In den Niederlanden gefasst: Reemtsma-Entführer Thomas Drach, hier vor Gericht 2011.Bild: dpa / Christian Charisius
Deutschland
23.02.2021, 18:4523.02.2021, 20:30
Er war einer der bekanntesten Verbrecher Deutschlands – und soll als
solcher rückfällig geworden sein: Reemtsma-Entführer Thomas Drach
wird vorgeworfen, an drei spektakulären Geldtransporter-Überfällen
beteiligt gewesen zu sein.
Drach ergab sich widerstandslos – Polizei sucht zwei Komplizen
Ein kriminelles Genie, ein "Mastermind"
nannten Medien Thomas Drach immer wieder. Die Polizei war nun
allerdings schlauer. Die Ermittler hatten den verurteilten
Reemtsma-Entführer nach dpa-Informationen bereits seit langer Zeit im
Visier – und verhafteten den heute 60-Jährigen am Dienstagmorgen in
Amsterdam. Er soll an drei spektakulären Raubüberfällen auf
Geldtransporter in Köln und Frankfurt am Main beteiligt gewesen sein.
Drach habe sich widerstandslos festnehmen lassen und sitze nun in
Auslieferungshaft, meldete der "Spiegel" am Dienstag. Laut der
"Bild"-Zeitung, die Drachs Namen zuerst enthüllt hatte, sucht die
Polizei noch nach zwei Komplizen. Für Drach ist es nach acht Jahren
eine Rückkehr hinter Gitter. Sollte er schuldig gesprochen werden,
wird er dort vermutlich den Rest seines Lebens verbringen. Er
schrammte nach der Entführung des Millionenerben Jan Philipp Reemtsma
und einer späteren Erpressung seines Bruders aus dem Knast heraus
bereits kurz an der Sicherungsverwahrung vorbei.
Drach wurde 2019 bei Überfall gefilmt
Thomas Drach, gebürtig aus Erftstadt, brachte die Fahnder bei einem
Überfall am nahen Flughafen Köln/Bonn auf seine Spur. Am 6. März 2019
soll er dort mit Komplizen einen Geldtransporter überfallen haben.
Ein Augenzeuge filmte den offensichtlich höchst professionell
vorbereiteten Coup.
Den ersten Fluchtwagen fackelten die Täter samt der Tatwaffe – einer
"Kalaschnikow" – ab. Den zweiten entdeckte die Polizei auf
Videoaufnahmen. Nach den "daraufhin geführten sehr aufwendigen, zum
Teil verdeckt geführten Ermittlungen" sei es den Kölner Fahndern
gelungen, die Spur des Wagens bis in die Niederlande zu verfolgen, so
die Staatsanwaltschaft am Dienstag. Der Wagen sei inzwischen
sichergestellt.
Neben dem Raubzug am Airport rechnen die Ermittler Drach auch einen
früheren, ähnlichen Überfall am Ikea-Möbelhaus in Köln-Godorf (24.
März 2018) und einen späteren an einem Frankfurter Ikea (9. November
2019) zu. Die Höhe der Beute ist unklar. Dass Drach nun als
Krimineller rückfällig geworden sein soll, würde dafür sprechen, dass
von der Beute aus der Reemtsma-Entführung tatsächlich nichts mehr da
ist.
Die Entfürhung von Jan Philipp Reemtsma
Im März 1996 hatten Drach und seine Komplizen den Hamburger
Soziologen und Erben der Tabak-Dynastie, Jan Philipp Reemtsma,
entführt und nach 33 Tagen wieder freigelassen. Gegen 15 Millionen
D-Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken Lösegeld. Zwei Jahre
später wurde Drach in Buenos Aires (Argentinien) gefasst und Ende
2000 in Hamburg zu vierzehneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
Zum Verbleib des Lösegelds hatte Drach stets geschwiegen
beziehungsweise seinen Bruder reingezogen – der Millionen versenkt
habe. Staatliche und private Ermittler im Auftrag Reemtsmas sicherten
noch Reste des Lösegelds. Als Drach im Herbst 2013 frei kam, bot er
sich für Interviews an – gegen Geld. Direkt nach seiner Freilassung
setzte er sich ins Ausland ab. Die Staatsanwaltschaft teilte am
Dienstag zu dem 60-Jährigen – den Namen Drach bestätigten die
Behörden nicht – lediglich mit, dass er aus dem Rheinland stamme und
in Deutschland keinen festen Wohnsitz habe.
Das dürfte sich in den kommenden Tagen ändern. Die Adresse wird dann
die einer deutschen JVA sein. Drach wird am Mittwoch in Amsterdam dem
Haftrichter vorgeführt, so ein Sprecher der dortigen
Staatsanwaltschaft gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Die Kölner
Staatsanwaltschaft hat einen Antrag auf Auslieferung gestellt. Nach
einem schnellen Verfahren könnte das nach Angaben des Justizsprechers
in den Niederlanden innerhalb von zehn Tagen der Fall sein.
(vdv/dpa)