Auf der Schattenseite? Hendrik Wüst wollte die Ampel-Corona-Pläne torpedieren.Bild: www.imago-images.de / Thomas Trutschel/photothek.de
Meinung
19.11.2021, 16:0819.11.2021, 16:35
"Hendrik Wüst ist mein Name, ich bin der Nachfolger von Armin Laschet, wie Sie vielleicht mitbekommen haben."
Lassen wir diesen Satz mal alle auf uns wirken. An einem Tag, an dem es erneut einen Höchstwert an Corona-Neuinfektionen gegeben hat. An einem Tag, an dem wieder einmal hunderte Menschen an dem auf der ganzen Welt herrschenden Virus gestorben sind. An diesem Tag, es war der vergangene Donnerstag, da trafen sich die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel zu einer Krisentagung. An diesem Tag soll Hendrik Wüst diesen Satz gesagt, diesen Witz gemacht haben.
Wenigstens kann er, der CDU-Politiker, noch scherzen.
Hendrik Wüst ist dieses Jahr der Vorsitzende der MPK – also der Ministerpräsidentenkonferenz. Und er ist auch derjenige, der einen Brief an Noch-Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) geschrieben hat, mit Unterstützung einiger unionsgeführten Bundesländer. Der Inhalt (frei übersetzt): Wir finden alles doof, was ihr macht, deshalb blockieren wir alles.
Hier wurde am Donnerstag über das neue Infektionsschutzgesetz abgestimmt: im Plenarsaal des Bundestags.Bild: www.imago-images.de / Frederic Kern
Um genau zu zitieren: "Angesichts des sprunghaften und dynamischen Infektionsgeschehens mit absoluten Höchstzahlen an Neuinfektionen ist aus Sicht der B-Seite das Auslaufen der epidemischen Lage unverantwortlich." Deshalb könnten die Unionsländer nicht zustimmen.
Kurz zur Erklärung: Die Ampelparteien haben einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, mit dem die erneute Corona-Welle, in der wir uns gerade befinden, eingedämmt werden soll. Der Bundesrat, der aus Regierungsvertretern der Bundesländer besteht, musste diesem Gesetzentwurf zustimmen. Das wollten die unionsgeführten Länder ursprünglich verweigern.
Am Ende haben sich die Ministerpräsidenten von CDU und CSU dann doch zu einem Ja durchgerungen, wenn eine sogenannte Evaluierungsklausel im Gesetz festgeschrieben wird. Heißt: Im Dezember soll dann untersucht werden, ob die Maßnahmen, die das neue Infektionsschutzgesetz vorsieht, auch wirklich gewirkt haben.
So weit, so anstrengend.
Tatsächlich ist das, was CDU und CSU – wir erinnern uns auch an quasi alle Sticheleien des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder – da gerade tun nichts anderes als Parteipolitik. Die angegrauten Rapper von "Fettes Brot" hätten wohl nicht gedacht, dass ihr Track "Jein" rund 25 Jahre nach seiner Veröffentlichung einmal in einem politischen Kommentar zitiert würde, aber na ja – why not?
Liebe CDU: Du bist durchschaubar wie Plexiglas.
"Schon im August hatten führende Virologinnen und Virologen vor einem heftigen Corona-Herbst gewarnt, wenn es bei der Impfkampagne nicht langsam mal voranginge. Was hat man gemacht?
Impfzentren abgebaut."
Warum? Ganz einfach: Die Union hatte es jetzt fast zwei Jahre in der Hand. Sie hätte auf Bundes- und auf Landesebene bereits im Sommer gegensteuern können. Schon im August hatten führende Virologinnen und Virologen vor einem heftigen Corona-Herbst gewarnt, wenn es bei der Impfkampagne nicht langsam mal voranginge. Und auch danach. Und auch davor.
Was hat man gemacht? Impfzentren abgebaut, Corona-Tests kostenpflichtig gemacht, noch bevor die Ampelparteien überhaupt am Zug sein konnten, hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgeschlagen, die epidemische Lage von nationaler Tragweite auslaufen zu lassen.
Die gilt allerdings noch immer. Bis zum 25. November. Und sie galt auch in den vergangenen Monaten. In dieser Zeit hatten es die Bundesländer auch immer noch in der Hand, eigene Maßnahmen durchzusetzen. Sie waren nicht machtlos. Zehn der 16 Bundesländer werden unter Beteiligung der CDU beziehungsweise in Bayern der CSU regiert.
Die Union hätte also handeln können.
Und die anderen Parteien? Da müssen wir uns nichts vormachen: Von links bis rechts haben sie sich im Sommer ausschließlich auf den teils schmutzigen Wahlkampf konzentriert.
Corona? Was ist das?
Und unsere noch amtierende Regierung aus CDU/CSU und SPD wirkt momentan mehr wie ein Platzhalter denn wie eine Führung. Wobei: Die CDU sieht sich offenbar kaum noch in der Verantwortung: Sie will jetzt starke Opposition sein, und droht deshalb – verantwortungslos, wie sie ist – wichtige Beschlüsse zu sabotieren.
Jens Spahn hatte noch vor den Ampelparteien das Auslaufen der epidemischen Lage vorgeschlagen.Bild: www.imago-images.de / Emmanuele Contini
Klar: Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz und dem Auslaufen der epidemischen Lage muss man nicht zufrieden sein. Aber damit zu drohen, es zu torpedieren, während sich das Land und dessen Bürgerinnen und Bürger dringend nach Führung sehnen – das ist einfach nur geschmacklos. Und es hätte weitere kostbare Zeit gekostet. Denn es hätte ein neues Gesetz auf den Weg gebracht werden müssen. Neue Verhandlungen, neue Debatten, neue Abstimmungen. In der Lage, in der wir uns aber gerade befinden - da zählt jeder einzige Tag.
Denn es geht hier um Menschenleben. Es geht um das Verhindern von überfüllten Intensivstationen. Darum, die Wirtschaft nicht erneut im Stich zu lassen. Parteipolitik ist hier einfach Fehl am Platz.
Andererseits muss man sich auch vor Augen halten, dass die CDU in den Ländern nicht allein regiert. Sie regiert in ganz Deutschland verteilt entweder mit der SPD, den Grünen oder der FDP. Einzig die CSU koaliert in Bayern mit den Freien Wählern. Hätte die CDU tatsächlich das neue Infektionsschutzgesetz torpedieren wollen, hätte das geheißen, sie wollte es sich mit ihren Koalitionspartnern verscherzen.
Und das ist schwer vorstellbar.
Wahrscheinlich war dieser Brief von NRW-Ministerpräsident Wüst und seinen CDU-Freunden, dieses ständige Gestänkere gegen die Ampelparteien, das laute Dagegensein einfach nur eine Demonstration von Unzufriedenheit. Bellende Hunde beißen bekanntlich nicht.
Nach der Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten herrscht viel Ungewissheit darüber, wie es jetzt mit der Ukraine weitergeht. Es gibt nicht unbegründete Ängste davor, Trump könne dem Land bald den Geldhahn zudrehen.