Vor und zurück: Karl Lauterbachs Coronapolitik stößt nicht auf positive Resonanz.Bild: PHOTOTHEK / Xander Heinl
Deutschland
Karl Lauterbach macht eine Kehrtwende: Die Quarantänepflicht wird zum 1. Mai doch nicht abgeschafft. Lauterbach nennt den vorhergegangenen Vorschlag, Selbstisolation zu einer freiwilligen Angelegenheit zu machen, ein "schädliches Signal". Und fährt so den Zickzackkurs, den er seit Beginn seiner Amtszeit eingeschlagen hat, weiter. Verkündet hat er diese Entscheidung nicht nur bei Markus Lanz, sondern auch nachts um halb drei auf Twitter:
"Die Beendigung der Anordnung der Isolation nach Coronainfektion durch die Gesundheitsämter zugunsten von Freiwilligkeit wäre falsch und wird nicht kommen. Hier habe ich einen Fehler gemacht. Das entlastet zwar die Gesundheitsämter. Aber das Signal ist falsch und schädlich"
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten und fallen alles andere als positiv aus. Unter anderem kritisierte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz Lauterbachs Vorgehen scharf. Bis Dienstagabend sei man davon ausgegangen, dass die Pflicht aufgehoben werde, sagte Merz am Mittwoch im Deutschlandfunk. "Das hat der Bundesgesundheitsminister gestern Nacht in einer Talkshow zurückgenommen." Daran sei zu sehen, wie "kurzatmig" regiert werde. Beschlüsse hätten nicht einmal 48 Stunden Geltung.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, hat die überraschende Korrektur Lauterbachs scharf kritisiert. „Der Minister hat in den vergangenen vier Monate einige gesundheitspolitische Unfälle verursacht“, so Sorge im Gespräch mit RTL/ntv. Man könne schon von einer „politische Massenkarambolage“ sprechen.
Sepp Müller (CDU): Lauterbach scheint "zunehmend benommen und angezählt"
Kritik kam auch vom stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, Sepp Müller. Lauterbachs Pandemiepolitik und die Rücknahme der freiwilligen Isolation verwirrten die Menschen, sagte er. Der Bundesgesundheitsminister scheine "zunehmend benommen und angezählt".
Bei der Impfpflicht verhandele der Minister zudem wie auf einem Basar: "Lauterbach setzt durch sein konfuses Agieren die Gesundheit der Menschen aufs Spiel." Den Kompromissvorschlag für eine Impfpflicht ab 60 Jahren lehnte auch Merz ab. "Diese Art der Politik – rein und raus, vor und zurück, über Talkshows anzukündigen, was man macht und was man zwei Tage später wieder nicht macht – den Weg gehen wir nicht mit", sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. "Hier geht es um verkorkste Kompromisse, die die Koalition machen muss, weil sie sich untereinander nicht einig ist."
"Peinlich": Shitstorm gegen Lauterbach auf Twitter
Auch auf Twitter gab es zahlreiche Reaktionen auf Lauterbachs Rückwärtsrolle. Auf große Resonanz stieß ein Tweet von FDP-Politikerin Franziska Müller-Rech.
Sie twitterte: "Regierungserklärungen sollten in den Parlamenten stattfinden statt in Talkshows" und spielte damit auf die Verkündung Lauterbachs in der Sendung "Markus Lanz" an. Es ist nur einer von vielen Tweets, die dieses Handeln verurteilen.
Die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht (Linke) bezeichnete Lauterbachs Verhalten als "peinlich" und schrieb: "Mit Chaos bei Isolation hat Lauterbach sich selbst übertroffen: in 48h verkünden, verteidigen und in Talkshow wieder zurückziehen. Genauso peinlich ist krampfhaftes Festhalten an der Impfpflicht, die sachlich nicht zu rechtfertigen ist – egal bei welchem Alter".
Lauterbachs Zurückrudern erntet aber nicht nur negative Reaktionen. Trotz der unglücklichen Art, diese politische Entscheidung zu verkünden, rechnen ihm einige das Eingeständnis seines "Fehlers" – wie er es selbst nennt – hoch an.
Lauterbach übernimmt Verantwortung für Hin und Her
Unterdessen verneinte Lauterbach eine Frage, ob er an Rücktritt gedacht habe. Er hat sich zu seiner persönlichen Mitverantwortung für das Hin-und-Her bei der Neuregelung der Corona-Isolation bekannt. "Das war ein Fehler, für den ich auch persönlich verantwortlich bin", sagte Lauterbach am Mittwoch in Berlin. Von dem zunächst geplanten Verzicht auf die Isolation von Corona-Infizierten sei "das falsche Signal" ausgegangen – nämlich, dass eine Isolation Infizierter nicht mehr nötig sei. "Das wäre völlig falsch und würde die Pandemie verharmlosen", sagte Lauterbach.
Der "Grundgedanke" des ursprünglichen Beschlusses sei gewesen, die Gesundheitsämter durch den Verzicht auf Isolations- und Quarantäne-Anordnungen zu entlasten, sagte der SPD-Politiker. Diese Entlastung solle nun dadurch umgesetzt werden, dass lediglich auf Quarantäne-Anordnungen verzichtet wird – das heißt, Kontaktpersonen von Infizierten würden nun nicht mehr behördlich in Quarantäne geschickt. Infizierte sollen aber weiterhin eine Anordnung des Amts zur Selbstisolation bekommen.
(ast/mit Material von dpa/AFP)
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