Das Coronavirus breitet sich in Deutschland weiter aus, auch wenn die offiziellen Zahlen des Robert-Koch-Instituts in den letzten Tagen andeuten, dass die Ansteckungskurve langsam abflacht. Das bestätigt auch Christian Drosten, Chef-Virologe an der Charité Berlin, im NDR-Podcast "Coronavirus-Update".
"In den letzten zwei, drei Tagen ist die Anzahl der dazugekommenen Fälle nicht mehr gestiegen", erklärt er in der Folge von Mittwoch. Er geht davon aus, dass die Isolierungsmaßnahmen der Bundesregierung, die seit etwas mehr als einer Woche in Kraft seien und am vergangenen Sonntag nochmal verschärft wurden, erste Wirkung zeigen. "Das sehen wir in Deutschland so schnell, weil wir so viel testen."
Überhaupt seien Tests ein ganz entscheidender Faktor. Wir hätten hierzulande zum Glück eine sehr hohe Testkapazität, ist sich der Wissenschaftler sicher. "Deutschland ist weltweit ganz vorne beim Testen", betont Drosten. Der Eindruck der Öffentlichkeit sei oft, dass zu wenig getestet würde. Viele berichteten davon, dass sie nicht einmal bei der zuständigen Hotline durchgekommen seien. Er habe aber das Gefühl, dass das auch daran liege, dass sich nur die an die Öffentlichkeit wenden, die genervt seien. "Es twittert ja niemand, dass alles super geklappt hat. Aber diese Erfahrung machen sehr viele."
Der Virologe zeigt zwar durchaus Verständnis dafür, dass es vielen Menschen zu lange dauere, weil die Testergebnisse oft erst am darauffolgenden Tag verfügbar seien. Das sei aber organisatorisch mitunter nicht anders möglich, insbesondere auf dem Land, wo die Proben erst eingesammelt und dann an ein zentrales Labor geschickt würden.
Schon jetzt also lieferten die Tests Hinweise darauf, wie gut die Maßnahmen der Bundesregierung funktionieren. Das werde sich sogar noch verbessern, so Drosten – und zwar dann, wenn endlich mehr Antikörpertests durchgeführt werden könnten.
Bisher sind die meisten Tests noch PCR-Tests. Bei diesen wird nur getestet, ob eine Person zum Zeitpunkt des Testens mit dem Coronavirus infiziert ist. Bei Antikörper-Tests hingegen wird festgestellt, ob die getestete Person Antikörper gegen das Virus entwickelt hat. Dadurch ermittelt man also auch die Fälle, die bereits genesen sind oder so schwache Symptome haben, dass sie für einen PCR-Test nicht infrage kämen – einfach aufgrund mangelnder Kapazitäten.
Dass das so wichtig ist, hat einen einfachen Grund, erläutert Drosten weiter. "Was wir im Moment nicht wissen und was auch nicht aus Studien und Daten in anderen Ländern hervorgeht: die Raten der völlig unbemerkt Infizierten in der Bevölkerung." Viele tauchten bisher in keiner Statistik auf, weil sie gar keine oder nur leichte Symptome aufwiesen und sich nie zu einem Test meldeten. "Die sind aber trotzdem immun. An der Herdenimmunität sind diese still Immunisierten entscheidend beteiligt."
Anders gesagt: Durch Antikörper-Tests lässt sich noch viel besser einschätzen, ob die bisher getroffenen Maßnahmen ausreichen und ob sie zurückgefahren werden können oder noch weiter verschärft werden müssen.
Allerdings werden wir noch etwas Geduld haben müssen. Automatisierte Antikörper-Tests würden in etwa zwei bis drei Monaten in größerer Zahl zur Verfügung stehen, schätzt Drosten. Dann werde das Prozedere so ablaufen: "Der Hausarzt schickt eine Blutprobe an ein Labor, wo ein Test-Automat steht." So einer stünde im übrigen schon im Labor der Charité, und auch andere Labors hätten bereits welche. Es sei allerdings auch möglich, dass die Tests früher allgemein verfügbar sein könnten.
Abschließend warnte er noch vor bereits verfügbaren Selbsttests, mit denen man sich ebenfalls auf Antikörper testen könne. Diese seien alle noch nicht validiert. "Daher sind sie mit Vorsicht zu genießen." Man sei aber gerade dabei, solche Schnelltests wissenschaftlich zu überprüfen und stehe im Austausch mit einigen Herstellern.
(om)