Den "Beginn einer Epidemie" sieht Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit den neuen Coronavirus-Fällen in Deutschland gekommen. Die Bundesregierung plant inzwischen, einen Krisenstab einzurichten.
Spahn rief die Bundesländer auch auf, ihre Pandemiepläne "zu aktivieren und ihr mögliches Inkrafttreten vorzubereiten".
Deutschland sei gut vorbereitet, betont die Regierung. Wie aber sieht diese Vorbereitung aus? Welche Schritte werden jetzt unternommen? Ein Überblick.
Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, betonte am Donnerstagvormittag auf einer Pressekonferenz: Ziel sei es jetzt, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und Zeit zu gewinnen. Die Situation sei nicht außer Kontrolle.
Die Maßnahmen lauten daher weiterhin: Infizierte Personen sowie Kontaktpersonen der Patienten werden isoliert. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise stehen hunderte Menschen unter Quarantäne.
Eine neue Maßnahme stellte Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag vor: Menschen, die etwa mit dem Bus oder dem Zug nach Deutschland kämen, sollten besondere "Aussteigerkarten" ausfüllen. Damit solle gewährleistet werden, dass die Eingereisten beim Auftreten eines Corona-Falls kontaktiert werden können.
Dreh- und Angelpunkt der Krisenbewältigung derzeit sind erst einmal die 380 Gesundheitsämter. Sie schätzen die Lage vor Ort ein, informieren die Bevölkerung und ermitteln Kontaktpersonen.
Seit dem 31. Januar müssen Hausärzte und Krankenhäuser bereits Corona-Verdachtsfälle den regionalen Gesundheitsämtern melden.
Auch Krisenstäbe der Bundesregierung und in den betroffenen Bundesländern werden eingerichtet. Täglich gibt es Telefonkonferenzen – national und international. Das Robert Koch-Institut (RKI) bewertet die Situation seit vier Wochen in zwei Schichten in einem Lagezentrum.
Spahn sprach bereits von einer möglichen "nächsten Phase". Die würde dann eintreten, wenn nicht mehr alle Kontaktpersonen eines Infizierten ermittelt werden können. Eine kritische Schwelle könnte bei einer zwei- bis dreistelligen Zahl an Infizierten liegen.
Im Falle einer Pandemie übernimmt eine Koordinierungsgruppe am Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe die Abstimmung zwischen Bund und Länder.
Wie Deutschland auf einen Virusausbruch vorbereitet ist, steht im nationalen Pandemieplan sowie in den Plänen der Bundesländer, der Gemeinde und der Unternehmer.
Die Pläne wurden erstellt, als vor gut zehn Jahren H1N1, besser bekannt als Schweinegrippe, in Deutschland herumging. Die Pläne werden aber laufend aktualisiert.
In dem Falle einer Epidemie können die zuständigen Behörden verschiedene Maßnahmen treffen. Die rechtliche Grundlage dazu bietet das Infektionsschutzgesetz.
So ist es den Behörden möglich:
Wichtig: Das alles sind aber Maßnahmen, die bisher nicht notwendig sind.
Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, sah dafür am Donnerstag ausdrücklich keinen Anlass. "Italienische Verhältnisse" – in Italien wurden nach einem sprunghaften Anstieg von Infizierten Städte abgeriegelt – erwartet er nicht.
Auch Gesundheitsminister Spahn betonte: "Von der Absage von Großveranstaltungen bis hin zur Abriegelung ganzer Städte gibt es viele Zwischenstufen." Maßnahmen können also immer erst lokal und temporär getroffen werden.
Das heißt: Bevor über die Abrieglung ganze Stadtteile oder gar Städte überhaupt nachgedacht wird, werden Behörden etwa eine Schule schließen.
"In allen Kliniken gibt es sogenannte Ausbruchsmanagementpläne", sagte die Vorsitzende des Ärzteverbands Marburger Bund, Susanne Johna, zugleich Pandemiebeauftragte der Bundesärztekammer, der Deutschen Presse-Agentur. Die Abläufe bei Epidemien müssten nicht neu geregelt werden. Die Patienten würden dann so durch die Klinik geleitet, dass sie niemanden anstecken – und kämen in Einzelzimmer.
In deutschen Krankenhäusern stehen 60 Betten in Isolierstationen zur Verfügung. Das klingt nach gar nichts. Ein Sprecher der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) stellte jedoch gegenüber der dpa klar: "Ein Isolierzimmer kann jedes Zimmer im Krankenhaus sein, in dem eine gegebenenfalls vorhandene, mit anderen Zimmern verbundene Lüftung abschaltbar ist und das über eine eigene Nasszelle verfügt."
In einem sind sich alle Experten einig: Die Schwierigkeiten wachsen mit der Zahl der Fälle. Sollte die Coronavirus-Fallzahl stark ansteigen und die Kapazitäten in Krankenhäusern eng werden, würden verschiebbare Eingriffe verschoben werden, erklärte RKI-Chef Wieler. Wachse der Bedarf weiter, könnten Kliniken Patienten schon früher aus der Isolation nehmen.
Auch die Bundeswehr kann auf Hilfeersuchen ziviler Behörden bei der Bekämpfung der Epidemie tätig werden – etwa durch logistische Hilfe oder Feldlazarette. Davon aber ist Deutschland noch weit entfernt.
(ll/mit Material der dpa)