Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will "vorbereitet sein auf das Schlimmste, um nicht damit konfrontiert zu werden". Bereits seit Monaten führt er immer wieder den Begriff der Kriegstüchtigkeit an, die bezüglich der Bundeswehr dringend notwendig sei.
Mittlerweile ist es ziemlich genau 13 Jahre her, dass Pistorius' Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Wehrpflicht in Deutschland vollständig aussetzte und damit eine ganze Generation von dem Konzept Bundeswehr fernhielt. Meinungen hierzu gingen bei Jung und Alt auseinander.
Der aktuelle Verteidigungsminister hält das Ende der Wehrpflicht seinerseits für einen Fehler. Im Angesicht des russischen Angriffskriegs in der Ukraine stellte er nun einen Entwurf für eine Umstrukturierung in der Bundeswehr vor. Watson klärt, was junge Menschen jetzt zu einer möglichen Wehrpflicht wissen müssen und wie eine "neue" Bundeswehr bald aussehen könnte.
Im vergangenen Jahr zählte das deutsche Heer gerade einmal 181.500 Soldat:innen – freiwillig Wehrdienstleistende sind laut offiziellen Zahlen davon nur etwa 10.000 Personen, Tendenz sinkend.
"Nach meiner festen Überzeugung wird es nicht gehen ohne Pflichtbestandteile", betonte Pistorius zuletzt entsprechend eindringlich. Nach dpa-Informationen ist hierfür unter anderem eine Erweiterung des Wehrpflichtgesetzes für junge Männer nötig. Der Verteidigungsminister spricht hier von einem "neuen Wehrdienst", das Wort "Wehrpflicht" meidet er.
Zunächst sollen alle 18-Jährigen einen Brief von der Bundeswehr bekommen. In einem beigefügten Fragebogen müssten potenzielle Kandidat:innen dann Angaben über ihre Bereitschaft und ihre Fähigkeiten für den Wehrdienst machen.
Für Frauen soll das Ausfüllen vorerst freiwillig sein, für Männer hingegen wird das Zurücksenden des Formulars verpflichtend sein. Um eine Dienstpflicht für junge Frauen einzuführen, müsste tatsächlich zunächst das Grundgesetz geändert werden.
Expert:innen zufolge würde der neue Fragebogen pro Jahr etwa 400.000 Menschen erreichen. Wer Interesse bekundet und geeignet scheint, wird schließlich der verpflichtenden Musterung unterzogen. "Wir wollen diejenigen auswählen, die am motiviertesten, am fittesten und am geeignetsten sind", sagte Pistorius am Mittwoch.
Tatsächliche Bereitschaft soll hierzu aber nur bei etwa einem Viertel der theoretisch Wehrfähigen bestehen. Den Ausgewählten wird es laut Pistorius weiterhin freistehen, den Dienst zu verweigern. Langfristig hofft der Verteidigungsminister durch die Umstrukturierung jedoch auf rund 200.000 Reservist:innen.
Durch den neuen Plan erhofft man sich laut Expert:innen, dass 40.000 Kandidat:innen zur Musterung einbestellt werden können. Aktuell gibt es bei der Bundeswehr indes Kapazitäten für eine Ausbildung von 5000 bis 7000 Rekruten, häufig werden unter anderem auch fehlende Kasernen beklagt.
Auf lange Sicht gesehen möchte Pistorius offenbar an das sogenannte "schwedische Modell" anknüpfen. Hier setzt man ebenfalls auf einen Fragebogen für alle 18-Jährigen, aus denen zuletzt etwa 8000 Freiwillige eingezogen wurden.
"Ich mache keinen Hehl daraus: Ich würde gerne 20.000 Wehrdienstleistende jedes Jahr ausbilden", sagte Pistorius. "Dafür reichen aber die Kapazitäten nicht." Allein für die jetzt geplanten Anwerbungen werden demnach Investitionen von 1,4 Milliarden Euro fällig.
Während der Dienst in Schweden jeweils zwölf Monate geht, soll auch Pistorius mit sechs bis siebzehn Monaten Verpflichtung planen. Dabei kann dieser in Schweden auch außerhalb des Militärs, etwa im Gesundheitswesen, abgehalten werden.
Öffentlich diskutiert wurde auch in Deutschland zuletzt eine weiter gefasste neue Dienstpflicht, die zusätzlich Rettungsdienste und Katastrophenschutz umfassen könnte.
(mit Material der dpa)