Einerseits schwört Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Bevölkerung auf die nächste Corona-Welle ein, andererseits möchte er den Zugang zu kostenlosen Bürgertests deutlich beschränken. Nur noch Patienten mit Symptomen sollen dafür infrage kommen sowie andere ausgewählte Personengruppen wie Kleinkinder und Schwangere. Das schmeckt einigen gar nicht.
Das kostenlose Angebot an alle Bürger ist bisher nur bis Ende Juni fix. Ab dann sollen voraussichtlich nur noch Menschen mit Symptomen getestet werden, wie aus der "Corona-Herbststrategie" des Ministeriums hervorgeht. Es gibt jedoch auch Ausnahmen. So sind weiterhin kostenlose Präventivtestungen in Pflegeheimen und Krankenhäusern sowie für "Personen mit erhöhter Kontaktexposition" möglich, etwa vor Großveranstaltungen.
Auch Schwangere im ersten Trimester und Geflüchtete aus der Ukraine dürfen sich weiterhin testen lassen, ohne selbst dafür bezahlen zu müssen. Gibt es Corona-Hotspots, können Personen aus diesen Gebieten sich ebenfalls wieder kostenlos testen lassen.
Diese neue Strategie geht mit reichlich Kritik einher. Auf Twitter äußern sich zahlreiche Personen, die die Sinnhaftigkeit der Taktik bezweifeln.
So meldete sich etwas Andreas Wagner, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Heilerziehungspfleger auf Twitter. Er findet, dass Bürgertests weiterhin für alle kostenlos bleiben müssten. Als Grund nannte er den Schutz vulnerabler Personengruppen: "Um besonders gefährdete Menschen in ihrem Umfeld zu schützen und Begegnungen mit ihnen möglichst sicher zu gestalten".
Ein anderer Twitter-User warnte vor der Gefahr der Benachteiligung armutsbetroffener Menschen. Er twitterte: "Wegfall der Bürgertests oder wie ich es nenne 'wenn wir nicht hinschauen, ist es auch nicht so schlimm'. Millionen Armutsbetroffene können sich Selbsttests nicht leisten und ich sage jetzt schon voraus, dass die Preise für Selbsttests sich verdoppeln werden."
Ähnlich sieht es ein anderer User, der mit einer Prophezeiung für Aufsehen sorgt, die stark an die Geschehnisse in den vergangenen Jahren erinnert: "Wir schränken jetzt die kostenlosen Bürgertests bei steigenden Infektionszahlen ein, damit wir in ein paar Monat wieder vollkommen überrascht sein können und das ja niemand ahnen konnte."
Klar ist: Durch die Abschaffung der kostenlosen Corona-Bürgertests dürfte der Überblick über das aktuelle Infektionsgeschehen zunehmend Lücken aufweisen.
Ganz aus der Welt sind die Corona-Tests allerdings nicht. Eine gut erreichbare Test-Infrastruktur, auch in Apotheken, solle erhalten bleiben, berichtete etwa der "RND". Der Bund will den Testzentren künftig allerdings weniger Geld pro Antigen-Schnelltests und PCR-Test für die Bürger zahlen.
Grund für die neue Strategie sind wohl vor allem finanzieller Natur. "Die Gesamtkosten sollen um etwa die Hälfte reduziert werden", schrieb das Ministerium in seinem Strategiepapier.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat unterdessen seinen Plan bekräftigt, von den kostenlosen Tests für alle abzurücken. Man müsse die Bürgertests etwas einschränken, sagte der SPD-Politiker vor der Gesundheitsministerkonferenz am Mittwoch in Magdeburg.
In der Vergangenheit seien Tests abgerechnet worden, die nicht durchgeführt wurden, und es seien Tests durchgeführt worden, die nicht notwendig gewesen seien. Nötig sei eine bessere Qualitätskontrolle, betonte Lauterbach.
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministers soll das Testangebot künftig stärker auf diejenigen ausgerichtet werden, "die tatsächlich den Test brauchen". So sollten besonders diejenigen geschützt werden, die Menschen in Pflegeeinrichtungen besuchen. Außerdem sollen Tests vor großen Veranstaltungen möglich sein.
Den Ländern hielt er vor, diese wollten die Gratis-Tests zwar weiter haben, sich aber nicht an den Kosten beteiligen.
Lauterbach wolle ab September eine neue Impfstrategie fahren. Dann solle eine "angepasste Impfkampagne" durchgeführt werden, um "insbesondere in der älteren Bevölkerungsgruppe" für die vierte Impfung zu werben.
Zuletzt war aus den Ländern der Druck auf den Bund gewachsen, schnell eine Rechtsgrundlage für weitergehende Schutzvorgaben bei einer neuen Corona-Welle im Herbst zu schaffen. Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen forderten vor zweitägigen Beratungen der Gesundheitsminister ab diesem Mittwoch, noch vor der Sommerpause eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes vorzulegen. Die Infektionszahlen sind zuletzt wieder gestiegen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) wies Forderungen aus den Ländern zurück, schnell eine Rechtsgrundlage für weitergehende Corona-Beschränkungen zu schaffen. Es gebe einen "wohlüberlegten und seriösen Zeitplan" der Bundesregierung, dem sich auch alle Ministerpräsidenten auf ihrer letzten Konferenz angeschlossen hätten, sagte er dem "RND". Am 30. Juni lege der Ausschuss unabhängiger Sachverständiger seinen Bericht vor, der die Pandemie-Maßnahmen auswerte. Dem wolle man nicht vorgreifen.
(ast / mit Material von dpa)