Die Studie hat gezeigt: Verbringen Paare mehr Zeit miteinander, führt das zu häufigerem Sex.Bild: IMAGO / Panthermedia
Deutschland
05.02.2021, 12:1605.02.2021, 12:22
Wenn draußen die Pandemie
tobt, wenn das Zuhause zum Büro wird, die Jogginghose zur ständigen
Begleiterin und Paare sich nicht mehr aus dem Weg gehen können – was
macht das mit ihrem Sexleben? Sexualforscher haben sich mit den
Auswirkungen der Coronakrise auf das Liebesleben von Paaren in
Deutschland befasst – und kommen zu überraschenden Ergebnissen.
Denn die Corona-Krise ist nach Ansicht dieser Beziehungsexperten
gar keine schlechte Zeit für Sex in der Partnerschaft – ganz im
Gegenteil. "Grundsätzlich ist es so, dass in dieser Lockdown-Zeit
mehr miteinander geschlafen wird", sagt der Berliner Psychotherapeut
Wolfgang Krüger, der ein Buch zum Thema "Die erfüllte Sexualität"
geschrieben hat, der Deutschen Presse-Agentur.
"Wir rechnen damit, dass die Sexualität bei über 50 Prozent der Paare besser wird."
Wolfgang Krüger
Zum Beleg verweist er auch auf das Kaufverhalten der Deutschen:
"Es gibt zwei Dinge, die in dieser Lockdown-Zeit besonders begehrt
sind. Das eine ist Toilettenpapier und das andere sind Präservative",
sagt Krüger – "und witzigerweise auch Sexspielzeug".
Erotik-Versandhandel spürt in der Pandemie Anstieg an Bestellungen
Das bestätigt auch der Erotik-Versandhandel: "In den Zeiten der
Isolation und der räumlichen Trennung haben wir bei Amorelie in der
Tat einen Anstieg der Bestellungen verzeichnet", sagt eine Sprecherin
des Unternehmens. "Im zweiten Lockdown noch stärker als im ersten."
Im November und Dezember 2020 seien 170 Prozent mehr Produkte
verkauft worden als noch im April und Mai.
Es sei also durchaus Interesse vorhanden, "die Sexualität etwas
aufregender zu gestalten", sagt Krüger. "In Krisenzeiten ist immer
eine Intensivierung von Liebesbeziehungen zu beobachten". Denn Liebe
und Sexualität seien Möglichkeiten, ein Gefühl von Sicherheit zu
bekommen. "Auch in Kriegszeiten steigt immer der Wunsch nach
Sexualität."
Paare verbringen im Lockdown mehr Zeit zusammen und haben häufiger Sex
Eine ähnliche Tendenz – wenn auch in geringeren Zahlen – belegen
zwei noch unveröffentlichten Studien des Hamburger
Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) und der Hochschule Merseburg,
deren erste Ergebnisse der Deutschen Presse-Agentur vorliegen.
"Die Grundannahme, dass immer gesagt wird, die partnerschaftliche Situation müsse grundlegend schlechter werden im Lockdown hat sich nicht bewahrheitet."
Heinz-Jürgen Voß
In der Umfrage aus Merseburg gaben nach Angaben von Studienleiter
Heinz-Jürgen Voß, Professor für Sexualwissenschaft und Sexuelle
Bildung, 72 Prozent der befragten Männer in einer Partnerschaft an,
ihre partnerschaftliche Situation habe sich durch Corona nicht
verschlechtert, für 16 Prozent war sie sogar besser geworden. Nur
zwölf Prozent hielten die Situation für schlechter als vor dem
Lockdown. Von den Frauen in einer Partnerschaft nahmen sogar 30
Prozent eine Verbesserung wahr, für 58 Prozent war die
partnerschaftliche Situation unverändert, für zwölf Prozent
schlechter.
Eine bessere Einschätzung der Partnerschaft bedeute in der Regel
bei den Befragten auch mehr Sex, sagt Voß der dpa. "Frauen, die eine
verbesserte Situation in der partnerschaftlichen Situation unter
Corona nennen, hatten im Durchschnitt häufiger Sex als diejenigen,
die die Situation als verschlechtert charakterisieren." In Zahlen
bedeute das 6.5 Mal statt 4 Mal in vier Wochen.
Voß kommt darum zu dem Ergebnis: "Die Grundannahme, dass immer
gesagt wird, die partnerschaftliche Situation müsse grundlegend
schlechter werden im Lockdown hat sich nicht bewahrheitet."
Allerdings gebe es durchaus Unterschiede. Vor allem dann, wenn
Partnerschaften schon vorher belastet waren, werde es im Lockdown
schwieriger. Auch die finanzielle und räumliche Situation spiele eine
Rolle – und die Bildung. Tendenziell seien gut gebildete Menschen im
Lockdown mit ihrer partnerschaftlichen Sexualität zufriedener
gewesen.
Ergebnisse nicht vollständig repräsentativ, aber geben "Anhaltspunkte"
Die Befragung im Auftrag des Ministeriums für Inneres und Sport
Sachsen-Anhalt, für die seine Kollegen Kurt Starke und Gustav-Wilhelm
Bathke federführend verantwortlich gewesen seien, könne im
statistischen Sinne zwar nicht als repräsentativ für die gesamte
Bevölkerung Deutschlands gelten. "Aber wichtige Anhaltspunkte kann
sie geben", betonte Voß.
Und zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommt auch die internationale
Studie des Instituts für Sexualforschung am UKE. "Die Hälfte der
Befragten erlebte keine Veränderung in der partnerschaftlichen
Sexualität, von der Hälfte, bei der es Veränderungen gab, nannten
etwas mehr Befragte positive Veränderungen", sagte die Leiterin des
deutschen Teils der Studie, Johanna Schröder, der dpa. Neben
Deutschland haben noch Institute in der Türkei, in Kroatien,
Portugal, Schweden, den Niederlanden, Frankreich und Tschechien
teilgenommen.
"Viele Menschen haben in der Pandemie Zeit, sich zu besinnen und
die Frage zu stellen, was sie in ihrem Leben immer schon mal machen
wollten. Die lernen dann zum Beispiel eine neue Sprache", sagt
Psychotherapeut Krüger. In der Konsequenz seien sie dann zufriedener
mit sich selbst. "Diese Zufriedenheit ist die beste Grundlage für
Sexualität", sagt er – und gibt noch einen wichtigen Tipp: "Ich
empfehle allen immer gute Strukturen zu Hause, dass man früh aufsteht
und sich so anzieht, dass man auch aus dem Haus gehen könnte und
vorzeigbar ist", sagt er. "Alles Rumgammeln lässt die Attraktivität
sinken und auch das erotische Verlangen."
(vdv/dpa)