Ein Bus der Flughafenfeuerwehr steht auf dem Gelände vom Flughafen Hannover-Langenhagen. Das Bundesinnenministerium hat wegen der neuen Variante des Coronavirus die Bundespolizei angewiesen, Reisende aus Großbritannien und Südafrika ab sofort systematisch zu kontrollieren.Bild: dpa / Moritz Frankenberg
Deutschland
21.12.2020, 06:4421.12.2020, 13:06
Wegen der in Großbritannien entdeckten
Variante des Coronavirus schottet sich Europa zum Wochenbeginn
zunehmend vom Vereinigten Königreich ab. Zum Schutz vor der Mutation
dürfen in Deutschland seit Montag bis zunächst 31. Dezember keine aus
Großbritannien kommenden Flugzeuge mehr landen. Das hatte das
Bundesverkehrsministerium am Sonntag verfügt. Ausgenommen sind
demnach reine Frachtflüge. Weitere Beschränkungen sollen folgen.
Auch
zahlreiche andere europäische Länder hatten am Sonntag Flugverbote
oder Grenzschließungen zum Vereinigten Königreich verkündet. In der
EU fiebert man indes einem Gutachten zu einem Corona-Impfstoff am
Montag entgegen.
Neue Virus-Mutation ansteckender?
Grund für die Reisebeschränkungen ist eine kürzlich entdeckte
Mutation des Virus in Großbritannien, die nach ersten Erkenntnissen
britischer Wissenschaftler um bis zu 70 Prozent ansteckender als die
bisher bekannte Form sein soll. Premierminister Boris Johnson hatte
betont, es gebe aber keine Hinweise darauf, dass Impfstoffe gegen die
Mutation weniger effektiv seien. Die Form breitet sich vor allem in
London und Südostengland rasant aus. Für die Region ordneten die
Behörden einen Shutdown mit Ausgangs- und Reisesperren an.
Zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland und "zur Limitierung
des Eintrages und der schnellen Verbreitung der neuen Virusvarianten"
sei ein sofortiges, befristetes Verbot für Flüge aus dem Vereinigten
Königreich und Nordirland geboten, erläuterte das Verkehrsministerium
in der Verordnung. Von dort seien Virus-Mutationen gemeldet worden,
die in Deutschland noch nicht festgestellt worden seien.
Britische Reisende an Flughäfen abgefangen
Weitergehende Beschränkungen sollen noch per Rechtsverordnung
festgelegt werden, wie es in Regierungskreisen hieß.
Gesundheitsminister Jens Spahn erläuterte, an diesem Montag sei
geplant, mit einer Verordnung "den gesamten Reiseverkehr" mit
Großbritannien und Südafrika einzuschränken. Der CDU-Politiker sagte
am Sonntagabend im ARD-"Bericht aus Berlin", man nehme die Meldungen
aus Großbritannien sehr ernst. Das Land Nordrhein-Westfalen setzte
für Großbritannien und das ebenfalls von der Virusvariante betroffene
Südafrika die Quarantäne-Verordnung wieder in Kraft.
Bereits am Sonntagabend wurde die Einreise von Flugpassagieren
aus Großbritannien an mehreren deutschen Flughäfen zunächst gestoppt.
In Hannover betraf das am Abend etwa 63 Passagiere eines Flugs aus
London. Es wurden Vorbereitungen für Notübernachtungen am Flughafen
getroffen. Sie sollten sich alle PCR-Tests unterziehen. Auch in
Stuttgart mussten sich Flugreisende aus London testen lassen.
Notfalltreffen einberufen
Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft berief wegen der Mutation für
Montag ein Notfalltreffen mit Vertretern anderer Mitgliedstaaten ein.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel,
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident
Charles Michel hatten bereits am Sonntag in einem Telefonat die Lage
erörtert.
Einzelne Fälle der Mutation sind offenbar bereits in der EU
aufgetreten, etwa in Italien. Spahn erwähnte im ZDF Fälle in
Dänemark, die aber nach Angaben dänischer Behörden unter Kontrolle
seien. Der Europaabgeordnete Peter Liese sprach von nachgewiesenen
Infektionen in Belgien und den Niederlanden. "Es wird ja erst seit
Kurzem überhaupt auch diese neue Variante gezielt getestet. Man kann
nicht ausschließen, dass es schon viele Infektionen auf dem Kontinent
gibt", sagte er der "Welt". In Deutschland ist die neue Variante nach
Angaben des Berliner Charité-Virologen Christian Drosten bisher nicht
aufgetaucht.
Auch andere Länder schotten sich von Großbritannien ab: Eurotunnel geschlossen
Neben Deutschland hatten diverse Länder mit Flugstopps oder
ähnlichem gehandelt, darunter die Niederlande, Belgien oder Irland.
Auch Österreich verfügte ein Landeverbot für Flüge aus
Großbritannien. Zudem stellte die Schweiz Flugverbindungen nach
Großbritannien und Südafrika ein. Frankreich verhängte ein
Einreiseverbot für Reisende aus Großbritannien auf dem Luft-, See-
und Landweg. Deshalb wurden der wichtige britische Hafen Dover am
Ärmelkanal sowie der Eurotunnel um Mitternacht
geschlossen. Auch Argentinien, Kolumbien, Chile, Kanada und der
Golfstaat Kuwait stoppten Flüge aus Großbritannien.
Angesichts der zunehmenden Isolation seines Landes berief
Premierminister Johnson für diesen Montag ein Krisentreffen seiner
Regierung ein. Ein "steter Fluss von Fracht" aus und nach
Großbritannien müsse sichergestellt werden.
Unterdessen wird am Montag ein Gutachten der Europäischen
Arzneimittelbehörde EMA für den Corona-Impfstoff von Biontech
und dessen US-Partner Pfizer erwartet.
Die Behörde will ihre Beurteilung am Montag vorlegen - erwartet wird
grünes Licht. Formell muss dann noch die EU-Kommission zustimmen. Das
gilt als Formsache und könnte nach früheren Angaben sogar innerhalb
eines Tages erfolgen. Damit wäre noch vor Heiligabend der Weg frei
für Massen-Impfungen in allen EU-Staaten. Experten zeigten sich
zuversichtlich, dass der Impfstoff auch gegen die neue Variante
wirkt.
(hau/dpa)