
Zwei Polizeiautos stehen in der Einfahrt zu einer Kleingartenkolonie. Eine Laube in der Kolonie ist einer der Tatorte des vermutlichen Haupttäters im Missbrauchsfallin Münster.Bild: dpa / Marcel Kusch
Deutschland
Nach der Aufdeckung eines Pädophilen-Netzwerks in
Münster werden nach Überzeugung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in
den kommenden Monaten weitere Fälle folgen. Dass in
Nordrhein-Westfalen "immer mehr Missbrauchsfälle bekannt werden",
habe viel damit zu tun, dass die Ermittlungskapazitäten in dem
Bereich erhöht worden seien, sagte der stellvertretende
GdP-Landesvorsitzende Michael Maatz.
Er ergänzte:
"Deshalb müssen wir damit rechnen, dass in den nächsten Monaten weitere Gruppen von Kinderschändern auffliegen werden, zum Teil in Dimensionen, die sich bislang niemand vorstellen kann."
NRW wurde mehrfach von Fällen von Kindesmissbrauch erschüttert
Auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sah sich
bestätigt. Nach dem Missbrauchsfall von Lügde sei bei der Polizei das
Personal zur Verfolgung von Kindesmissbrauch vervierfacht und die
technische Ausrüstung verbessert worden, sagte Reul am Sonntagabend
in der WDR-Sendung "Westpol". "Und seitdem decken wir einen Fall nach
dem anderen auf, genau das wollte ich." Jeder weitere Fall, der
entdeckt werde, zeige, dass die Polizei gut arbeite.
In Nordrhein-Westfalen haben die Ermittler in Münster ein
Pädophilen-Netz entdeckt und bundesweit elf Verdächtige festgenommen.
Sieben der Beschuldigten sitzen in Untersuchungshaft. Darunter ist
auch die Mutter des Hauptbeschuldigten, die als Erzieherin in einem
Kindergarten gearbeitet hat. Ihre Gartenlaube in Münster gilt als
Haupttatort. Die Opfer waren drei Jungen im Alter von fünf, zehn und
zwölf Jahren.
Nordrhein-Westfalen war zuletzt mehrmals von schweren Fällen
sexuellen Kindesmissbrauchs erschüttert worden. So hatten mehrere
Männer auf einem Campingplatz in Lügde über 30 Kinder jahrelang
vergewaltigt. Seit Monaten ermitteln Beamte zudem in einem
bundesweiten Missbrauchskomplex, der in Bergisch Gladbach seinen
Anfang nahm.
Polizei und Politik drängen auf Vorratsdatenspeicherung
GdP-Landesvize Maatz kritisierte, dass die Ermittlungsarbeit durch
Datenschutz-Regeln behindert werde. Es könne Jahre dauern, bis das
Beweismaterial gesammelt sei. Dann seien aber die Verbindungsdaten
längst gelöscht und die Computer-Adressen ließen sich kaum noch den
weltweit agierenden Tätern zuordnen. "Wenn wir verhindern wollen,
dass die Verbreitung von Kinderpornografie über das Internet
straffrei bleibt, müssen wir die Telekommunikationsunternehmen
verpflichten, die Verbindungsdaten ihrer Kunden wieder zu speichern
und den Ermittlungsbehörden zur Verfügung zu stellen."
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Mathias
Middelberg (CDU), sagte laut einem "Bild"-Bericht, die
Vorratsdatenspeicherung könne die Verfolgung von Spuren deutlich
erleichtern. "Datenschutz darf nicht zum Täterschutz
werden!" Auch andere Innenpolitiker der Großen Koalition forderten
"Bild" zufolge Verschärfungen bei Verfolgung und Prävention.
"Es kann nicht sein, dass nie jemand etwas bemerkt haben will"
Nach Ansicht der Kinderschutzorganisation Innocence in Danger haben
digitale Medien und Internet die Dimension von Missbrauch "gigantisch
verschlimmert". "Es macht es einfacher für die Täter sich zu
organisieren und Missbrauchsdarstellungen auszutauschen", sagte Julia
von Weiler, die Geschäftsführerin der Bewegung gegen
Kindesmissbrauch, der Deutschen Presse-Agentur. Im Missbrauchsfall
von Münster hatten die Ermittler eine sehr große Menge an Daten
vorgefunden, die noch lange nicht entschlüsselt sind.
Der Bundesbeauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs,
Johannes-Wilhelm Rörig, mahnte mehr Wachsamkeit an. "Die betroffenen
Kinder haben ein soziales Umfeld. Sie haben Nachbarn, gehen in Kitas,
Schulen oder Sportvereine. Es kann nicht sein, dass nie jemand etwas
bemerkt haben will", sagte Rörig der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Neben wirksamen Strafverfolgungsinstrumenten brauche es dringend mehr
Anstrengungen "bei Prävention und der breiten Sensibilisierung und
Aufklärung unserer Gesellschaft".
(ll/dpa)