Anfang April fallen vielerorts die Masken im Einzelhandel.Bild: www.imago-images.de / imago images
Meinung
Es ist so weit. Die Übergangsregelung läuft aus, die Corona-Schutzmaßnahmen ebenso. Die Masken fallen. Sie müssen ab jetzt nur noch in Bus, Bahn und Flugzeug, sowie im Krankenhaus und in Pflegeheimen getragen werden.
Für manche Menschen ist diese Entscheidung eine Befreiung. Andere fühlen sich unwohl. Auch in unserer Redaktion gehen die Meinungen zum Tag der Maskenfreiheit auseinander.
Die Redakteurinnen Jennifer Ullrich und Rebecca Sawicki begründen ihre Standpunkte in diesem Pro und Contra.
Pro: Wenn die Maske(npflicht) jetzt nicht fällt – wann dann?
Natürlich: Die Infektionszahlen sind weiterhin hoch, allerdings sind wir nach über zwei Jahren Pandemie an einem Punkt angekommen, an dem wir die Notwendigkeit von Maßnahmen nicht mehr strikt nach Zahlen bewerten sollten. Ein Grund dafür ist, dass die derzeit kursierende Omikron-Variante zumindest bei Geimpften oft nur milde Krankheitsverläufe hervorruft und uns daher im Vergleich zu Delta einen Weg aus der Pandemie ebnet.
Die Statistiken des RKI zu Verstorbenen unterscheiden derweil nicht danach, ob jemand wegen oder mit Covid-19 gestorben ist – tatsächlich aber wäre diese Differenzierung für die Politik wesentlich.
Unterhaltungsredakteurin Jennifer Ullrich.bild: foto di matti / matti hillig
Ich habe mich in öffentlichen Räumen immer konsequent an die Maskenpflicht gehalten, zum Schutz von mir und meinen Mitmenschen – naja, fast immer. Im Dezember sah ich Metallica live in San Francisco, zusammen mit 18.000 anderen, von denen geschätzt zwei Prozent Maske trugen. Ich hatte dabei kein schlechtes Gefühl, im Gegenteil war es ein befreiendes Erlebnis, das ich ehrlich gesagt wieder öfter haben will.
Beispielsweise habe ich ein Ticket für die Rolling Stones im Sommer, aber zu so einem Event mit Maske zu erscheinen, ist eben gar nicht Rock 'n' Roll. Ich würde auch behaupten, dass es einen Unterschied macht, ob man im Supermarkt oder in der Disco eine Maske trägt. Wenn man sich viel bewegt, ist es über Stunden hinweg nun einmal wirklich unangenehm.
Generell ist die Maskenpflicht sicherlich ein weniger starker Eingriff in die persönliche Freiheit als etwa die Impfpflicht, dennoch sollten wir uns bewusst machen, dass der Staat uns in der Regel nicht zu diktieren hat, ob wir unser Gesicht bedecken. Die letzten Jahre waren ein einziger pandemischer Notfall, doch unsere medikamentösen Waffen gegen Corona sind wirksam und das Virus selbst schwächer als noch zu Anfang.
Der Frühling steht vor der Tür, die Temperaturen werden steigen und die Corona-Zahlen wieder sinken – zumindest gemäß den Erfahrungswerten der letzten Jahre. Auf der anderen Seite haben wir alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um Corona die Stirn zu bieten: Deutlich bessere Impfstoffe als die momentan verfügbaren wird es in absehbarer Zeit nicht geben, jeder hatte ein Impfangebot. Die logische Konsequenz in einer freiheitlich-liberalen Gesellschaft muss daher sein, dass jeder nun selbst entscheiden kann, welche Schutzmaßnahmen er weiterhin ergreift oder nicht ergreift. Wenn die Maske(npflicht) jetzt nicht fällt, wann dann?
"Wir haben alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um Corona die Stirn zu bieten."
"Wir werden mit dem Virus leben müssen, wie wir auch mit der Grippe leben" – ein Satz, der sinngemäß immer wieder zu hören war in den letzten Monaten, aber der eben auch bedeutet, dass wir ein gewisses Restrisiko (in diesem Fall die Gefahr von Long-Covid auch nach milden Verläufen) hinnehmen, wenn bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sind.
Contra: Eine Maske tut nicht weh und kann Leben retten
279 Menschen sind laut Robert Koch Institut am Donnerstag vor dem Fall der Maskenpflicht an Corona verstorben. Die Inzidenz ist so hoch, dass einem schwindelig werden kann. Viele Menschen, die ich kenne, sind gerade infiziert. Und ich weiß, was das bedeuten kann.
Mich selbst hat es erst vor einigen Wochen erwischt. Vor der Infektion war ich gesund. Ich bin jung und gerne an der frischen Luft. Ich rauche nicht. Morgens, bevor ich mich in die Redaktion aufmache, mache ich Yoga, um gut in den Tag zu kommen. Trotzdem kann ich auch jetzt, einige Wochen später, nicht richtig atmen.
Das ist ein komisches Gefühl.
Politikredakteurin Rebecca Sawicki.Bild: foto di matti / matti hillig
Und genau jetzt, wo Hinz und Kunz infiziert ist, die Zahlen nicht sinken wollen, fallen die Masken. Für viele Menschen bedeutet das, dass sie in Zukunft nicht mehr ohne Sorge einkaufen gehen können. Gerade für Ältere oder Menschen mit Vorerkrankungen kann der ganz normale Einkauf im schlimmsten Fall tödlich enden. Denn klar, die Impfung schützt. Auch der vierte Pieks ist für diese Gruppe empfohlen. Und trotzdem ist eine Ansteckung möglich.
Und natürlich stellt ein Ende der Maskenpflicht kein Verbot dar, weiterhin FFP2-Masken zu tragen. Ich werde das im Supermarkt oder vollen Innensälen auch tun. Mindestens, bis die Zahlen sinken.
Sicher bin ich dadurch trotzdem nicht, so wie Millionen anderer Menschen.
Auch, wenn eine Person Maske trägt, steigt die Ansteckungsgefahr mit jeder Person um sie herum, die positiv ist und auf das Tragen der Maske verzichtet. Eine Studie des Max-Planck-Instituts vom Dezember 2021 ergab, dass die Wahrscheinlichkeit bei 20 Prozent liegt, sich bei einer infizierten Person anzustecken, die keine Maske trägt. Und zwar dann, wenn man selbst eine FFP2-Maske trägt. Entscheidet man sich wegen der warmen Frühlingstemperaturen nur für eine OP-Maske, steigt die Wahrscheinlichkeit auf 90 Prozent.
"Es geht hier lediglich um ein Stück Filtervlies. Und um den Schutz von Menschenleben."
Einkaufen kann also trotz Eigenschutz zum Risiko werden. Sind freie Nasen für freie Bürger das wirklich wert? Das Institut für Arbeitsmedizin der Uni Tübingen hat in einer Studie herausgefunden, dass das Tragen von Masken keine Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit hat. Es geht bei der Maskenfreiheit im Einzelhandel also nur um Bequemlichkeit. Und ich finde es fragwürdig, die Bequemlichkeit dem Schutz von Leben und dem Recht auf freie Entfaltung überzuordnen.
Eine Maske im Einzelhandel tut nicht weh. Sie raubt keine Freiheiten. Denn ins Restaurant, in den Freizeitpark, in den Club und in den Urlaub können die Menschen weiterhin. Es geht hier lediglich um ein Stück Filtervlies. Und um den Schutz von Menschenleben.