Nicht nur in Deutschland steigen die Beliebtheitswerte von Angela Merkel gerade wieder steil an. Auch international erhält die Bundeskanzlerin viel Lob für ihre ruhige, sachliche Art, mit der Corona-Krise umzugehen.
Das bestätigt auch Christian Drosten. Deutschlands bekanntester Virologe erklärt in einem Interview mit dem "Guardian", sie sei extrem gut informiert. Das mache sie zu einer guten Führungspersönlichkeit.
Noch entscheidender sei allerdings etwas anderes, so Drosten weiter. "Ich denke, es kommt vor allem auf ihren Charakter an – ihre Nachdenklichkeit und ihre Fähigkeit zur Beruhigung." Sie nutze die gegenwärtige Krise nicht als politische Chance.
Zu Boris Johnson, dem britischen Premier, der sich bereits selbst mit dem Coronavirus infiziert hat, inzwischen aber genesen ist und am Montag seine Amtsgeschäfte wieder aufnahm, äußert sich Drosten hingegen nicht. Wohl aber zur Vorgehensweise des Vereinigten Königreichs gegen das Virus. "Es ist klar, dass mit den Tests etwas zu spät begonnen wurde", analysiert er. Die Einführung sei in Deutschland schneller gegangen.
Doch nach Einschätzung des Experten holen die Briten inzwischen stark auf. In einem Punkt haben sie laut seiner Meinung die Deutschen sogar bereits überholt:
Auch zur besten Vorgehensweise in Sachen Tests gibt Drosten eine Einschätzung ab. Er sei sich nicht sicher, ob es nötig sei, in allen Ländern einfach möglichst viele Menschen auf das Virus zu testen. Sogar in Deutschland, das eine riesige Testkapazität habe, liege die Positivitätsrate (also der Anteil der positiv Getesteten) nur bei acht Prozent.
Er denke daher, dass gezielte Tests am besten seien. Zum einen an Risikogruppen, wobei er zum Beispiel das Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen meint. Zum anderen wäre es wichtig auch an Patienten mit Symptomen zu testen, und zwar schon in der ersten Woche. Das betreffe vor allem ältere Patienten mit Symptomen, da diese "im Moment eher zu spät ins Krankenhaus kommen – wenn ihre Lippen bereits blau sind und sie intubiert werden müssen."
Abschließend spricht Drosten auch über seine eigene Rolle und wie seine Landsleute ihn wahrnehmen. Das Problem sei, dass viele Menschen nur sähen, dass die Intensivstationen leer seien und nicht kapierten, warum die Geschäfte geschlossen seien. Das sei das Paradoxon von wirksamen Maßnahmen gegen das Virus.
Schlaflose Nächte bereite ihm jedoch etwas anderes. Noch beunruhigender seien für ihn E-Mails, die von Leuten kämen, die sagten, dass sie drei Kinder hätten und sich Sorgen um die Zukunft machten. "Es ist nicht meine Schuld, aber die halten mich nachts wach."
(om)