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Auch Deutschland sollte 3G am Arbeitsplatz einführen - ein Kommentar

In Österreich dürfen nun nur noch Menschen in den Betrieb kommen, die entweder getestet, genesen oder geimpft sind.
In Österreich dürfen nun nur noch Menschen in den Betrieb kommen, die entweder getestet, genesen oder geimpft sind. Bild: www.picturedesk.com / HANS KLAUS TECHT
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Österreich, Italien und Frankreich machen es vor: Auch Deutschland sollte 3G am Arbeitsplatz einführen

01.11.2021, 16:20
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Österreich zieht nach: Wie auch Frankreich und Italien führt die Alpenrepublik nun die 3G-Pflicht (Getestet, Genesen, Geimpft) am Arbeitsplatz ein. Mitte des Monats soll sich diese Verpflichtung auf eine 2,5-G-Pflicht verschärfen: Statt Antigen gilt dann nur noch ein PCR-Test. Ein Schritt, den auch Deutschland endlich gehen sollte.

Bei genauerer Betrachtung ist es absurd: Kino, Restaurant, Club – alles, was Spaß macht, ist an die Vorgabe gekoppelt, eines der drei G's zu sein. Die Arbeit nicht. Stattdessen sitzen dort Menschen in Großraumbüros. Geschützt durch Plexiglas-Wände, die Arbeitsplätze voneinander trennen.

Ein Schutz, der aus Sicht amerikanischer und britischer Wissenschaftler ein trügerischer ist: Wie die "Berliner Zeitung" berichtete, könnten die Plexiglasscheiben die Keime nicht aufhalten, sondern umlenken. Das sei von den Wissenschaftlern in diversen Experimenten herausgefunden worden. Gleichzeitig führten die Barrieren in vielen Fällen dazu, dass Räume schlechter belüftet werden könnten. Helfen würden sie vor allem, wenn jemand huste oder niese. Für wirkliche Sicherheit sorgen die Scheiben also vermutlich nicht.

Ob die Kollegin am Nachbartisch geimpft ist? Keine Ahnung. Ob der Kollege gegenüber sich am Morgen getestet hat? Weiß man nicht. Es gilt: Arbeitskraft vor Gesundheit.

"Es wird Zeit, dass diese Freiheit und die Sicherheit auch im Büro, im Laden und am Fließband Einzug hält"

Stattdessen müssen sich die Menschen darauf verlassen, dass das Kollegium verantwortungsbewusst mit der Pandemie umgeht. Und die schien dank Impfung und Öffnung während des Sommers immerhin fast schon besiegt – zumindest hat es sich so angefühlt. Gerade dann, wenn die eigene Bubble durchgeimpft ist.

Manche Konzerne reagieren eigenständig: So wollen beispielsweise Bayer, Eon und Alltours eine 2G- und eine 3G-Kantine einführen. Das berichtete die "Rheinische Post". Im 2G-Bereich könnte dann, wie auch in Lokalen, in denen die 2G-Regelung gilt, die Maskenpflicht wegfallen, ebenso die Abstandsregelungen. Freiheit für jene, die sich solidarisch gezeigt haben. Die sich haben impfen lassen. Es wird Zeit, dass diese Freiheit und die Sicherheit auch im Büro, im Laden und am Fließband Einzug hält.

Zukunftsmusik.

Doch wenn schon die vollständige Freiheit nicht zurückkehren kann, die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht vollends hinter uns gelassen werden können – dann sollte sich die Politik zumindest auf Regularien einigen, die Sicherheit bieten. Auch am Arbeitsplatz. Auch für Ungeimpfte.

"Eine Pandemie der Ungeimpften. Selbst Schuld, zumindest jene, die freiwillig ungeimpft sind"

Schließlich sind es letztere, die von der aktuellen Welle der Corona-Pandemie besonders getroffen werden. Die Inzidenz steigt – deutschlandweit liegt sie am 1. November laut dem Dashboard des Robert Koch Instituts bei 154. In Teilen von Thüringen, Sachsen und Bayern ist sie fast doppelt so hoch. Auch wenn die 7-Tage-Inzidenz nicht mehr der einzige Wert ist, der Aussagen über das Infektionsgeschehen gibt, zeigt sie doch noch immer die allgemeine Entwicklung an. Die Hospitalisierung zieht nach.

Die Charité zum Beispiel warnt laut "MDR" schon jetzt davor, an die Grenze der Kapazität zu kommen. Die Intensivstation liege nahezu voll – aktuell zwar nicht ausschließlich mit Covid-Patienten, deren Einweisung sei aber in den vergangenen Tagen gestiegen. "90 Prozent der Covid-19-Patientinnen und Patienten in der Charité seien nicht geimpft", schreibt der "MDR". Eine Pandemie der Ungeimpften. Selbst Schuld, zumindest jene, die freiwillig ungeimpft sind.

Das könnte man sagen, es greift aber zu kurz. Natürlich gibt es das Angebot der Impfung. Das Angebot der Sicherheit. Na ja, oder zumindest das Angebot der gesteigerten Möglichkeit einem schweren Verlauf oder dem Tod zu entgehen. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach formulierte es gegenüber der Zeitschrift "Stern" folgendermaßen: Bis März werden die Menschen, die heute noch ungeimpft sind "geimpft, genesen oder leider verstorben sein."

Selbst Schuld ist in diesem Fall aber nicht die Lösung.

Weiterhin die beste Maßnahme gegen die Pandmie: die Covid-19-Impfung.
Weiterhin die beste Maßnahme gegen die Pandmie: die Covid-19-Impfung.Bild: ROBIN UTRECHT / ROBIN UTRECHT

In Österreich werden schon jetzt wieder planbare Operationen abgesagt, der Chef der Deutschen Intensivmediziner-Vereinigung sieht das auch in Deutschland kommen. Wie das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" berichtete, gehe der Mediziner allerdings davon aus, dass sich um alle ins Krankenhaus eingelieferten Personen adäquat gekümmert werden könne.

"Vielmehr ist es die Aufgabe der Politiker die Bevölkerung auch vor sich selbst zu schützen – und eben auch vor Unternehmen"

Was helfen würde: Eine höhere Impfquote. 66,6 Prozent der Menschen in Deutschland sind vollständig geimpft. Das bedeutet gleichzeitig: 33,4 Prozent der deutschen Bevölkerung sind eben noch nicht ausreichend gegen das Virus geschützt.

Solange das so ist, sollten Politikerinnen und Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass die Menschen auch auf der Arbeit sicher sind. Denn anders als bei Freizeiteinrichtungen ist die dortige Teilnahme nicht freiwillig. Weder für Geimpfte noch für Genese oder Getestete – und auch nicht für jene, die keines der G's erfüllen.

Und solange es diese Gruppe gibt, so lange setzen Ungeimpfte sich und auch alle anderen einem höheren Infektionsrisiko am Arbeitsplatz aus. Darauf verlassen, dass sich diese Menschen tagtäglich testen – gerade jetzt, da die Tests sogar Geld kosten – ist abstrus. Stattdessen sollte die Entscheidung der regelmäßigen Testung nicht bei der Belegung liegen. Eigentlich nicht einmal beim Unternehmen. Vielmehr ist es die Aufgabe der Politik, die Bevölkerung auch vor sich selbst zu schützen und eben auch vor Unternehmen, die im Zweifel eher auf die Produktivität als auf die Virusaktivität achten könnten.

Nach Cannabis-Freigabe: Was der Drogenbeauftragte Blienert als Nächstes plant

Die Erleichterung, als im Bundesrat klar wurde, dass der Vermittlungsausschuss nicht angerufen werden wird, war bei vielen Menschen in Deutschland groß. Seit dem ersten April darf nun straffrei Cannabis konsumiert werden. Eine Trendwende in der Drogenpolitik. "Die Prohibition ist gescheitert", werden Gesundheitsminister Karl Lauterbach und sein Bundesdrogenbeauftragter Burkhard Blienert (beide SPD) nicht müde zu sagen.

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