Starke Schneefälle haben in der Nacht zum Dienstag erneut für Chaos auf vielen Autobahnen in Deutschland gesorgt. Auf der A2 bei Bielefeld verbrachten Fahrer und Mitfahrende die ganze Nacht auf der Straße und mussten bei klirrender Kälte zum Teil zwölf Stunden lang in ihren Autos ausharren.
Zwischenzeitlich bildete sich dort ein 37 Kilometer langer Rückstau, der sich bis nach Niedersachsen zog – auf beiden Fahrtrichtungen zusammen waren es sogar mehr als 70 Kilometer. "Die Gesamtlage ist schwierig, wir sind am Rotieren", sagte ein Sprecher der Bielefelder Polizei am frühen Dienstagmorgen.
Die Autobahn wurde in beiden Fahrtrichtungen gesperrt, nachdem Lastwagen schon am Montagmittag wegen des Schnees stecken geblieben waren. "Es wird aber noch sehr lange dauern, bis sich das Knäuel aufgelöst hat", sagte eine Sprecherin der Leitstelle NRW in der Nacht. Trotz einer Umleitung hatte sich der Stau in den frühen Morgenstunden kaum verkürzt.
Etwas weniger dramatisch war die Lage laut Polizei bei Dortmund, wo die A2 ebenfalls gesperrt war. Auf der Fahrbahn in Richtung Oberhausen hatten sich am Montag Dutzende Lkw festgefahren, obwohl bis 22 Uhr eigentlich ein Fahrverbot für Lastwagen über 7.5 Tonnen galt. "Die Polizei registrierte dort 340 Verstöße gegen das Verbot", sagte die Sprecherin. Einsatzkräfte versorgten alle Liegengebliebenen mit warmen Getränken und Decken. Das dürfte für die meisten aber nur ein schwacher Trost gewesen sein: Zwischenzeitlich zog sich der Rückstau nach Angaben des Lagezentrums zehn Kilometer lang, löste sich in der Nacht aber auf.
Auch auf anderen Autobahnen war die Lage chaotisch. Auf der A10 bei Spreeau in Brandenburg stellten sich in der Nacht zwei Lastwagen quer auf die glatte Fahrbahn und kamen weder vor noch zurück, wie eine Polizeisprecherin sagte. Auf der A4 in Osthessen hatte sich ein Stau in der Nacht zwar inzwischen aufgelöst – dort hatten Autofahrer laut Polizei aber zum Teil 15 Stunden in ihren Wagen ausgeharrt. Zum Teil kam der Verkehr nur langsam wieder in Gang, weil Polizisten Lkw-Fahrer wecken mussten, die die Wartezeit verschlafen hatten.
Am Dienstagmorgen müssen sich Pendler in weiten Teilen Deutschlands auf weitere Einschränkungen einstellen. Schneeräum- und Reparaturtrupps seien für die Bahn im Einsatz, damit der Schienenverkehr auf den Hauptstrecken bis Dienstagabend schrittweise wieder aufgenommen werden könne, erklärte die Bahn am Montag. Der Fernverkehr war zuvor am Montag auf mehreren Verbindungen komplett eingestellt worden.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer appellierte an die Bürger im Norden und in der Mitte Deutschlands, mindestens bis Mittwoch auf Reisen zu verzichten. "Bei solchen extremen Bedingungen können selbst die beste Weichenheizung und das beste Räumfahrzeug an ihre Grenzen geraten", sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Wir arbeiten an allen Ecken und Enden daran, dass wir die Nord-Süd-Verbindungen freibekommen - dass wir wenigstens eingeschränkt fahren können", kündigte er bei "Bild Live" an.
"Es entsteht eines neues Band: ein kleines, aber sehr heftiges. Dienstag und Mittwoch werden wir an der Ostsee und bei Rügen viel Schnee bekommen und vor allem stürmische Verhältnisse", sagte der Minister weiter. Doch auch Frost werde zur Herausforderung, etwa im Osten Deutschlands.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnte vor starkem Schneefall bis zu 40 Zentimetern und Schneeverwehungen ab der Nacht zu Dienstag vor allem in Ostholstein und angrenzenden Kreisen. Hintergrund für die erwarteten anhaltenden Schneefälle und Schneeverwehungen in Teilen Schleswig-Holsteins ist vor allem der sogenannte Lake-Effekt, wie Meteorologe Frank Böttcher am Montag erläuterte. Dabei führt der starke Wind über die Ostsee Feuchtigkeit heran, die über Land als Schnee fällt.
Im Vergleich zum Wochenende soll der Schneefall in den kommenden Tagen insgesamt zurückgehen. Das große Thema wird dann der strenge Frost sein - vor allem nachts. In der Mitte und im Osten Deutschlands dürfte Nachtfrost von minus 18 Grad keine Seltenheit sein, sagte Meteorologe Martin Jonas. Bei Wind und trockener Luft könne die gefühlte Temperatur nachts sogar auf bis zu minus 30 Grad sinken.
"Man sollte sich wirklich warm einpacken", warnte eine Meteorologin des Wetterdienstes Essen angesichts der Kälte. Der Wind könne dafür sorgen, dass es sehr unangenehm werde.
Hilfsorganisationen verstärkten unterdessen ihren Einsatz für Obdachlose. So war etwa in Hannover am Montagabend erneut der "Kältebus" der Johanniter unterwegs, um Bedürftige mit heißem Essen und Trinken zu versorgen. Die Stadt Frankfurt hatte nach Angaben einer Sprecherin bereits am Wochenende die Öffnungszeiten der Winterübernachtung in der B-Ebene der U-Bahn-Station Eschenheimer Tor verlängert. Dort gibt es 150 Schlafplätze, von denen zuletzt etwa 100 nachts belegt waren.
Etwa 80 Menschen übernachteten nach Angaben der Sprecherin in den vergangenen Tagen trotz des Wetters draußen. Sie würden jede Nacht von den Mitarbeitern des Kältebusses aufgesucht und eingeladen, sich in eine Einrichtung der Obdachlosenhilfe fahren zu lassen.
(pas/dpa)