Bei einem rechtsterroristischen Anschlag im hessischen Hanau sind am späten Mittwochabend zehn Menschen getötet worden, neun von ihnen haben ausländische Wurzeln. Auch der Täter ist tot.
Alle Entwicklungen lest ihr bei uns im Newsblog.
Drei Tage nach dem Anschlag in Hanau ist in Stuttgart auf das Fenster einer Shisha-Bar geschossen worden. Wie die Polizei mitteilte, gaben Unbekannte am Samstag Schüsse auf zwei Fensterscheiben eines Gebäudekomplexes ab, in dem sich unter anderem eine Shisha-Bar befindet. Die Täter schossen demnach auf eine Scheibe im Eingangsbereich des Gebäudes und auf ein Fenster der geschlossenen Shisha-Bar. Ein Mitarbeiter der Bar entdeckte das beschädigte Fenster am Samstagmittag und alarmierte die Polizei.
Spezialisten der Kriminalpolizei, darunter auch ein Schusswaffensachverständiger des Landeskriminalamtes, sicherten Spuren, die nach Angaben der Stuttgarter Polizei nun ausgewertet werden müssen. Da das Motiv der Tat bislang völlig unklar sei, habe der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen.
In Sachsen hat derweil das zuständige LKA ebenfalls Ermittlungen aufgenommen. Dort war am Freitag hinter einem Gebäude, in dem sich ein Döner-Imbiss und eine Shisha-Bar befinden, ein Feuer ausgebrochen. Eine politisch-motivierte Straftat kann nicht ausgeschlossen werden, das polizeiliche Extremismus- und Terrorismus-Abwehrzentrum ermittelt.
Nach dem mutmaßlich rassistisch motivierten Anschlag in Hanau verliert die AfD einer Umfrage zufolge an Zustimmung. In der zweiten Wochenhälfte sinkt der Zuspruch für die AfD von 11 Prozent (Montag, Dienstag, Mittwoch) auf 9 Prozent (Donnerstag und Freitag), wie das am Samstag veröffentlichte RTL/ntv-Trendbarometer des Forsa-Instituts ergab. Die Grünen gewinnen demnach im selben Zeitraum 2 Prozentpunkte, für alle übrigen Parteien ändert sich nichts.
Nach dem Attentat von Hanau durch einen Sportschützen erwägt Bundesinnenminister Horst Seehofer eine Verschärfung des Waffenrechts. "Wenn die Ermittlungen hier ergeben, dass wir früher hätten eingreifen müssen, was den Waffenschein betrifft, dann müssen wir das ändern", sagte der CSU-Politiker der "Bild"-Zeitung.
"Wir brauchen dann ein medizinisches Gutachten oder eine ärztliche Bestätigung, dass da alles in Ordnung ist und die Verwirrung oder die Krankheit einer Person nicht zur Gefahr für die Allgemeinheit wird." Anderenfalls müsse die persönliche Eignung für eine Waffe zurückgezogen werden.
Bereits im Dezember hatte der Bundestag eine Verschärfung des Waffenrechts beschlossen und damit eine EU-Richtlinie umgesetzt. Danach soll regelmäßig überprüft werden, warum jemand eine Waffe braucht. Zudem soll es immer eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz geben, wenn die Behörden die persönliche Eignung eines Antragstellers prüfen.
Nach dem Anschlag in Hanau mit elf Toten dringen die Grünen im Bundestag auf einen schnellen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus in Deutschland. Zu den Sofortmaßnahmen sollen ein Krisenstab, ein Rassismus-Beauftragter und schärfere Waffengesetze gehören. Die FDP forderte, kleinere Verfassungsschutzämter zusammenzulegen.
Grünen-Chef Robert Habeck sagte der "Passauer Neuen Presse", die AfD solle als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz beobachtet werden. Zuvor hatte das schon SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gefordert. In mehreren deutschen Städten wandten sich auch am Freitagabend wieder Demonstranten gegen rechte Gewalt und Intoleranz. Weitere Kundgebungen sind am Wochenende geplant.
Nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau gibt es Kritik an der AfD. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil bezeichnete die AfD am Freitag in der ARD als "politischen Arm der extremen Rechten" und forderte, die Partei müsse nun endlich vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Auch von den Grünen folgte die Forderungen nach einer Beobachtung der AfD. "Der von der AfD gesäte Hass ist der ideologische Wegbereiter des rechten Terrors. Die gesamte Partei gehört vom Verfassungsschutz beobachtet", sagte Michael Kellner, der politische Bundesgeschäftsführer der Grünen, "T-Online". Bislang stuft das Bundesamt für Verfassungsschutz lediglich den "Flügel" und die "Junge Alternative" als extremistischen Verdachtsfall ein.
Die AfD selbst wehrt sich gegen die Vorwürfe. AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland etwa sagte, ähnlich wie viele seiner Kollegen: "Und von links und rechts wollen wir hier gar nicht reden."
Dabei rückt die Rolle der AfD bei der Tat in Hanau immer wieder in den Fokus. Zwar sind keine direkten Verbindungen zwischen dem Tatverdächtigen Tobias R. und der Partei bekannt.
Parallelen aber gibt es im Gedankengut von R. und den Thesen in der AfD und im Umfeld der Partei. Tobias Ginsburg, Autor und Experte für Verschwörungstheorien, sagte im Gespräch mit watson: Die "rassistischen Fieberträume des Attentäters aus Hanau" bauten auf dem auf, "was auch die Identitären glauben und mitunter von AfD-Bundestagsabgeordneten in der Öffentlichkeit diskutiert wird".
Auch Parteienforscher von der FU Berlin, Carsten Koschmieder, spricht in der ARD von einer Mitschuld der AfD: "Von einer Schuld im juristischen Sinne kann man natürlich nicht sprechen. Aber es ist natürlich schon klar, dass die AfD und was einzelne Politiker der Partei sagen, mit dazu beiträgt, dass es solche Taten gibt." Er macht dies daran fest, dass etwa AfD-Politiker wie Björn Höcke einen "großen Bevölkerungsaustausch" unterstellten, dass also die Deutschen durch Einwanderung in ihrer Existenz bedroht seien.
Vertreter der Islam-Verbände haben deutsche Politiker nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau aufgerufen, Islamfeindlichkeit klar als Problem zu benennen.
Er habe von den Politikern auch nach dem Anschlag "diese klare Haltung vermisst", sagte der Sprecher des Koordinationsrates der Muslime, Zekeriya Altug, am Freitag in Berlin. Er hätte sich gewünscht, dass bei den Gedenkveranstaltungen in Hanau deutlich benannt worden wäre, dass die Opfer Muslime waren. Es sei zwar gesagt worden, "dass man zusammenstehen möchte, aber nicht mit wem".
Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Filiz Polat, sagte: "Es ist Aufgabe der Politik, aber vor allem dieser Bundesregierung, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, in der die Einwanderungsgesellschaft als Bereicherung anerkannt wird."
Zur Frage der Sicherheit vor rassistischen Angriffen fügte Altug hinzu, zusätzliche Schutzmaßnahmen für Moscheen seien notwendig. Das bedeute aber nicht, dass künftig vor jeder Moschee ein Polizist stehen müsse. Denn antimuslimische Rassisten würden sich dann nur andere Orte aussuchen, um Muslime anzugreifen. "Die Shisha-Bars waren ja nicht willkürlich gewählt", sagte er.
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) verlangte auch vor dem Hintergrund der akuten Bedrohungssituation, dass es vor den Moscheegemeinden auch "sichtbaren Schutz" gebe, etwa durch einen Polizeiwagen, wie der Vorsitzende Aiman Mazyek sagte. Dies sei vor allem zu den wichtigsten Gebetszeiten und vor Moscheen nötig, auf die es in der Vergangenheit schon Übergriffe gegeben habe. Die Muslime seien in dieser Frage gespalten, sagte der Vorsitzende des Islamrates: "Es gibt auch viele, die sich dadurch gestört fühlen würden."
Nach dem Anschlag von Hanau wird zum Schutz der Bevölkerung in ganz Deutschland die Polizeipräsenz erhöht. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte am Freitag in Berlin an, dass "sensible Einrichtungen" wie insbesondere Moscheen verstärkt überwacht würden, zudem solle die Präsenz an Bahnhöfen, Flughäfen und im grenznahen Raum erhöht werden.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die Gewalttat von Hanau als rechtsterroristischen Terroranschlag bezeichnet. "Die Tat in Hanau ist eindeutig ein rassistisch motivierter Terroranschlag", sagte er am Freitag in Berlin. Es sei der "dritte rechtsterroristische Anschlag in wenigen Monaten".
Fußball-Nationalspieler Marco Reus hat sich nach dem mutmaßlich rechtsradikal motivierten Anschlag in Hanau mit deutlichen Worten für ein tolerantes Miteinander ausgesprochen. "Kein Tor, kein Sieg, kein Titel im Fußball bedeutet mir so viel wie eine offene und friedliche Gesellschaft", sagte der Kapitän von Borussia Dortmund dem Nachrichtenportal "t-online.de": "Ich wünsche mir eine tolerantere Welt, in der kein Platz für Rassismus, Hass und Fremdenfeindlichkeit ist."
Nach dem mutmaßlich rechtsradikalen und rassistischen Anschlag in Hanau gibt der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius der AfD eine Mitschuld an der Zunahme rechter Gewalttaten. "Natürlich gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Erstarken der AfD und der Zunahme rechter Gewalt", sagte Pistorius der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag). "Ausländischen Mitbürgern wird die Menschenwürde abgesprochen. Das ist so gefährlich, weil es manche erst dazu bringt, zur Tat zu schreiten. Hier ist eine fatale Enthemmung in Gang geraten, und die AfD trägt daran Mitschuld", so der SPD-Politiker.
Nach den rassistisch motivierten Morden von Hanau haben am Abend deutschlandweit zigtausende Menschen ihre Solidarität mit den Hinterbliebenen und Getöteten gezeigt. In Halle, wo vor vier Monaten ein Mann aus rassistischen und antisemitischen Motiven heraus einen Anschlag auf eine Synagoge unternahm, kamen 350 Menschen zu einer Mahnwache zusammen.
In der Bundeshauptstadt begann die 70. Berlinale mit einer Schweigeminute. Die Festivalleitung sprach sich zum Auftakt für Toleranz, Respekt, Offenheit und Gastfreundschaft aus. Am Brandenburger Tor bildeten Menschen eine Kette, etwa 500 Teilnehmer*innen zählte die Polizei, darunter Vertreter*innen der drei großen Religionen in Deutschland, dem Christentum, dem Judentum und dem Islam.
Im Stadtteil Neukölln fand etwa zeitgleich ein Gedenkmarsch statt, zu dem laut Polizeiangaben etwa 3.200 Menschen kamen. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie "Rechter Terror bedroht die Gesellschaft" und "Kein Bleiberecht für Nazis & Rassisten".
In München, das im Jahr 2016 Zeugin eines rechtsextremistisch-motivierten Amoklaufes war gedachten Menschen auf dem Odeonsplatz der Toten von Hanau und ihrer Angehörigen. Aus Kerzen formten sie einen Lichterkreis und schrieben "Hanau" in dessen Mitte, wie auf einem Instagram-Post von Oberbürgermeister Dieter Reiter zu sehen war.
In Hamburg versammelten sich mehrere Hundert Menschen zu einer Kundgebung auf dem Rathausmarkt. Auch sie Gedachten der Getöteten. Bischöfin Kristen Fehrs sagte laut NDR-Bericht: "Mit Abscheu schauen wir auf diesen Terrorakt, bei dem ein Mann zehn Menschen aus dem Leben gerissen hat."
In Köln wollten etwa 300 Menschen ihre Anteilnahme ausdrücken, in Leipzig waren es laut "Leipziger Internet Zeitung" um die 800.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat nach der Gewalttat in Hanau an den Zusammenhalt in der Gesellschaft appelliert. In diesen schweren Stunden sei es wichtig, ein Zeichen der Solidarität und Rücksichtnahme zu setzen, sagt Steinmeier. "Wir stehen zusammen und halten zusammen. Das ist das stärkste Mittel gegen Hass", fügt er hinzu.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat Karnevalsveranstaltungen in den Landesvertretungen in Berlin und Brüssel nach dem Anschlag im hessischen Hanau abgesagt. Das gab NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag bekannt.
Er habe angeordnet, Orte, an denen sich viele muslimische Mitbürger aufhalten, mit Polizeistreifen zu sichern, sagte Reul. "Dazu gehören während des Freitagsgebets auch die Moscheen." Er habe zudem Trauerbeflaggung für das ganze Land angeordnet und eine Schweigeminute im Innenministerium.
"Nach allem, was wir wissen, handelte der Täter aus rassistischen Motiven", sagte Reul. Gegen das Gift des Rassismus "müssen wir ein Gegengift finden", sagte Reul. "Ich glaube, es ist wichtig, dass wir trotz der tollen Tage jetzt innehalten." Es handele sich um eine der schlimmsten rechtsextremistischen Taten in der Geschichte der Bundesrepublik.
Der mutmaßliche Täter von Hanau war in einem Frankfurter Schützenverein aktiv. Er sei Mitglied im Schützenverein Diana Bergen-Enkheim gewesen, sagte Thilo von Hagen, Sprecher des Deutschen Schützenbundes (DSB), in Wiesbaden am Donnerstag. Laut dem Verein selbst war Tobias R. ein "eher ruhiger Typ", der in keiner Weise auffällig geworden sei.
Die Berliner Rabbiner Rebecca Blady und Jeremy Borovitz waren am 9. Oktober 2019 in der Synagoge von Halle, als der antisemitische, rechtsextreme Attentäter Stephan B. dort eindringen wollte. Über die Morde in Hanau sagen die beiden dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): "Wir sind untröstlich. Wir sind in Gedanken bei den Hinterbliebenen, bei den Betreibern der Shisha-Bars."
Die Nachrichten aus Hanau bringen bei ihnen schlimme Erinnerungen wieder hoch, sagen Blady und Borovitz. Nach dem Anschlag von Halle hätten sich mehrere muslimische Organisationen bei ihnen gemeldet und Unterstützung angeboten: "Jetzt werden wir auf sie zugehen. Wir müssen zusammenhalten." Die Terrortaten von Halle und Hanau zeigten eines: "Es gibt gerade so viel Hass in der Welt. Die guten, die friedlichen Menschen sind immer noch in der Überzahl. Aber das hilft nichts, wenn sie es nicht zeigen. Wir müssen endlich aufstehen gegen den Hass", sagten sie dem RND.
Die Tatwaffe kam offenbar aus einem Onlineshop. Das berichtet RND unter Berufung auf Sicherheitskreise. Es handelt sich um eine Pistole Glock 17, 9 Millimeter Luger. Derselbe Waffentyp kam 2016 bei dem rechtsextremistisch motivierten Anschlag im Münchner Olympia-Einkaufszentrum zur Verwendung.
Tobias R. soll den Angaben zufolge noch zwei weitere Waffen besessen haben. Dabei handelt es sich um eine Pistole vom Typ SIG Sauer, 9 Millimeter, sowie eine weitere Pistole des Typs Walther, ebenfalls 9 Millimeter. Die SIG Sauer-Pistole hat der Tatverdächtige 2014 zusammen mit der Tatwaffe legal im selben Online-Shop erworben. Seine charakterliche Eignung zum Führen von Waffen war erst im letzten Jahr überprüft worden. Über eine Waffenbesitzkarte verfügte der mutmaßliche Täter seit 2013.
Die Generalstaatsanwaltschaft sucht nach der Tat von Hanau nun nach Mitwissern in In- und Ausland. Das sagte Generalbundesanwalt Peter Frank am Donnerstagnachmittag auf einer kurzen Pressekonferenz. Er äußerte sich auch in Richtung eines möglichen Tatmotivs. "Der Täter hatte eine zutiefst rassistische Gesinnung", so Frank. Das hätten Auswertungen einer Videobotschaft und einer Art Manifest des mutmaßlichen Täters auf dessen Internetseite ergeben.
Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) hat nach dem mutmaßlich rassistisch motivierten Anschlag an den Zusammenhalt in der Stadt appelliert. "Wir werden alles Menschenmögliche tun, um unser gewachsenes Miteinander zu halten. Wir lassen eine Zerstörung nicht zu", sagte Kaminsky am Donnerstag vor Journalisten.Kaminsky sprach von einer "großartigen Welle der Solidarität", die die Stadt erreicht habe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe am Telefon ihre Anteilnahme ausgedrückt. "Die letzten Stunden gehören zu den bittersten Stunden, die diese Stadt in Friedenszeiten je erlebt hat", sagte Kaminsky. Die Stadt habe entschieden, die Faschingsfeiern für dieses Jahr zu beenden.
Unter den Todesopfern in Hanau sind nach einem Bericht der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu auch fünf türkische Staatsbürger. Die staatliche Nachrichtenagentur berief sich auf den türkischen Botschafter in Berlin, Ali Kemal Aydin.
Der mutmaßliche Täter schrieb offenbar einen Brief an die Bundesanwaltschaft, wie "t-online" berichtet. Der spätere Bekennerbrief soll sich in Teilen mit dem am Donnerstag aufgetauchten Schreiben decken, heißt es weiter.
Das Internationale Auschwitz Komitee hat sein Entsetzen über die Gewalttat im hessischen Hanau ausgedrückt. Auschwitz-Überlebende in aller Welt würden in den mutmaßlichen Morden eine neue Demonstration der Macht rechtsextremen Hasses sehen, "der immer alltäglicher wird und überall auftreten kann", sagte Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Komitees, am Donnerstag in Berlin. "Jeder kann Auschwitz heute in seine eigenen Hände nehmen."
Terroristische Einzeltäter seien in der "virtuellen Welt des rechten Hasses bestens vernetzt" und sähen sich von Parteien wie der AfD "getragen". Sie würden zeigen, "wie einfach es mittlerweile geworden ist, Andersdenke und Anderslebende hinzurichten". Der Staat scheine hierfür nicht gewappnet zu sein. Heubner plädierte für einen "Gipfel der demokratischen Parteien", bei dem über die veränderte Gefahrenlage gesprochen werde.
Kanzlerin Angela Merkel zeigt sich erschüttert über die Gewalttat. Auch wenn es noch keine abschließende Klarheit gebe, weise derzeit alles darauf hin, dass der Täter aus rechtsextremen, rassistischen Motiven gehandelt habe, sagt sie in Berlin. "Rassismus ist ein Gift", sagte sie, und verwies auf die NSU-Morde, den Anschlag auf Lübcke sowie das Attentat in Halle. "Und dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft und es ist Schuld an schon viel zu vielen Verbrechen."
Die vier großen Islamverbände in Deutschland haben nach der Gewalttat in Hanau mehr Engagement im Kampf gegen rechten Terror gefordert. Die Gewalt habe sich gegen Migranten als Zielgruppe gerichtet, betonte der Koordinationsrat der Muslime (KRM) am Donnerstag in Köln. Unter den Todesopfern sind nach ersten Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden viele Muslime.
Der KRM betonte, man verlange schon seit Monaten, "gegen die rechte Hetze und gegen Islamfeindlichkeit deutlich Stellung zu beziehen." Der Terror bedrohe alle. Die Politik habe das Problem rechter Gewalt unterschätzt. Alle Akteure der Gesellschaft sollten ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern rechter Angriffe setzen, mahnte der Zusammenschluss von Türkisch-Islamischer Union Ditib, Zentralrat der Muslime, Islamrat IRD und Kulturzentrenverband VIKZ. "Es ist jetzt die Zeit, zusammenzurücken und zusammenzustehen."
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich nach der Bluttat von Hanau solidarisch mit den Opfern rassistischer Gewalt erklärt. "Ich stehe an der Seite aller Menschen, die durch rassistischen Hass bedroht werden. Sie sind nicht allein", erklärte Steinmeier am Donnerstag in Berlin.
"Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland verurteilt diese Tat und jede Form von Rassismus, Hass und Gewalt", hob das Staatsoberhaupt hervor."Meine tiefe Trauer und Anteilnahme gelten den Opfern und ihren Angehörigen. Den Verletzten wünsche ich baldige Genesung", erklärte Steinmeier weiter.
Er selbst habe "mit Entsetzen" von der "terroristischen Gewalttat" erfahren. "Wir werden nicht nachlassen, für das friedliche Miteinander in unserem Land einzustehen", betonte der Bundespräsident.
Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, hat nach der Tat von Hanau einen entschlosseneren Kampf des Staates gegen den Rechtsextremismus gefordert. "Wir weisen seit Jahren auf die Gefahren hin", sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND, Donnerstag). Aber mit Programmen wie "Demokratie leben" des Bundesfamilienministeriums sei es "nicht getan", so Toprak. "Der Staat muss zeigen, dass er wehrhaft ist. Und die Polizei muss entschlossen gegen Rechtsextremisten vorgehen." Dabei führten Nachrichten, dass die Sicherheitsbehörden teilweise selbst von Rechtsextremisten infiltriert seien, immer wieder zu Verunsicherung.
Der Chef der Kurdischen Gemeinde sagte weiter: "Ich habe keine Zweifel, dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland für die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist. Aber das muss sich im Handeln des Staates jetzt auch zeigen. Ich erwarte von unserem Staat, dass er den Kampf gegen den Rechtsextremismus genauso führt wie gegen den Terror der Roten Armee Fraktion in den siebziger Jahren." Bisherigen Berichten zufolge sind die Opfer von Hanau zumindest teilweise kurdischer Abstammung.
Unter den Todesopfern von Hanau sind nach ersten Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden viele Menschen mit Migrationshintergrund. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen.
Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat den Angehörigen der Opfer von Hanau ihre Anteilnahme ausgesprochen. "Es ist erschütternd, wie viele Menschen dort sinnlos getötet wurden", erklärte sie am Donnerstag. "Wir müssen die Hintergründe der Tat gründlich aufklären und alles tun, um solche Taten in Zukunft zu verhindern."
Unter dem Video, das der mutmaßliche Täter ins Netz gestellt hat, findet sich ein Link zu seiner Homepage. Dort verrät er weitere Details aus seinem Leben. Eigenen Angaben zufolge ist er 43 Jahre alt und kommt aus Hanau. Dort sei er auch zur Schule gegangen. Nach Abitur und Zivildienst habe er eine Lehre zum Bankkaufmann gemacht und in Bayreuth BWL studiert.
Der hessische Landtag hat mit einer Schweigeminute der Opfer der tödlichen Schüsse in Hanau gedacht. Die für Donnerstag vorgesehene Landtagssitzung in Wiesbaden wurde danach abgebrochen. An allen öffentlichen Gebäuden in Hessen wurde nach Angaben von Innenminister Peter Beuth (CDU) Trauerbeflaggung angeordnet.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat wegen des Gewaltverbrechens mit vielen Toten in Hanau einen geplanten Besuch in Sachsen-Anhalt abgesagt. Sie werde an diesem Donnerstag nicht wie geplant zum Amtswechsel an der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina nach Halle fahren, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. "Die Bundeskanzlerin lässt sich fortlaufend über den Stand der Ermittlungen in Hanau unterrichten."
Der mutmaßliche Täter von Hanau hat vor dem Gewaltverbrechen eine umfangreiche Sammlung von Erklärungen und Weltanschauungs-Theorien im Internet verbreitet. In einem knapp einstündigen Video behauptet er unter anderem, Deutschland werde von einem Geheimdienst mit weitreichenden Fähigkeiten gesteuert. Außerdem äußert er sich negativ über Migranten aus arabischen Ländern und der Türkei.
Nach Informationen des ARD-Terrorismusexperten Holger Schmidt handelt es es sich bei der zweiten Leiche in der Wohnung um die Mutter des mutmaßlichen Schützen:
Nach mehreren Gewalttaten mit vielen Toten in Hanau hat der Generalbundesanwalt bereits in der Nacht die Ermittlungen wegen der besonderen Bedeutung des Falls übernommen. Das sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am Donnerstag. Nach dpa-Informationen sind Hinweise auf eine ausländerfeindliche Motivation des mutmaßlichen Täters der Grund.
Wie "Bild" berichtet, soll der mutmaßliche Schütze von Hanau aus rechtsextremen Motiven gehandelt haben. Das gehe aus dem aufgetauchten Bekennerschreiben hervor.
Nach mehreren Gewalttaten mit vielen Toten in Hanau sind nach Informationen aus Sicherheitskreisen ein Bekennerschreiben und ein Video gefunden worden. Beides werde nun ausgewertet, das Motiv sei noch unklar, hieß es am Donnerstag. Zuerst hatte die "Bild" darüber berichtet.
Die Bundesregierung hat bestürzt auf das schwere Gewaltverbrechen in Hanau mit bislang elf Toten reagiert. "Die Gedanken sind heute morgen bei den Menschen in #Hanau, in deren Mitte ein entsetzliches Verbrechen begangen wurde", schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstagmorgen auf Twitter. "Tiefe Anteilnahme gilt den betroffenen Familien, die um ihre Toten trauern", fügte er hinzu. Seibert äußerte die Hoffnung, dass die Verletzten bald wieder gesund werden.
Ein nach den tödlichen Schüssen in Hanau als tatverdächtig gesuchter Mann ist tot in seiner Wohnung aufgefunden worden. Wie das Polizeipräsidium Südosthessen am frühen Donnerstagmorgen mitteilte, entdeckten Spezialkräfte der Polizei in derselben Wohnung zudem noch eine weitere Leiche.
Die Polizei hat im Fall der tödlichen Schüsse in Hanau bislang keine Hinweise auf weitere Täter. Das teilte sie am Donnerstagmorgen über Twitter mit. Zuvor war der mutmaßliche Todesschütze nach Angaben der Ermittler tot aufgefunden worden. In der Wohnung wurde eine weitere Leiche entdeckt. Die Zahl der Menschen, die zuvor durch Schüsse an zwei Orten in Hanau starben, erhöhte sich indes von acht auf neun.
(dpa/afp/lin/om)