
Auf der Autobahn bei Bielefeld mussten einige Menschen die ganze Nacht bei extremer Kälte in ihren Fahrzeugen verbringen.Bild: dpa / Festim Beqiri
Deutschland
09.02.2021, 07:1109.02.2021, 14:05
Starke Schneefälle haben in der Nacht zum
Dienstag erneut für Chaos auf vielen Autobahnen in Deutschland
gesorgt. Auf der A2 bei Bielefeld verbrachten Fahrer und Mitfahrende
die ganze Nacht auf der Straße und mussten bei klirrender Kälte zum
Teil zwölf Stunden lang in ihren Autos ausharren.
Zwischenzeitlich
bildete sich dort ein 37 Kilometer langer Rückstau, der sich bis nach
Niedersachsen zog – auf beiden Fahrtrichtungen zusammen waren es
sogar mehr als 70 Kilometer. "Die Gesamtlage ist schwierig, wir sind
am Rotieren", sagte ein Sprecher der Bielefelder Polizei am frühen
Dienstagmorgen.
Die Autobahn wurde in beiden Fahrtrichtungen gesperrt, nachdem
Lastwagen schon am Montagmittag wegen des Schnees stecken geblieben
waren. "Es wird aber noch sehr lange dauern, bis sich das Knäuel
aufgelöst hat", sagte eine Sprecherin der Leitstelle NRW in der
Nacht. Trotz einer Umleitung hatte sich der Stau in den frühen
Morgenstunden kaum verkürzt.
Bis zu 15 Stunden auf der Autobahn
Etwas weniger dramatisch war die Lage laut Polizei bei Dortmund,
wo die A2 ebenfalls gesperrt war. Auf der Fahrbahn in Richtung
Oberhausen hatten sich am Montag Dutzende Lkw festgefahren,
obwohl bis 22 Uhr eigentlich ein Fahrverbot für Lastwagen über 7.5
Tonnen galt. "Die Polizei registrierte dort 340 Verstöße gegen das
Verbot", sagte die Sprecherin. Einsatzkräfte versorgten alle
Liegengebliebenen mit warmen Getränken und Decken. Das dürfte für die
meisten aber nur ein schwacher Trost gewesen sein: Zwischenzeitlich
zog sich der Rückstau nach Angaben des Lagezentrums zehn Kilometer
lang, löste sich in der Nacht aber auf.
Auch auf anderen Autobahnen war die Lage chaotisch. Auf der A10
bei Spreeau in Brandenburg stellten sich in der Nacht zwei Lastwagen
quer auf die glatte Fahrbahn und kamen weder vor noch zurück, wie
eine Polizeisprecherin sagte. Auf der A4 in Osthessen hatte sich ein
Stau in der Nacht zwar inzwischen aufgelöst – dort hatten Autofahrer
laut Polizei aber zum Teil 15 Stunden in ihren Wagen ausgeharrt. Zum
Teil kam der Verkehr nur langsam wieder in Gang, weil Polizisten
Lkw-Fahrer wecken mussten, die die Wartezeit verschlafen hatten.
Weiterhin Einschränkungen
Am Dienstagmorgen müssen sich Pendler in weiten Teilen
Deutschlands auf weitere Einschränkungen einstellen. Schneeräum- und
Reparaturtrupps seien für die Bahn im Einsatz, damit der
Schienenverkehr auf den Hauptstrecken bis Dienstagabend schrittweise
wieder aufgenommen werden könne, erklärte die Bahn am Montag. Der
Fernverkehr war zuvor am Montag auf mehreren Verbindungen komplett
eingestellt worden.

Andreas Scheuer bittet die Menschen, aktuell auf Reisen zu verzichten.Bild: imago images / Christian Spicker
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer appellierte an die Bürger
im Norden und in der Mitte Deutschlands, mindestens bis Mittwoch auf
Reisen zu verzichten. "Bei solchen extremen Bedingungen können selbst
die beste Weichenheizung und das beste Räumfahrzeug an ihre Grenzen
geraten", sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der
Funke-Mediengruppe. "Wir arbeiten an allen Ecken und Enden daran, dass wir die Nord-Süd-Verbindungen freibekommen - dass wir wenigstens eingeschränkt fahren können", kündigte er bei "Bild Live" an.
"Es entsteht eines neues Band: ein kleines, aber sehr heftiges.
Dienstag und Mittwoch werden wir an der Ostsee und bei Rügen viel
Schnee bekommen und vor allem stürmische Verhältnisse", sagte der
Minister weiter. Doch auch Frost werde zur Herausforderung, etwa im
Osten Deutschlands.
Nachtfrost von minus 18 Grad erwartet
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnte vor starkem Schneefall bis
zu 40 Zentimetern und Schneeverwehungen ab der Nacht zu Dienstag vor
allem in Ostholstein und angrenzenden Kreisen. Hintergrund für die
erwarteten anhaltenden Schneefälle und Schneeverwehungen in Teilen
Schleswig-Holsteins ist vor allem der sogenannte Lake-Effekt, wie
Meteorologe Frank Böttcher am Montag erläuterte. Dabei führt der
starke Wind über die Ostsee Feuchtigkeit heran, die über Land als
Schnee fällt.
Im Vergleich zum Wochenende soll der Schneefall in den kommenden
Tagen insgesamt zurückgehen. Das große Thema wird dann der strenge
Frost sein - vor allem nachts. In der Mitte und im Osten Deutschlands
dürfte Nachtfrost von minus 18 Grad keine Seltenheit sein, sagte
Meteorologe Martin Jonas. Bei Wind und trockener Luft könne die
gefühlte Temperatur nachts sogar auf bis zu minus 30 Grad sinken.
"Man sollte sich wirklich warm einpacken", warnte eine
Meteorologin des Wetterdienstes Essen angesichts der Kälte. Der Wind
könne dafür sorgen, dass es sehr unangenehm werde.
Hilfsorganisationen verstärkten unterdessen ihren Einsatz für
Obdachlose. So war etwa in Hannover am Montagabend erneut der
"Kältebus" der Johanniter unterwegs, um Bedürftige mit heißem Essen
und Trinken zu versorgen. Die Stadt Frankfurt hatte nach Angaben
einer Sprecherin bereits am Wochenende die Öffnungszeiten der
Winterübernachtung in der B-Ebene der U-Bahn-Station Eschenheimer Tor
verlängert. Dort gibt es 150 Schlafplätze, von denen zuletzt etwa 100
nachts belegt waren.
Etwa 80 Menschen übernachteten nach Angaben der Sprecherin in den
vergangenen Tagen trotz des Wetters draußen. Sie würden jede Nacht
von den Mitarbeitern des Kältebusses aufgesucht und eingeladen, sich
in eine Einrichtung der Obdachlosenhilfe fahren zu lassen.
(pas/dpa)