Ihre Musik läuft auf rechtsextremen Demonstrationen und Festivals wie im thüringischen Themar. Doch der Soundtrack zu Volksverhetzung und rechter Gewalt ist mittlerweile auch auf Plattformen wie Spotify und Deezer erhältlich. Neonazi-Labels nutzen die Streamingdienste, um ihre Hassgesänge zu verbreiten und Geld zu verdienen.
Dortmund ist eine der Hochburgen der Neonazi-Szene in Westdeutschland. Rechtsextreme der Kleinstpartei "Die Rechte" treten dort zu Wahlen an, haben einen Sitz im Stadtrat. Vor allem aber gehen sie regelmäßig auf die Straße. In den vergangenen Jahren demonstrierten die Neonazis manchmal sogar im Wochentakt. Sie halten Reden, die mal unter, mal weit über der Schwelle zur strafbaren Volksverhetzung liegen.
Und zwischen diesen Reden spielen sie Musik. Unbeteiligte Passanten begeistern sie damit kaum. Es geht viel mehr um die Beschallung der eigenen Klientel. "Wir sind immer noch da", grölt etwa die Band "Confident of Victory" in einem Lied, das zum Standardrepertoire der Szene gehört und auf kaum einer Demo fehlt. Der Song ist eine Durchhalteparole gegen den Staat. "Sie verbieten uns das Reden, wollen uns die Freiheit nehmen. Doch wie sie es auch drehen und wenden, wir werden uns nicht ändern", singt der Sänger, ein langjähriger Neonazi, darin.
Lange Zeit wurde solche Musik vor allem auf kleinen, im Geheimen organisierten Konzerten und rechten Demos gespielt. Mittlerweile veranstaltet die Szene regelmäßig größere Festivals und verbreitet ihre Musik auch auf Streamingdiensten wie Spotify und Deezer.
Flemming Ipsen ist kürzlich aufgefallen, dass gleich mehrere Bands des rechtsextremen Labels "Opos Records" auf den beiden Streaming-Plattformen vertreten sind. Ipsen ist Referent für Rechtsextremismus bei jugendschutz.net. Er beobachtet die Szene und ihre Musik.
"Es hat mich etwas verwundert, zu sehen, dass diese Musik nun bei Spotify und Deezer frei verfügbar ist", sagt Ipsen im Gespräch mit watson. Die Musik ist zwar nicht verboten und steht auch nicht auf dem Index. Von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indizierte Songs würden zumindest bei Spotify nicht auftauchen, erklärt er. Er kritisiert dennoch, dass die Musik dieser Bands auf den Plattformen zu finden ist: "Nur weil die Songs legal sind, heißt das aber nicht, dass das unwidersprochen bleiben muss", sagt Ipsen. "Da sollte eine rote Linie gezogen werden, was akzeptabel ist, und was zu weit geht."
Das Label "Opos Records", auf deren Veröffentlichungen auf den Streamingplattformen Ipsen aufmerksam gemacht hatte, gehört zu den wichtigsten Labels der rechtsextremen Szene in Deutschland. "Dort veröffentlichen nicht nur viele Bands, sondern über den Onlineshop werden auch Merchandise-Artikel und rechtsextreme Kleidung verkauft", erklärt der Rechtsextremismus-Experte.
Die hauseigene Mode-Marke nennt sich "Greifvogel Wear" und richtet sich unter anderem an rechtsextreme Kampfsportler. "Greifvogel" sponserte unter anderem ein Team beim Neonazi-Kampfsportevent "Kampf der Nibelungen". Musik- und Modelabel werden von dem Rechtsextremen Sebastian R. im brandenburgischen Lindenau betrieben.
"Opos" ist zwar eines der größten rechtsextremen Musik-Labels Deutschland. Es ist aber nicht das einzige, das seine Musik auch über Plattformen wie Spotify und Deezer verbreitet. Ein kurzer Abgleich mit dem Katalog eines rechtsextremen Onlineshops fördert bei den beiden Streamingdiensten mehr als 15 Bands zutage, die bei rechtsextremen Labels veröffentlichen und auch inhaltlich der Neonazi-Szene zuzuordnen sind.
Sie tragen Namen wie "Übermensch", "Anthrazit", "Ahnenblut" "Feindnah", oder "Thrima". Sogar Szenegrößen wie die Bands "Frontalkraft" und "Stahlgewitter", die ihren rassistischen Hass schon seit den 90er Jahren in Musikform gießen, sind dort vertreten.
Im Lied "Geschichtenschreiber" der Band "Anthrazit" wird der Nationalsozialismus verherrlicht. "Ein Staat im Herzen von Europa beschritt die Wege neu" heißt es darin. "Er löste sich vom Wucher und der Zinsensklaverei", geht es weiter. In dem Lied wird ein Bild des nationalsozialistischen Deutschlands gezeichnet, das sich tapfer gegen die "Hochfinanz" auflehnte. Hinter Begriffen wie "Hochfinanz" und "Zinssklaverei" verbirgt sich das antisemitische Weltbild der Nationalsozialisten, in dem Juden angeblich die Finanzmärkte und damit die Welt beherrschen. Die "Schreckensberichte" über die Nazizeit besingt "Anthrazit" als bloße Geschichtsschreibung der Siegermächte.
Rechtsextreme Musik dient der Szene nicht nur zur Verbreitung ihrer Propaganda. Durch eigene Bands, eigene Konzerte und eigenen Merch werde eine neonazistische "Erlebniswelt" geschaffen, erklärt Flemming Ipsen. Dabei passt sich die Szene auch an Trends an. Längst gibt es nicht mehr nur Rechtsrock, sondern auch Nazi-Rap. "Das knüpft an die Hörgewohnheiten insbesondere auch junger Menschen an und lässt die rechte Szene als attraktiver erscheinen", sagt Ipsen.
Songs auch dort anzubieten, wo besonders viele junge Menschen täglich Musik hören, passt da nur allzu gut hinein. Früher verteilten Rechtsextreme wie die NPD sogenannte "Schulhof-CDs". Heute nutzen Neonazi-Labels Plattformen wie YouTube und Streamingdienste wie Spotify und Deezer. Hier können sie nicht junge Menschen erreichen, sondern auch noch Geld verdienen.
Aber ist das auch im Sinne der Plattformen? Deezer reagierte bereits am Dienstag auf Ipsens Tweet und erklärte, die beiden von ihm genannten Bands schnellstmöglich zu entfernen. Auch weitere Bands des Labels "Opos Records" wurden seitdem von Deezer entfernt. Einige weitere Bands, darunter auch die Band "Anthrazit", die umverblümt den Nationalsozialismus verherrlicht, waren dort am Mittwoch jedoch weiterhin verfügbar.
Bei einem Katalog von über 53 Millionen Titeln sei es jedoch trotz vertraglicher Vereinbarungen, zahlreichen Titelfiltern und regelmäßigen Stichproben kaum möglich, alle neuen Inhalte zu prüfen. Nutzer könnten diskriminierende Titel aber über die Mailadresse "musikistbunt@deezer.com" melden.
Auch Spotify antwortete auf eine watson-Anfrage. Grundsätzlich seien die jeweiligen Rechteinhaber verantwortlich für die Musik, die sie über Spotify bereitstellen, schreibt das Unternehmen. Songs und Alben die von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert sind, würden auf Spotify nicht toleriert. Das gleiche gelte auch für andere Inhalte, "die geeignet sind, in irgendeiner Weise Feindseligkeit zu erzeugen – sei es aus rassistischen, religiösen oder anderen Gründen." Sobald solche Inhalte entdeckt würden, würden sie umgehend entfernt.
Ob die Lieder der "Opos"-Bands nun von Spotify entfernt würden, erklärte das Unternehmen jedoch nicht. Am Donnerstagmorgen waren sie zunächst alle weiterhin verfügbar.