußen geahndet, was Täter kaum abgehalten habe.
Jan-Marco Luczak, der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, sagt, das heimliche Fotografieren greife leider immer mehr um sich. "Wir steuern als Gesetzgeber jetzt entschlossen dagegen." Die Übergriffe seien für die Opfer demütigend, verletzend und oft verbunden mit weitreichenden psychischen Folgen.
Vor allem in großen Menschenmengen finde Upskirting statt, sagt Nils Pickert von der feministischen Organisation Pinkstinks – in Bus und Bahn, auf Festivals, in Clubs und Bars. "Es gibt Leute, die verteilen winzige Kameras auf öffentlichen Toiletten, um damit Frauen abzufilmen." Die Fotos seien oft für den persönlichen Gebrauch – würden aber auch häufig mit Bekannten oder im Internet geteilt.
Neben dem Upskirting sei auch das sogenannte Downblousing weit verbreitet, sagt Pickert – das heimliche Fotografieren in den Ausschnitt. "Zum Beispiel, wenn ich Ihnen auf einer gegenläufigen Rolltreppe entgegenkomme, so tue, als würde ich auf meinem Handy etwas lesen, in Wahrheit aber Ihre Brust fotografiere oder filme."
Hanna Seidel freut sich über das neue Gesetz. Es sei wichtig zu zeigen, dass nicht erst bei Berührungen in die sexuelle Selbstbestimmung eingegriffen werde.
Die 29-Jährige aus Ludwigsburg bei Stuttgart hatte zusammen mit Ida Marie Sassenberg aus München mit der Petition "Verbietet Upskirting in Deutschland!" die Debatte über das Thema in Gang gebracht. Mehr als 100.000 Unterzeichner schlossen sich an.
Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und das Saarland nahmen sich des Themas an und starteten eine Gesetzesinitiative im Bundesrat. Seidel sagt, das Gesetz löse nicht gänzlich das Problem:
Das findet Pickert auch. Das Fotografieren von insbesondere Frauen im öffentlichen Raum gegen ihren Willen sei kein Kavaliersdelikt: "Es ist übergriffig, es ist eine Form von sexualisierter Gewalt und so sollte man damit auch umgehen."
Zwar sei grundsätzlich immer die Frage, ob Strafen Menschen davon abhielten, etwas zu tun. "Wir müssen leider davon ausgehen, dass es Upskirting und Downblousing immer noch geben wird." Das Gesetz aber sei richtig: Sexualisierte Gewalt müsse als Thema ernst genommen werden und genau das müsse sich auch im Strafmaß widerspiegeln, sagt Pickert.
Die Essener Rechtsanwältin Jenny Lederer sieht das Gesetz hingegen kritisch. "Es gibt keine validen Zahlen, wie häufig dieses Problem vorkommt. Deshalb hat das Gesetz aus meiner Sicht nur Symbolcharakter." Natürlich sei es unangemessen und ungehörig, heimlich fotografiert zu werden und die Gesellschaft müsse sensibilisiert werden, sagt die Fachanwältin für Strafrecht. Ein einzelnes Phänomen aber zielgerichtet als Straftatbestand auszugestalten, sei problematisch:
Lederers Meinung nach hätte es ausgereicht, Upskirting weiter als Ordnungswidrigkeit zu führen – die mit einer Geldbuße geahndet werden kann. "Es ist aus meiner Sicht der falsche Weg, darauf mit Strafrecht zu reagieren." Auch ob die härteren Strafen abschreckend wirken, sei fraglich, meint Lederer und sieht große Beweisprobleme. "Aus meiner Sicht ist das Problem nicht gelöst."
Nicht nur, wer heimlich intime Fotos von Frauen macht, wird künftig härter bestraft – ebenso, wer tote Unfallopfer fotografiert. Wer schwer verletzte Unfallopfer oder gar Tote aus reiner Sensationsgier fotografiert, verletze jeden menschlichen Anstand, sagt Ministerin Lambrecht. "Oft werden dabei auch noch Rettungskräfte behindert, die alles tun, um Leben zu retten." Bislang ist das Fotografieren von Toten nicht strafbar. "Diese Lücke schließen wir jetzt. Den Angehörigen müssen wir das zusätzliche Leid ersparen, dass Bilder ihrer verstorbenen Eltern oder Kinder auch noch verbreitet werden."
(om/dpa)