Etwas ungelenk stellt Jens Spahn sich dabei an, als er Roswithas Badewannen-Lift reinigt: Der Gesundheitsminister ist bei der Rentnerin zu Gast, um hautnah mitzuerleben, wie der Alltag eines pflegebedürftigen Menschen und der Angehörigen aussieht. Mit dabei ist das Kamerateam der RTL2-Show "Endlich Klartext!" – und Roswithas Tochter Manuela, die ihre Mutter pflegt.
Während der CDU-Politiker sie einen Tag lang bei der Pflege ihrer Mutter unterstützt, darf Manuela ihm ihre Herausforderungen als pflegende Angehörige schildern und, viel wichtiger noch, Spahn ins Kreuzverhör nehmen: Welche Baustellen herrschen in Situationen wie der von Manuela und ihrer Mutter? Wie ließe sich das Leben des größten Pflegedienstes der Nation, der pflegenden Familienmitglieder, verbessern?
Dabei zeigt sich Spahn zwar sehr nahbar: Er hört den Schilderungen Manuelas aufmerksam zu, zeigt Verständnis, gibt Fehler zu. Auf Manuelas größtes Problem weiß er jedoch offenbar keine Antwort: Wie kann der Staat dazu beitragen, dass die Frau nicht in Armut abrutscht, weil sie ihre beiden Eltern pflegt und dadurch nicht in Vollzeit arbeiten kann?
Als Moderator Abdelkarim den angeblich ahnungslosen Jens Spahn zu Beginn der Sendung in sein Auto entführt, um ihn an einen unbekannten Ort zu fahren, zeigt sich der Politiker noch entspannt: Während der Fahrt smalltalken die beiden, reden über Spahns Schuhgröße (49!) und seinen Kumpel Christian Lindner (dessen Vermieter Spahn übrigens ist, wie er verrät).
Ein bunter Haufen Gummihandschuhe soll dem Politiker einen ersten Hinweis darauf geben, wohin die Fahrt geht. Spahn witzelt noch: "Fahren wir zur Prostata-Untersuchung, oder was?" – natürlich nur, um gleich beizupflichten, er würde ja alles mitmachen.
Ganz so weit geht es dann doch nicht. An ihrem Ziel, einer Mietwohnung, angekommen, soll Spahn Manuela lediglich bei der Hausarbeit unterstützen. Die Frau pflegt schon seit Jahren ihre Mutter Roswitha, die an Rheuma und Arthrose leidet, bereits zwei Schlaganfälle hatte und bald an der Hüfte operiert werden soll.
Ein bis zwei Mal pro Woche kommt Manuela bei ihrer Mutter vorbei, um den Haushalt zu machen. An den anderen Tagen kümmert sich Manuela um ihren Vater, der in einer anderen Wohnung lebt, und geht in Teilzeit in einem Maklerbüro arbeiten. Für die körperliche Hygiene der Mutter kommt zusätzlich ein Pflegedienst vorbei.
Zum Leben erhält Roswitha Grundsicherung, dazu Pflegegeld von 316 Euro und weitere 125 Euro, die für den Pflegedienst bestimmt sind. Tochter Manuela bekommt nicht direkt Geld vom Staat für die Pflege ihrer Eltern – ihr droht dadurch, dass sie im Beruf kürzertreten muss, später selbst auf Grundsicherung angewiesen sein könnte.
Während Spahn Manuela in der Sendung unter die Arme greift, kritisiert die Frau dem Politiker gegenüber außerdem, dass die Informationen über das recht komplizierte Pflegesystem nicht einfach zugänglich seien: Weder gäbe es übersichtliche Seite, wo alle Gelder und Formulare auf einen Blick zu finden sind, noch einheitliche Beratungsstellen.
Dass mehr Klarheit ins System gebracht werden muss, damit die Pflegeangebote tatsächlich bei den Menschen ankommen, sieht Spahn ein.
Schwieriger ist es allerdings, als Manuela ihn mit ihrer finanziellen Situation konfrontiert. In Deutschland steht pflegebedürften Personen Pflegegeld zu. Das wird nicht direkt an die Pflegeperson gezahlt, sondern an die Pflegebedürftige oder den Pflegebedürftigen, der das Geld meist weiter gibt an die Pflegeperson.
Manuela plädiert allerdings speziell für ein Pflegegeld für pflegende Angehörige, das, ähnlich wie Elterngeld, für eine gewisse Zeit an die Familienmitglieder ausgezahlt werden soll. So müsste Manuela das Pflegegeld, das ihrer Mutter zusteht und von dem Dienste und Pflegehilfsmittel bezahlt werden, nicht anrühren – müsste aber trotzdem keine finanziellen Einbußen fürchten, weil sie im Job für ihre Eltern kürzer tritt.
Eine ähnliche Idee schlug kürzlich der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, vor. Um den "Leistungsdschungel" in der Pflege zu entwirren, will er Pflegegeld einerseits und ein Entlastungsbudget für Angehörige andererseits einführen.
Spahn steht dem aber skeptisch gegenüber. In der Sendung sagt er zu Manuela: So ein System müsse natürlich bezahlt werden. Wenn er sich allerdings vorstellt, seine eigene Mutter zu pflegen, wie Manuela es tut, gibt er zu: Er würde alles tun, um zu helfen – nur seinen Job würde er ungern aufgeben.
Spätestens dann müsste es beim Gesundheitsminister "Klick" machen, würde man denken: Wenn er ungern seinen Job aufgeben würde, müsste er sich doch gut vorstellen können, wie schwer es Manuela fällt, nicht in Vollzeit arbeiten zu können. Eine Antwort auf ihre Situation, die finanzielle Knappheit und die drohende Altersarmut durch fehlende Rentenbeiträge thematisiert Spahn jedoch nicht weiter.
Auch wenn der Politiker nicht die Antwort auf alle Probleme der pflegenden Angehörigen Manuela weiß: Zumindest zeigt er sich in einigen Punkten einsichtig. Er habe in der Sendung vor allem gelernt, dass es in der Pflege theoretisch viele Angebote gebe – "aber in der Praxis ist noch nicht viel angekommen", gibt er zu.
Immerhin hier hat Spahn Klartext gesprochen – und könnte nun auf Manuelas Anraten daran arbeiten, zumindest die Beratungsangebote über verschiedene Pflegemöglichkeiten auszubauen und übersichtlicher zu gestalten.
(ak)