Cannabis-Zoff mit Dobrindt: Lauterbach verteidigt Teillegalisierung
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt sieht Deutschland im Griff eines massiven Drogenproblems – und macht dafür ausgerechnet die Teillegalisierung von Cannabis verantwortlich. Verkündet hat er das bei der Vorstellung der Lagebilder "Organisierte Kriminalität" und "Rauschgiftkriminalität".
Demnach sind die Zahlen für den Handel mit Ecstasy, Crystal und Kokain stark gestiegen. Insgesamt sind die erfassten Rauschgiftdelikte aber rückläufig, verzeichneten 2024 im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 34 Prozent.
Interessant dabei: Dobrindt führt das auf die Teillegalisierung von Cannabis zurück, schließlich seien Cannabis-Konsum und Besitz unter Auflagen nicht mehr gesetzeswidrig. Für ihn eine statistische Verzerrung und die Teillegalisierung "ein richtiges Scheißgesetz".
Lauterbach schießt gegen Dobrindt
Ob sich hier wirklich um eine statistische Verzerrung handelt, ist streitbar. Sehr sogar. Ex-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach macht das in einem Tweet deutlich. Aber auch andere SPD-Politiker sind über Dobrindts Bewertung entsetzt. Denn faktisch hat seine Kritik keine Substanz.
Die Cannabis-Regelung sei "ein schädliches Gesetz für unsere Gesellschaft, für die Kinder, auch für unseren Rechtsstaat". Denn damit habe die Ampel ihrer Zeit dem "illegalen und kriminellen Drogenhandel Tür und Tor geöffnet", wie "Bild" berichtete. In den Aussagen steckt unter anderem die Annahme, dass es seit der Teillegalisierung deutlich mehr Konsument:innen gibt.
Karl Lauterbach, dessen Prestigeprojekt ebenjenes Gesetz ist, sagt: "Die Legalisierung von Cannabis hat nicht zum Anstieg des Konsums geführt, auch nicht bei Jugendlichen." Zudem seien Cannabis-Konsument:innen keine Kriminellen und sollten auch nicht auf den Handel mit Kriminellen angewiesen sein. "Wir brauchen endlich Erfolge bei den harten Drogen."
Dass Dobrindt die Statistik ausschließlich dafür nutzt, Kritik an der Vorgängerregierung zu üben, stößt auch dem gesundheitspolitischen Sprecher der SPD, Christos Pantazis, sauer auf. "Die Cannabisreform war und ist ein gesundheitspolitischer Paradigmenwechsel, der erstmals Gesundheitsschutz, Suchtprävention und Jugendschutz in den Mittelpunkt stellt – anstelle von Kriminalisierung und Verdrängung."
Aktuell lässt sich noch nicht durch Zahlen stützen, ob mehr Menschen seit der Teillegalisierung zu Cannabis greifen. Eine Untersuchung der Universität Tübingen betont allerdings Gegenteiliges: "Die verfügbaren Daten sprechen … bisher nicht dafür, dass sich das KCanG kurzfristig auf die Anzahl der jugendlichen oder erwachsenen Konsumierenden ausgewirkt hat", schreibt sie in ihrem Bericht.
Cannabisgesetz sorgt für statistische Verzerrung?
Das Bundesministerium für Gesundheit lässt im Rahmen des Forschungsprojekts (EKOCAN) zudem noch eine Untersuchung durch. Ergebnisse dazu liegen noch nicht vor. Zuletzt sei noch angemerkt, dass es sich bei einer statistischen Verzerrung definitionsgemäß um einen systematischen Fehler handelt, der zu verfälschten Werten führt.
Wenn nun aber ein Rauschmittel nicht mehr illegal ist, handelt es sich kaum um einen Fehler. Besitz und Konsum sind keine Straftat mehr und spielen für die Statistik schlicht keine Rolle. Wenn Cannabis also keine Straftat mehr ist, verzerrt das keine Statistik – es verändert sie. Und das ist ein Unterschied, den selbst ein Innenminister verstehen sollte.
