Bilder, die wir normalerweise erst aus dem April kennen. Bild: imago stock&people
Deutschland
27.02.2019, 07:1027.02.2019, 07:28
Tabletten, Nasenspray, Augentropfen und
Taschentücher: Für viele Pollenallergiker fühlt sich der Februar in
diesem Jahr schon wie April oder Mai an. Zweistellige Temperaturen,
teils kräftige Sonne und kaum Regen – noch vor dem meteorologischen
Frühlingsbeginn am 1. März ist die Konzentration von Erlenpollen an
manchen Orten in Deutschland auf außergewöhnlich hohe Werte
gestiegen.
Höchster Wert seit 1985
In Berlin sei vergangene Woche an einem Tag die höchste je seit 1985 gemessene Zahl von Erlenpollen in der Luft gemessen worden, sagt der Meteorologe Thomas Dümmel von der FU Berlin. Der bisherige Rekord von 2017, der bereits ein Extremwert gewesen sei, wurde demnach noch deutlich überschritten.
Die Deutsche Stiftung Polleninformationsdienst berichtete
kürzlich in einer Vorhersage von "selten beobachteten Niveaus" bei
der Konzentration von Erlenpollen im nord- und westdeutschen
Tiefland. Die saisonalen Spitzenwerte seien dort bereits erreicht.
Als Grund wurde vermutet, dass die Kätzchen angesichts
frühlingshafter Bedingungen nahezu zeitgleich heranreiften und die
Pollen sich dann optimal verteilten.
"Für Allergiker war es nicht der Traumwinter", bilanziert der
Leiter des Allergie-Centrums an der Berliner Charité, Torsten
Zuberbier, mit Blick auf die weitgehend milde Witterung in den
meisten Regionen Deutschlands.
"Schon zu Weihnachten waren Haselpollen-Allergiker geplagt, außer vielleicht im Hochgebirge."
Der
seit etwa 20 Jahren beobachtete Trend hin zu einer immer kürzeren
wirklich pollenfreien Zeit im Winter setze sich damit fort, betont
Zuberbier. Die Intensität des Pollenflugs habe dabei zugenommen. "Man
hat das Gefühl, dass der Klimawandel bei uns angekommen ist. Pflanzen
lieben dieses Wetter." Die Bäume nutzten "Warmzeiten" zur
Fortpflanzung aus.
Experte rechnet mit baldiger Birkenblüte
Auf Hasel und Erle, bei denen in der nächsten Zeit abklingende
Werte erwartet werden, folgt der Allergikerschreck Birke: "Man kann
jetzt schon damit rechnen, dass die Birke bald mit voller Kraft
anfängt zu blühen", sagt Zuberbier. Er rechnet mit einem ein bis zwei
Wochen früheren Start der Blüte als üblich, möglicherweise Anfang
März. Dümmel hingegen geht von einem Start nicht vor Mitte, Ende März
aus – vorausgesetzt, es komme keine Kälteperiode mehr. Birken sondern
im Vergleich zu anderen Bäumen deutlich mehr Pollen auf einmal ab.
Allergiker müssen sich nicht wundern, wenn sie schon vor Beginn der Blütezeit Reaktionen bemerken:
"Selbst wenn in der Luft noch
keine Pollen gemessen werden, können Allergene in der Nähe der Bäume
vorhanden sein", sagt Zuberbier. Bei den Stoffen, auf die Allergiker
reagieren, handele es sich um kleinste, für das menschliche Auge
unsichtbare Eiweißstückchen im Pollenkorn. "Diese Teilchen können
sich auch vor dem Beginn der Blüte absondern und mit der Luft
weitergetragen werden", so der Wissenschaftler. Auch ohne tägliche
Gartenarbeit kann man dann mit Allergenen in Kontakt kommen. "Wenn
der Baum vorm Fenster steht, reicht das."
So viele Menschen haben Heuschnupfen:
Heuschnupfen betrifft nach Angaben des Polleninformationsdienstes etwa zwölf Millionen Menschen in Deutschland, laut einer Studie des Robert Koch-Instituts sind mehr als eine Million Betroffene Kinder und Jugendliche. Das RKI sieht allergische Erkrankungen als eine der häufigsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen überhaupt. Das Vorkommen habe sich zuletzt auf hohem Niveau stabilisiert.
Die Hygiene heutzutage gilt als einer der Faktoren, die das
Entstehen von Allergien begünstigen. Blütenstaub ist eigentlich
harmlos, das sensibilisierte Immunsystem von Allergikern schaltet
dennoch beim Kontakt mit den Schleimhäuten auf Abwehr: Tränende,
juckende Augen, Niesanfälle und starker Schnupfen sind mögliche
Folgen. Die Beschwerden können mit der Zeit – insbesondere wenn sie
unbehandelt bleiben – neben den oberen Atemwegen auch die unteren
Atemwege betreffen, chronisches Asthma droht.
Betroffene können akute Heuschnupfen-Symptome mit Tabletten
unterdrücken, sogenannten Antihistaminika. Manchmal verschreiben
Ärzte auch Arzneimittel mit Cortison gegen Entzündungsreaktionen.
Daneben steht außerhalb der Pollensaison die sogenannte
Hyposensibilisierung zur Verfügung, eine in der Regel länger
andauernde Therapie. Diese kann nach einiger Zeit zur Besserung der
Krankheitsanzeichen führen.
(hd/dpa)