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Deutschland
Stundenlang ringen Union und SPD um einen großen Plan, damit Deutschland die Klimaziele 2030 doch noch einhält. Nun ist ein Paket geschnürt – und die Kritiker reagieren prompt.
20.09.2019, 17:5821.09.2019, 10:58
Für mehr Klimaschutz in Deutschland kommen auf Bürger
und Unternehmen weitreichende Änderungen zu. Die Spitzen der großen
Koalition einigten sich in einer knapp 19-stündigen Sitzung am
Freitag in Berlin auf ein Maßnahmenpaket, mit dem die Bundesrepublik
ihre verbindlichen Klimaschutz-Ziele für 2030 schaffen soll.
Als
zentrales Element soll klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) einen
Preis bekommen und Benzin und Diesel, Heizöl und Erdgas verteuern – es ist aber ein Einstieg auf einem moderaten Niveau geplant. Im
Gegenzug soll eine Reihe von Entlastungen und Anreizen kommen.
Das schwarz-rote Klimaschutzpaket soll ein Gesamtvolumen von mehr als
50 Milliarden Euro haben. Zur Finanzierung soll es weder neue
Schulden noch eine zeitweise diskutierte Klimaanleihe geben, wie es
am Freitag aus Koalitionskreisen hieß. Auch die "Süddeutsche Zeitung"
berichtete über diese Details. Nach der Verständigung der Spitzen von
Union und SPD beriet das Klimakabinett der Regierung über "Eckpunkte
für das Klimaschutzprogramm 2030".
Ein Überblick über wichtige Elemente
Tanken und Heizen wird teurer
Ein CO2-Preis in den Bereichen Verkehr und Wärme soll klimafreundlichen Antrieben und Heizungen einen Schub zu geben. Die CO2-Bepreisung von Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas soll 2021 mit einem Festpreis für Verschmutzungsrechte von 10 Euro pro Tonne CO2 starten. Bis 2025 soll der Preis schrittweise auf 35 Euro steigen.
Erst danach soll der Preis der Verschmutzungsrechte sich über einen
Handel bilden und innerhalb eines Korridors von Angebot und Nachfrage
bestimmt werden. Mit diesen Verschmutzungsrechten müssen nicht die
Endkunden handeln, sondern Unternehmen, die fossile Heiz- und
Kraftstoffe in Verkehr bringen oder liefern. Sie bewirken aber, dass
es an der Tankstelle und beim Heizen teurer wird.
Und zwar um so viel:
Die Preise von Heizöl, Sprit und Erdgas hängen von vielen Faktoren
ab, der CO2-Preis soll ein Bestandteil des Endpreises werden.
Experten gehen davon aus, dass ein CO2-Preis von 35 Euro pro Tonne
zum Beispiel Diesel beim Tanken um mehr als 9 Cent verteuert. Für das
erste Jahr des Handels mit Zertifikaten – also 2026 – soll eine
Preis-Untergrenze von 35 Euro pro Tonne festgelegt werden und eine
Obergrenze von 60 Euro. Das soll verhindern, dass es für die
Verbraucher zu teuer wird.
Dafür wird das Bahnfahren billiger
Im Gegenzug für den CO2-Preis, der dem Staat Milliarden
Mehreinnahmen bringt, soll unter anderem die Pendlerpauschale
steigen. Pro Entfernungskilometer sollen demnach 35 statt 30 Cent von
der Steuer abgesetzt werden können – aber erst ab dem 21. Kilometer
und befristet bis Ende 2026.
Die Koalition will zudem Bahnfahren billiger und Flüge teurer machen.
So soll die Mehrwertsteuer auf Bahntickets im Fernverkehr von derzeit
19 auf 7 Prozent sinken. Im Gegenzug soll die Luftverkehrsteuer für
Starts von deutschen Flughäfen zum 1. Januar 2020 angehoben werden.
Details, welche Strecken dies betrifft, wurden vorerst nicht genannt.
Um die schwache Nachfrage nach Elektro-Autos zu erhöhen, soll die von
Bund und Herstellern getragene Kaufprämie erhöht werden - für Autos
mit einem Preis von unter 40.000 Euro. Die Kfz-Steuer soll stärker
als bisher an den CO2-Emissionen ausgerichtet werden.
Ölheizungen soll es nicht mehr geben ...
Wer eine alte Ölheizung gegen ein klimafreundlicheres Modell
auswechselt, soll mit einer "Austauschprämie" von bis zu 40 Prozent
der Kosten gefördert werden. Der Einbau neuer Ölheizungen soll ab
2026 verboten sein – "in Gebäuden, in denen eine klimafreundlichere
Wärmeerzeugung möglich ist". Für die energiesparende Gebäudesanierung
ist eine steuerliche Förderung geplant.
... und der Ökostrom-Ausbau beschleunigt werden
Im Gegenzug zu einem CO2-Preis im Verkehr und bei Gebäuden
soll auch die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms ab 2021 gesenkt
werden. Der Ausbau des Ökostroms soll beschleunigt werden. Derzeit
stockt vor allem der Ausbau der Windkraft an Land, weil es lange
Genehmigungsverfahren und viele Klagen gibt.
Um die Akzeptanz für
neue Windräder zu erhöhen, sollen Kommunen künftig eine finanzielle
Beteiligung am Betrieb von Anlagen erhalten. Beim Ausbau von
Photovoltaik soll eine bisherige Förder-Begrenzung aufgehoben werden.
"Das ist ein Skandal"
Wer sich jetzt denkt, ein paar Cent mehr für Sprit, keine billigeren Bahntickets im Nahverkehr (wo man sie genauso bräuchte, wollte man die Menschen von der Straße auf die Schiene bringen) und vage Absichtserklärungen beim Ausbau von Windkraft, ist jetzt nicht so prall – der steht nicht alleine da. Kaum ist das Maßnahmenpaket verabschiedet, da regt sich schon Kritik.
Die "Fridays for Future"-Aktivistin Luisa Neubauer etwa twitterte am Freitag: "So wird Paris scheitern. Das ist heute kein Durchbruch, das ist ein Skandal."
Ricarda Lang, Bundessprecherin der Grünen Jugend, fand, es fühle sich "absurd an, gleichzeitig die neuesten Infos zum #Klimastreik und zu den Ergebnissen des #Klimakabinett zu lesen".
"Diese Bundesregierung hat überhaupt nicht verstanden, was gerade um sie herum passiert."
Die FDP kritisierte das Klimapaket als ziel- und mutlos. "Hier und
dort wird mit viel Geld an Stellschrauben gedreht. Es fehlt
allerdings eine große Vision für einen wirksamen Klimaschutz", sagte
der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion,
Daniel Föst. Die Linke nannte die Maßnahmen "unsozial und
ineffektiv".
Es würden vor allem kleine und mittlere Einkommen
belastet, erklärten die Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und
Dietmar Bartsch: "Dieser weitgehend ineffektive Flickenteppich an
Maßnahmen wird dem Klimawandel nicht ansatzweise gerecht."
(pcl/ mit dpa)