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AfD: Konflikt um Jugendorganisation "Generation Deutschland" eskaliert

ARCHIV - 12.01.2025, Sachsen, Riesa: Teilnehmer des AfD-Bundesparteitags in Riesa mit einem Stoffbeutel bzw. Pullover mit dem Logo der AfD-Jugendorganisation «Junge Alternative» (JA). (zu dpa: «Junge  ...
Die Junge Alternative hat sich im März 2025 aufgelöst. Bild: dpa / Sebastian Kahnert
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AfD gründet neue Jugendorganisation: Was dahinter steckt und wer dagegen aufsteht

In Gießen will die AfD Ende November eine neue bundesweite Jugendorganisation gründen. Tausende Menschen mobilisieren bereits für Proteste. Hochschulen, Polizei und Stadt bereiten sich auf ein konfliktgeladenes Wochenende vor.
18.11.2025, 14:3618.11.2025, 14:36

Ende November wird Gießen zum bundesweiten Brennpunkt: Die AfD plant in den Hessenhallen die Gründung einer neuen Jugendorganisation. Parallel dazu mobilisieren Bündnisse aus ganz Deutschland für großangelegte Proteste. Die Polizei rechnet mit einem der größten Einsätze der vergangenen Jahre.

Hintergrund: Die als rechtsextrem eingestufte "Junge Alternative" hatte sich 2023 aufgelöst, nachdem sich die AfD offiziell von ihr distanziert hatte.

Nun will die Partei mit einer neuen Struktur starten. Und das mitten in einer Universitätsstadt, die als Hochburg zivilgesellschaftlicher Gegenwehr gilt. Die Mobilisierung führte bereits im Vorfeld zu erheblichen Spannungen an Hochschulen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

AfD-Jugendorganisation: Was ist für Ende November in Gießen geplant?

Die AfD-Bundespartei lädt in die Hessenhallen ein, um eine neue Jugendorganisation zu gründen. Dazu sollen Name, Logo und ein Vorstand beschlossen werden. Laut Partei werden rund 1000 Teilnehmende erwartet. Als möglicher Name kursiert Medienberichten zufolge "Generation Deutschland".

Parallel dazu sind laut Polizei 17 Gegendemonstrationen mit rund 18.000 angemeldeten Teilnehmer:innen geplant. Behörden halten jedoch bis zu 40.000 Menschen für möglich, basierend auf Erfahrungen aus früheren Mobilisierungen.

Warum gründet die AfD eine neue Jugendorganisation?

Die Junge Alternative (JA) wurde 2023 vom Bundesamt für Verfassungsschutz als "gesichert extremistische Bestrebung" eingestuft und löste sich daraufhin im März 2025 selbst auf.

Zuvor hatte sich die AfD auf einem Parteitag offiziell von ihr getrennt. Nun soll eine neue Struktur entstehen, diesmal direkt unter dem Dach der Bundespartei, wohl um stärkere Kontrolle und breitere Anschlussfähigkeit zu signalisieren.

Wer führt die neue Organisation an und wer nimmt teil?

Als Favorit für den Vorsitz gilt der Brandenburger Landtagsabgeordnete Jean-Pascal Hohm, der bereits mit 17 Jahren die JA Brandenburg mitbegründete. Laut "hessenschau" pflegt Hohm seit Jahren "enge Kontakte in das rechtsextreme Vorfeld der Partei".

19.09.2024, Brandenburg, Cottbus: Jean-Pascal Hohm, Kandidat der AfD zur Landtagswahl in Brandenburg, spricht auf einer Bühne bei einer Wahlkampfveranstaltung seiner Partei auf dem Oberkirchplatz. Die ...
Jean-Pascal Hohm bei einer Wahlkampfveranstaltung der AfD auf dem Oberkirchplatz.Bild: dpa / Frank Hammerschmidt

Wie WDR und NDR berichten, wurden 26 Organisationen, Vereine, Medien und Influencer:innen eingeladen – darunter Gruppen, deren Vertretende laut Recherchen im rechtsextremen Milieu aktiv sind. Ein detailliertes Programm hat die AfD bislang nicht veröffentlicht.

Welche Rolle soll die AfD-Jugendorganisation spielen?

Der AfD-Landtagsabgeordnete Hohm, Favorit für den Vorsitz, erklärte gegenüber "Euronews", die Organisation müsse ihren Platz "als Kaderschmiede und Innovationsmotor für die Mutterpartei sowie Bindeglied zwischen der AfD, dem Vorfeld und der Öffentlichkeit" finden. Sie solle sich "als starke Marke etablieren", eigene Debatten anstoßen und sich an Wahlerfolgen messen lassen.

Auch der Bundesschriftführer Dennis Hohloch sagte zu "Euronews": "Die neue Jugendorganisation unterscheidet sich vor allem in satzungstechnischen Fragen von der Jungen Alternative."

Politikwissenschaftler Uwe Jun (Uni Trier) ordnete bei dem Medium ein: "Dass eine Mutterpartei eine Jugendorganisation stärker kontrollieren will, das kennen wir auch von anderen Parteien schon." Er sieht die Neugründung als strategisches Instrument, um frühere Radikalisierungsdynamiken zu verhindern.

Wie groß ist die neue Organisation schon?

Nach Angaben von "Euronews" haben bereits rund 2000 Personen erklärt, Mitglied der neuen Organisation werden zu wollen. Für den Kongress in Gießen hätten sich mehr als 900 junge Menschen angemeldet. Die Bundes-AfD bestätigte diese Zahlen bisher nicht.

Warum findet das Treffen in Gießen statt?

Die Stadt ist aufgrund ihrer zentralen Lage ausgewählt worden. Gießens Bürgermeister und Ordnungsdezernent Alexander Wright (Grüne) betonte laut "hessenschau", die Stadt habe darauf "keinen Einfluss".

Hinzu kommt: Die Messe Gießen ist privat betrieben. Laut Geschäftsführung habe man "diskriminierungsfrei nach Recht und Gesetz" zu handeln. Andernfalls hätte die AfD die Nutzung der Räume möglicherweise gerichtlich einklagen können.

Wie groß ist der Protest – und wer organisiert ihn?

Für das Wochenende sind ein "Demokratiefest", ein großer Demonstrationszug und Blockadeaktionen angekündigt. Gewerkschaften, Parteien, Religionsgemeinschaften und lokale Initiativen mobilisieren seit Monaten. Das bundesweite Aktionsbündnis "Widersetzen" will nach eigenen Angaben 200 Busse einsetzen, um Menschen aus ganz Deutschland nach Gießen zu bringen.

Ist mit Gewalt zu rechnen?

Derzeit prüft die Polizei einen Aufruf auf einer Website, die sie selbst als linksextrem bezeichnet, jedoch nicht näher benennt, in dem es angeblich wortwörtlich heißt: "Gegen den Parteitag und seine Helferinnen zu kämpfen." Aus Sicht der Polizei sei das ein "eindeutiger Aufruf zu Gewalt". Beim letzten AfD-Parteitag in Riesa war es zu Ausschreitungen gekommen.

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Beim Parteitag in Riesa protestierten Tausende Menschen gegen die AfD.Bild: imago images

Welche Rolle spielt die Polizei?

Die Polizei kündigt einen Großeinsatz an, unterstützt durch Bundespolizei und Einheiten aus anderen Ländern. Ziel sei, alle Grundrechte zu schützen. Dazu erklärt die Polizei: "Als Inhaberin des staatlichen Gewaltmonopols ist die Polizei auch berechtigt, die Grundrechtsausübung nötigenfalls mit Gewalt durchzusetzen." Verhältnismäßigkeit bleibe entscheidend.

Warum gibt es Streit an Berliner Hochschulen?

Wie unter anderem der "Tagesspiegel" berichtet, untersagten die Freie Universität (FU) und die Humboldt-Universität (HU) vergangene Woche kurzfristig geplante Mobilisierungstreffen der Initiative "Studis gegen Rechts", offenbar nach Schreiben des AfD-Abgeordneten Martin Trefzer an die Uni-Leitungen.

Trefzer bestätigte im Wissenschaftsausschuss: "Ich habe die Präsidenten von HU, FU und TU am Mittwoch angeschrieben, um sie darüber zu informieren, dass die Verletzung des Neutralitätsgebots zu befürchten ist." Die TU hingegen stellte Räume zur Verfügung, mehrere hundert Studierende nahmen teil.

Was sagen "Studis gegen Rechts" zu den Vorgängen?

In einem Pressestatement vom 17. November kritisiert die Initiative das Vorgehen scharf:

"Die AfD versucht weiterhin Einfluss auf die Autonomie der Universitäten zu nehmen, heute über den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung. Dass wir auf diese versuchte Zensur aufmerksam machen müssen, anstelle der Regierung, ist beschämend."

Die Gruppe wirft den Universitäten vor, politische Meinungsfreiheit einzuschränken und sieht die Hochschulautonomie bedroht.

Kann die Stadt die Veranstaltung verbieten?

Nein. Versammlungsfreiheit gilt für beide Seiten. Bürgermeister Wright sagte: "Solange die AfD nicht verboten sei, habe sie das Recht, sich zu versammeln. Auf der anderen Seite hätten Menschen auch das gute Recht, dagegen zu demonstrieren."

Die Gießener Stadtverordnetenversammlung verabschiedete dennoch eine deutliche Stellungnahme: "Die Gründung dieser Jugendorganisation, die rechtsextremes und demokratieverachtendes Gedankengut in die junge Generation tragen soll, stellt eine Bedrohung für unsere Demokratie dar."

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