Dieses Kino in Berlin hat, wie alle Kultureinrichtungen in Deutschland zurzeit geschlossen. Der Lockdown wird für viele Betreiber zunehmend existenzbedrohend.Bild: IMAGO / IPON
Deutschland
Weiter sind Theater, Museen und Galerien geschlossen. Was bleibt, ist der Spaziergang. Wer dabei trotz Lockdown Kunst betrachten will, kann das mancherorts inzwischen in Schaufenstern tun.
Eigentlich sind sie dafür da, um
Menschen zum Geldausgeben zu bewegen. Um Waren auszustellen, von
denen Spaziergänger vorher vielleicht nicht mal wussten, dass sie sie
brauchen. Doch Schaufenster bringen den Händlern wenig, wenn wegen
der Pandemie die Läden geschlossen sind. Was also tun mit all den
leeren Glaskästen?
Mancherorts haben sich Theater, Galerien und Künstler zusammengetan,
um Passanten darin einmal ganz andere Dinge zu präsentieren als
Konsumgut. Denn auch die Kulturorte sind weiterhin zu. In München,
Cottbus oder Berlin geben die Schaufenster von Buchläden, Kaffeeröstereien oder einem Einkaufscenter den Blick frei auf Kunst.
München
Die Münchener Kammerspiele bieten seit Anfang Februar den Habibi
Kiosk, einen umgebauten Kassenraum mit großen Fenstern an der noblen
Maximilianstraße. Dort könnten sich alle einfinden, "die auf der
Suche sind, nach Wahrheit, Schönheit, Glück und Unglück – mit aber
auch ohne Maserati unter'm Arsch", hatte das Theater zum Start der
neuen Intendantin Barbara Mundel im Herbst angekündigt. Das mit dem
Einfinden klappt momentan nicht. Dafür bietet der Kiosk Einblicke von
der Straße aus – etwa bis zum 26. März mit der Ausstellung "Through a
Window" der syrischen Künstlerin Sulafa Hijazi. Ihre digitalen
Kunstwerke verändern sich, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man
sie durch die Fenster betrachtet. Und hin und wieder tummeln sich im
Kiosk Menschen, so bei "Dr. Bergs Ferndiagnosen" mit Fabian Moraw
oder der "Habibi Keks Radioshow", alles auch im Internet zu sehen.
Cottbus
Eine Ausstellung im Freien, ohne Gedränge und mitten in der Stadt:
Das war in den vergangenen Wochen in Cottbus möglich. "Die Kunst
zieht um die Häuser", hieß eine Aktion des Brandenburgischen
Landesmuseums (BLMK). In sieben Schaufenstern waren dreizehn Gemälde
und eine Bronzeplastik von Künstlerinnen und Künstlern aus der
Sammlung des Museums zu sehen, darunter in einem Buchladen, der
Kaffeerösterei, bei einem Optiker und in einem großen Einkaufscenter.
Die Idee, in der
Corona-Pandemie Schaufenster in der Innenstadt von Cottbus als
Galerie zu nutzen, hat nach Angaben des Kunsthauses sehr viel Anklang
gefunden. Neben dem Stammpublikum des Museums hätten auch zahlreiche
Cottbuser das analoge Kunst-Angebot interessiert aufgenommen. Große
Resonanz gab es Museumsdirektorin Ulrike Kremeier zufolge auch von
Familien mit Kindern, die die Einladung zum Stadtspaziergang mit
Kunstgenuss als willkommene Abwechslung nutzten.
Berlin
Die Museen, Theater und Konzerthäuser sind auch in Berlin dicht. In
der Hauptstadt ist es in diesen Zeiten ungewöhnlich leer. Aber
zumindest hinter mancher Glasscheibe tut sich etwas. In einem
Berliner Kaffeehaus zum Beispiel konnte man einem Maler durchs
Fenster bei der Arbeit zusehen.
Auch die Violinistin Johanna
Staemmler organisiert nun sogenannte "Window Concerts".
Die Musikerin tritt hinter der Fensterscheibe einer Galerie auf – und
will damit ein Hoffnungszeichen setzen. "Wir haben in unserem Umfeld
gemerkt, dass der Hunger nach Kultur immer größer wird", sagte sie
der Deutschen Presse-Agentur. Sie vermisst den Kontakt zum Publikum.
Livestreams seien auch toll, aber es fehle der Austausch.
Über eine Anlage wird die Musik also nach draußen übertragen. Die
Menschen können stehenbleiben. Der Bürgersteig sei ausreichend breit
und die Musikstücke seien kurz, sagte Staemmler. Normalerweise
passiert in Berlin so viel, dass man sich kaum entscheiden kann: In
welche Ausstellung gehe ich zuerst? Welches Theaterstück interessiert
mich mehr? Freizeitstress. In der Pandemie fallen plötzlich die
kleinen Dinge auf. Ein Musiker, der sich mit Gitarre in den Park
stellt – und Lieder von Sting singt. Oder eben ein Schaufenster,
hinter dem (mal wieder) etwas passiert.
(vdv/dpa)