Andreas Albrecht Harlaß und Jörg Urban (rechts) haben dagegen geklagt, dass sie als Neonazis bezeichnet werden und verloren.Bild: imago/getty images/montage: watson
Deutschland
Darf man diese AfD-Politiker Neonazis nennen? Zwei Dresdner Gerichte sagen Ja
Seit ihrer Gründung vor sechs Jahren ist die AfD immer weiter nach rechts gerückt. Von Lucke zu Petry zu Gauland. Von der Anti-Euro-Partei zur Anti-Flüchtlingspartei. Antisemitismus-Skandale folgten auf Reden im Nazi-Duktus. Rassistische Ausfälle von Politikern der Partei sind mittlerweile mehr die Regel als die Ausnahme. Als Rechtsextremisten oder gar Neonazis wollen sich AfD-Politiker allerdings nicht bezeichnen lassen.
Zwei sächsische AfD-Politiker wehrten sich nun sogar juristisch dagegen. Zwei Dresdner Gerichte entschieden jedoch: Der Landesvorsitzende der AfD und der Pressesprecher der Partei dürfen als Neonazi beziehungsweise Anhänger der "NS-Rassenlehre" bezeichnet werden. Das sei von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Fall 1: Der sächsische AfD-Pressesprecher Harlaß
In beiden Fällen ging es um Äußerungen auf Twitter. Der 56-jährige Andreas Vorrath twittert regelmäßig über die AfD und Rechtsextremismus in Sachsen. So auch am 21. Februar 2019. Er postete Screenshots von der Facebook-Seite des AfD-Manns Andreas Albrecht Harlaß und kommentierte dazu:
"Herr Harlaß vertritt die NS-Rassenideologie Herr Harlaß ist ein lupenreiner Neonazi"
In seinem Facebook-Post hatte Harlaß sich über "primitive Menschen" ausgelassen und dabei dem Anschein nach Muslime gemeint. Er hatte außerdem einen Kommentar geliked, in dem es heißt: "Die Geburtenrate von Mäusen und Ratten ist um ein Vielfaches höher als von höher entwickelten Lebewesen ! Deswegen hat der Deutsche im Durchschnitt auch nur 1,6 Kinder!!!😉"
Rechtfertigt das die Bezeichnung als Neonazi? Der AfD-Pressesprecher findet: nein. Deshalb forderte er Andreas Vorrath zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Das Amtsgericht Dresden entschied nun allerdings: ja.
In der Urteilsbegründung, die Vorraths Anwalt Jürgen Kasek auf Facebook veröffentlichte, heißt es:
"Die Abbildung der zwei deutschen Schäferhunde verbunden mit dieser Äußerung stellen den Zusammenhang zu der schmerzvollen Zeit der Diktatur unter Adolf Hitler dar und vermögen an die Vergangenheit der Bundesrepublik Deutschland, nämlich die Hitlerdiktatur, dessen Ideologie sich – hoffentlich – niemand zurück wünscht, zu erinnern. Wenn daraufhin die Bemerkung kommt, der Verfügungskläger habe damit einen Ratten-Kommentar geliked, vertrete die NS-Rassenideologie und der Verfügungskläger sei ein lupenreiner Neonazi, vermag dies nicht zu verwundern. [...]"
Mit seinem Post habe Harlaß diese Reaktion geradezu herausgefordert, so das Gericht.
Harlaß ist ist seit 2014 Pressesprecher der sächsischen AfD-Landtagsfraktion. Seit 2018 ist er außerdem Vorstandsmitglied und Pressesprecher der Partei in Sachsen. Davor hatte er von 1994 bis 2014 als Redakteur der Bild-Zeitung gearbeitet. Auf watson-Anfrage erklärt Harlaß, dass er gegen das Urteil in die nächste Instanz gehen wolle. "Neonazis oder Faschisten lehnen die Demokratie als Gesellschaftsform ab", schreibt er, er tue das jedoch nicht. Darum bewerte er das Urteil als falsch.
Fall 2: Der sächsische AfD-Landesvorsitzende
Einen Tag, nachdem Anwalt Jürgen Kasek das Urteil im Fall Harlaß veröffentlicht hatte, sprach das Dresdner Landgericht ein weiteres Urteil. Denn auch der AfD-Landesvorsitzende Jörg Urban hatte gegen Andreas Vorrath geklagt, weil dieser ihn als Neonazi bezeichnet hatte.
Das Ergebnis ist dabei das gleiche: Jörg Urban müsse sich die Bezeichnung als Neonazi gefallen lassen, teilte der Anwalt nach dem Urteil auf Twitter mit. "Im Wesentlichen hat das Landgericht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt", erklärt Jürgen Kasek am Telefon. Die Grenzen der Meinungsfreiheit seien insbesondere in der politischen Auseinandersetzung weit gefasst. "Die Gerichte achten darauf, dass diese Grenzen eingehalten werden, sie setzen sie aber nicht", sagt der Anwalt. Die AfD habe selber dazu beigetragen, die Grenzen zu verschieben, jetzt könne sie nicht verlangen, dass sie enger gefasst werden.
Auf eine watson-Anfrage, ob er das Urteil akzeptieren will, hat Jörg Urban bislang nicht geantwortet.
Spenden an antifaschistische Projekte
Anwalt Kasek ist mit beiden Urteilen zufrieden. "Sie sind so ausgefallen, wie wir erwartet haben." Zu Harlaß' Ankündigung, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen, sagt er: "Das kann er gerne machen, aber Recht wird er da auch nicht kriegen."
Die beiden Gerichtsverfahren haben außerdem noch einen weiteren Nebeneffekt: Die AfD-Politiker müssen, weil sie mit ihren Klagen verloren haben, Kaseks Anwaltsgebühren bezahlen. Der kündigte gegenüber watson an, einen Teil dieser Einnahmen an antifaschistische Projekte in Sachsen zu spenden.
Kasek war bis 2018 Landesvorstandsprecher der Grünen in Sachsen und engagiert sich auch privat gegen Rechtsextremismus. An seiner eigenen Meinung über den AfD-Landesvorsitzenden Jörg Urban lässt er keinen Zweifel.
Auf Twitter schrieb er vor dem Prozessbeginn Anfang April:
CDU: Merz will neues Wehrpflicht-Modell für junge Generation einführen
Schon seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat die Diskussion um die Wehrpflicht wieder Fahrt aufgenommen. Die Ampel änderte während ihrer Regierungszeit nichts am aktuellen System. Durch die Neuwahlen könnten aber bald schon wieder junge Menschen verpflichtet werden.