Azam Jangravi ist durch die Instagram-Schenkung von Joko und Klaas bekannt geworden. Jetzt klärt sie auf dem Account "officiallyjoko" über das brutale Vorgehen des iranischen Regimes auf. bild: screenshot/youtube/joko&klaas
Interview
05.11.2022, 12:3205.11.2022, 16:01
Bisher ging es auf den Instagram-Accounts von Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf vor allem um TV-Shows und Unterhaltung. Das hat sich vor Kurzem geändert. Die beiden Moderatoren haben den gesamten Content ihrer Instagram-Kanäle "damitdasklaas" und "officiallyjoko" gelöscht – um die Reichweite zwei iranischen Aktivistinnen zu schenken.
Dabei geht es um Aufmerksamkeit. Denn Berichte von Verhaftungen und Toten gelangen nur schwer aus dem Iran: Das Regime schränkt den Internetzugang immer wieder ein – Journalist:innen können nicht frei berichten. Doch mit der Schenkung der Instagram-Accounts haben die beiden Aktivist:innen von jetzt auf gleich eine gewaltige Aufmerksamkeit in Deutschland erhalten.
Azam Jangravi führt jetzt Jokos Account weiter. Sie erklärt, was sie damit vorhat – und äußert watson gegenüber einen großen Wunsch, der mit Joko, Klaas und mit den Politikern überall auf der Welt zu tun hat.
"Ich wünschte nur, Politiker auf der ganzen Welt wären wie Joko und Klaas."
watson: Waren Sie überrascht, als Joko und Klaas Ihnen das Angebot gemacht haben, einen der Accounts zu übernehmen?
Azam Jangravi: Als ich hörte, dass sie mir ihren Account geben wollten, war ich sehr glücklich. Ehrlich gesagt, habe ich an diesem Tag vor Glück geweint. Weil ich wusste, dass ich jetzt die Stimme des iranischen Volkes einem globalen Publikum näherbringen konnte.
Ich glaube, sie stehen zu uns und helfen dem iranischen Volk. Ich wünschte nur, Politiker auf der ganzen Welt wären wie Joko und Klaas. Sie reden nicht nur, sondern handeln. Und ihre Kampagne ist eine wichtige Aktion für das iranische Volk.
Sie haben auf einen Schlag Hunderttausende Follower:innen hinzugewonnen. Denken Sie, diese bleiben bei dem plötzlichen Wechseln, was den Inhalt angeht, dabei?
In den vergangenen Tagen habe ich etwa 400.000 Follower hinzugewonnen. Aber das liegt daran, dass das Team von Joko und Klass uns immer noch unterstützt und uns hilft. Das hat es uns ermöglicht, Anhänger zu gewinnen.
"Ich weiß, dass diese Nachrichten für viele beunruhigend und schwer zu verarbeiten sind."
Die Follower:innen Ihres privaten Instagram-Kanals sind die Inhalte zum Iran gewohnt. Nutzen Sie Joko's-Instagram-Kanal anders als Ihren bisherigen?
Ich versuche jeden Tag wichtige Entwicklungen aus dem Iran zu teilen. Ich weiß, dass diese Nachrichten für viele beunruhigend und schwer zu verarbeiten sind. Aber ich bitte darum, dass die Menschen in Deutschland diese Beiträge und Botschaften miteinander teilen, damit die Stimme des iranischen Volkes auf der ganzen Welt gehört wird – insbesondere von Regierungsbeamten.
Sie haben bereits 2018 an der Seite anderer Frauen in der Gruppe der sogenannten "Frauen von der Revolutionsstraße" gegen den Kopftuchzwang im Iran protestiert. Was ist Ihr Eindruck von den heutigen Protesten?
Als ich 2018 gegen den Kopftuchzwang protestierte, gab es nicht so viel öffentliche Unterstützung, weil die Leute Angst hatten. Aber heute sehen wir, dass von Männern bis zu alten und jungen Menschen alle Frauenrechte unterstützen und gemeinsam für die Rechte aller Iraner kämpfen. Alle stehen zusammen, singen "Frau, Leben, Freiheit" – sie kämpfen auf den Straßen für den Sturz der Islamischen Republik und schreien "Tod dem Diktator".
Sie erzählten in der Sendung mit Joko und Klaas, dass Sie und Ihr Kind aus Angst vor einer Inhaftierung aus dem Iran fliehen mussten. Befürchten Sie Konsequenzen für Ihre Familie aufgrund Ihres Aktivismus?
Ja. Sie haben meine Familie immer unter Druck gesetzt. Aber wir wissen, warum sie das tun. Sie wollen mich zum Schweigen bringen. Aber wie der Rest der Menschen im Iran heute, habe ich keine Angst und es gibt nichts mehr zu verlieren. Ich möchte die Stimme der unterdrückten Völker meines Landes sein. Ich möchte die Stimme der Frauen sein, die seit Jahren unterdrückt werden und in diesem faschistischen System keine Rechte haben. Ich möchte die Stimme von Frauen sein, die wie ich kein Sorgerecht für ihre Kinder haben. Und ich will die Stimme der Studenten sein, die – obwohl sie zu den klügsten der Welt gehören – wegen des korrupten Systems der Islamischen Republik keine Jobs haben.
Wovor genau haben Sie Angst, wenn Sie Ihre Kritik am Regime öffentlich äußern?
In diesen Tagen machen wir uns alle Sorgen um all die Menschen, die auf den Straßen kämpfen. Jeden Tag hören wir Nachrichten von der Verhaftung unserer Freunde und dem Tod von Menschen, die uns am Herzen liegen. Wir alle stehen unter starkem Stress und Druck und ich persönlich kann seit über einem Monat nicht mehr gut schlafen und habe jede Nacht Albträume. Aber wenn ich sehe, dass dieser Kampf weitergeht und dass das iranische Volk standhaft gegen die Islamische Republik bleibt, blicke ich zuversichtlich in die Zukunft und dass wir eines Tages den Iran befreien und die Islamische Republik stürzen werden.
Azam Jangravi betreibt seit Ende Oktober den Instagram-Kanal von Joko Winterscheidt.bild: privat / Azam Jangravi
Was würden Sie gern der internationalen Politik mit auf den Weg geben?
An dieser Stelle ist es notwendig, dass der UN-Menschenrechtsrat aktiv wird. Wir müssen schnell eine Sondersitzung des Rates zum Iran erwirken. Eine UN-Untersuchung muss den Misshandlungen von Frauen und Demonstranten im Iran nachgehen. Das deutsche Außenministerium hat bereits gesagt, dass es diesbezüglich die Führung übernehmen wird, aber bisher haben wir diesbezüglich keine Maßnahmen gesehen. Wir hoffen, dass sie schnell handeln. Wir dürfen die Gelegenheit nicht verpassen, die Islamischen Republik für ihre Handlungen zur Rechenschaft zu ziehen.
Anfang des Jahres führte Günther Felßner noch als Vorsitzender des Bayerischen Bauernverbands die Proteste der Landwirte gegen die Ampel-Regierung in Berlin an. Mit gelber Warnweste stand er an der Spitze von Traktor-Kolonnen und protestierte unter anderem gegen die Politik von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne).